STF NA MÍDIA
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Unser Ehrgeiz ist es, eine<br />
starke Türkei zu schaffen,<br />
demokratisch wie wirtschaftlich.<br />
Wir sind überzeugt,<br />
dass die EU dabei eine wichtige<br />
Rolle spielt, denn wir<br />
sehen sie als eine Union gemeinsamer<br />
Werte, wie der<br />
Demokratie, der freien<br />
Marktwirtschaft, der Menschenrechte.<br />
Daher wird unser<br />
Interesse an der EU nicht<br />
erlöschen, sondern in starker<br />
Form weiterbestehen.<br />
Die Türkei hat sich relativ<br />
spät zur Unterstützung der<br />
Aufständischen in Libyen<br />
und Syrien entschlossen,<br />
bevor sie Position bezog und<br />
eindeutig die Demonstranten<br />
unterstützte. Welche Rolle<br />
kann sie bei dem Wandel in<br />
der arabischen Welt spielen?<br />
Wir wünschen uns, dass in<br />
den Staaten des Nahen Ostens<br />
die Demokratie Einzug<br />
hält und dass sich die Lage<br />
dort stabilisiert. Wir haben<br />
enge Beziehungen zur EU<br />
und zu den Staaten des Nahen<br />
Ostens, was keinen Gegensatz<br />
darstellt. Mit dem<br />
Nahen Osten, mit Staaten<br />
wie Ägypten, Tunesien, Libyen<br />
und der gesamten Region,<br />
werden wir unsere Beziehungen<br />
künftig weiter ausbauen.<br />
Mit Ägypten haben<br />
wir ein Freihandelsabkommen,<br />
allein in Kairo gibt es<br />
eine türkische Industriezone,<br />
in der 70.000 Ägypter arbeiten.<br />
Ich war der erste<br />
Staatspräsident, der nach der<br />
Revolution Ägypten besucht<br />
hat. Unsere Delegation kam<br />
mit Militärs und politischen<br />
Führern zusammen - und<br />
auch mit Jugendlichen, die<br />
den Prozess der<br />
Veränderungen überhaupt<br />
erst in Gang gesetzt haben.<br />
Ich habe dort Anregungen<br />
gegeben und freundschaftliche<br />
Ratschläge übermittelt.<br />
Inwieweit können die Erfahrungen<br />
der Türkei aus dem<br />
vergangenen Jahrzehnt ein<br />
Modell sein für die Staaten<br />
des Nahen Ostens? Kann der<br />
mit politischer und wirtschaftlicher<br />
Freiheit einhergehende<br />
„Business-Islam“, der in<br />
Ihrer Heimatstadt Kayseri<br />
gepflegt wird, ein Modell für<br />
andere Staaten mit muslimischer<br />
Bevölkerung sein?<br />
Ich möchte nicht von einem<br />
Modell sprechen, denn das<br />
kann verletzend wirken. Aber<br />
in den arabischen Staaten<br />
blicken heute viele junge<br />
Menschen und Intellektuelle<br />
auf die Türkei. Sie beobachten<br />
die Entwicklung und die<br />
Erfolge unseres Landes - und<br />
fragen sich, warum sie dasselbe<br />
nicht auch in ihren Staaten<br />
haben: Mehr Demokratie,<br />
eine stärkere Wirtschaft,<br />
eine stärkere Achtung der<br />
Menschenrechte. Sie beobachten<br />
die Türkei genau und<br />
fragen sich: „Warum stehen<br />
unsere Länder nicht dort, wo<br />
die Türkei angekommen ist?“<br />
Für diese Menschen ist die<br />
Türkei eine Quelle der Inspiration.<br />
Auch wir suchen ja<br />
Inspiration in anderen Staaten.<br />
Wir blicken nach Deutschland,<br />
in die Vereinigten<br />
Staaten, nach China. Es ist<br />
vollkommen rational, wenn<br />
diese Staaten, weil sie wie<br />
wir muslimisch sind, auf uns<br />
blicken. Auch die Geschichte<br />
verbindet uns. Das erste Parlament<br />
in der Türkei wurde<br />
1876 eröffnet, und die Türken<br />
sind fleißige Menschen.<br />
Wenn die politischen und<br />
wirtschaftlichen Strukturen<br />
in der Türkei besser gewesen<br />
wären in der Vergangenheit,<br />
wären wir heute viel weiter.<br />
Die Leute haben konservative<br />
Werte, sie sind fromm und<br />
fleißig, dabei aber modern,<br />
weltoffen und produktiv. Ich<br />
denke, in diesem Sinne sind<br />
wir tatsächlich eine Quelle<br />
der Inspiration für andere.<br />
Manche nennen es Doppelmoral,<br />
die Türkei in der arabischen<br />
Welt als Modell zu<br />
preisen, während hierzulande<br />
demokratische Forderungen<br />
großer Teile der türkischen<br />
Gesellschaft, etwa der Kurden<br />
oder der Aleviten, nicht<br />
erfüllt werden. So gilt in der<br />
Türkei bei Wahlen weiter die<br />
Sperrklausel von 10 Prozent,<br />
die höchste in allen Demokratien,<br />
und Aleviten zahlen<br />
Steuern, mit denen der obligatorische<br />
sunnitische Religionsunterricht<br />
bezahlt wird.<br />
Müsste die Türkei nicht<br />
zunächst zu Hause einiges<br />
tun, um Modell für andere<br />
Länder zu sein?<br />
Natürlich sehe ich die Türkei<br />
nicht als perfektes Land. Wir<br />
leugnen nicht, dass wir in<br />
viele Schwierigkeiten haben,<br />
wie andere Länder auch,<br />
Frankreich zum Beispiel oder<br />
Deutschland. Es gibt Forderungen<br />
der Kurden, der Aleviten,<br />
und es gibt auch gewisse<br />
Forderungen frommer<br />
sunnitischer Staatsbürger.<br />
Wir wollen diese Defizite<br />
durch Reformen abbauen und<br />
eine neue Verfassung schreiben,<br />
die freiheitlich und<br />
selbstbewusster sein soll, um<br />
diese Schwierigkeiten dann<br />
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