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EUROPA NEU DENKEN - Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ...

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Praxis bedeutete dies, dass der von Slataper kritisierte Irredentismus es unmöglich<br />

mache, die slawische Seele – „canna palustre slava” (Slawisches<br />

Schilfrohr) wird es später in einem Gedicht von Carolus L. Cergoly heißen – als<br />

integralen Teil der Stadt <strong>und</strong> ihres Raumes zu begreifen. 6<br />

Slatapers epochaler <strong>und</strong> die Triestiner Moderne wesentlich mitbegründender<br />

Roman Il mio Carso / Mein Karst (1912), autobiographische Lyrik in Prosa, so<br />

eine Selbstaussage, setzt bekanntlich mit drei Wunsch-Geburtslandschaften<br />

ein: dem slowenischen Karst, kroatischen Eichenwäldern <strong>und</strong> der mährischen<br />

Tiefebene, mit akzentuiert slawischen Chiffren, um sich dann als zugewanderter<br />

Italiener zu outen, als armer italienischer Bruder, der „seine einsamen Sorgen<br />

zu barbarisieren sucht.“ 7 Es ist denn auch der Karst, der als Gegenlandschaft<br />

zur Stadt in Szene gesetzt wird, als Landschaft voll von Ursprünglichkeit,<br />

von regenerativer Kraft, in der die erste Liebe erfahren, in der eine geradezu<br />

mythische Einheit von Ich <strong>und</strong> Welt, von Körper <strong>und</strong> Erde, die dem Ich vertraut<br />

ist „wie die Zunge dem M<strong>und</strong>“ (Cononoscevo il terreno come la lingua la bocca)<br />

8 , zelebriert werden kann. Auch eine Einheit mit den unwirtlichen Elementen,<br />

mit dem Steinbruch des Monte Kal, mit der Bora – im dritten <strong>und</strong> letzten<br />

Teil findet sich das schöne Bild vom Karst als „ein schrecklicher, zu Stein gewordener<br />

Schrei“ – „un grido terribile impietrito“ 9 . Mitten in eine Borabeschreibung<br />

platziert Slataper schließlich die Begegnung mit einem slowenischen<br />

Bauern. Dies wäre an sich nicht ungewöhnlich, knüpfte er an sie nicht weiterreichende<br />

Visionen, die als Provokation nicht nur durch das irredentistisch gesinnte<br />

Triestiner Bürgertum aufgefasst wurden, sondern auch das Bild des Slowenen<br />

in problematischer Manier konfigurierte: auf das eines ungebildeten,<br />

mongolischen ‚H<strong>und</strong>es’, in dem, als Bruder des russischen Bauern, eine elementare<br />

Gewalt schlummere, die es wachzurütteln gelte, um vom Karst hinunter<br />

zu steigen, von der Stadt Besitz zu ergreifen <strong>und</strong> die Wälder niederzubrennen:<br />

„Es ist nun Zeit, dass du zum Herrn wirst.“ 10<br />

6 Vgl. Lunzer, Renate, Triest. Eine italienisch-österreichische Dialektik, Klagenfurt-Wien 1992, 153f.<br />

bes. 156. Cergoly, Carolus L., Latitudine Nord. Poesie mitteleuropee, Milano 1980, 207; dt. Kucher,<br />

Primus-Heinz, Triest mein Atem. Gedichte, in: Wiener Tagebuch Nr. 6/1989, 23.<br />

7 Slataper, Scipio, Mein Karst. Und andere Schriften, hrsg. v. Primus-Heinz Kucher, Wien 1988, 7.<br />

8 Ebd. 21.<br />

9 Ebd. 58; die ital. Fassung wird zitiert nach: Slataper, Scipio, Il mio Carso. Prefazione di Carolus L.<br />

Cergoly. hrsg. v. Claudio Milanini, Roma 1982, 95.<br />

10 Ebd. 25.<br />

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