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ICOM International Council of Museums - Museo Estancia Jesuitica ...

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<strong>Museo</strong>logy and History<br />

Martin Schaerer - Switzerland<br />

Augenzwinkernd könnte man sagen, es gebe nur historische Museen. Definiert man<br />

die Gegenwart als extrem kurzen Augenblick, dann können Museen tatsächlich nur<br />

Vergangenes mit Objekten von früher zeigen. Und selbst eine Ausstellung über – zum<br />

Beispiel – die zukünftige Stadtentwicklung kann nur Ideen und Modelle von gestern<br />

zeigen. Als Grenzfälle einer Gegenwartsmusealisierung könnten vielleicht die in eine<br />

Ausstellung eingespielte, gleichzeitig stattfindende Ratsdebatte oder ein an einer<br />

Vernissage geschaffenes neues Kunstwerk bezeichnet werden. Dies sind jedoch<br />

höchst seltene Ausnahmen. Das diesjährige Kongressthema von ICOFOM ist also für<br />

jedes Museum und für jede museologische Überlegung zentral.<br />

So einfach wie diese etwas provokativ-triviale Einführung ist die Thematik nun aber<br />

keinesfalls. Von einigen Grundüberlegungen 1 ausgehend, möchte ich im folgenden die<br />

Thematik "Museum/<strong>Museo</strong>logie und Geschichte" mehr theoretisch als im Hinblick auf<br />

konkrete historische Ausstellungen angehen.<br />

Bevor wir auf die Geschichte, die Vergangenheit, eingehen, kurz einige Bemerkungen<br />

zur Gegenwart und zur Zukunft.<br />

Gegenwart ist alles, was sich ereignet. Der Begriff „Gegenwart“ – eine sich ständig<br />

verschiebende Entität – kann sehr unterschiedlich interpretiert werden. Im<br />

naturwissenschaftlichen Sinne beträgt sie eine als Zeitdauer von zwei bis drei<br />

Sekunden definierte Wahrnehmungseinheit. Philosophisch ist sie die in ihrer Länge<br />

nicht bestimmte Phase zwischen Nicht-Mehr und Noch-Nicht oder (vor allem in den<br />

nicht-linear denkenden östlichen Philosophien) der eine Pol in der Dualität Jetzt/Nicht-<br />

Jetzt. Wir möchten „Gegenwart“ hier mit Bezug auf den sie erlebenden Menschen im<br />

psychologischen Sinne als subjektiv empfundene Einheit von variabler Dauer<br />

verstehen, als Augenblick einer jeweiligen Wirklichkeit, als Dauer eines Erlebnisaktes,<br />

als gleichzeitiges Gegenwärtigsein von Wahrnehmungsinhalten, also beispielsweise<br />

eine Mahlzeit, ein Ausstellungsbesuch, eine Theateraufführung, ein Vormittag mit<br />

gleichartiger Beschäftigung usw.<br />

Analog ist Zukunft alles, was sich ereignen wird. Sie ist grundsätzlich unbekannt; sie<br />

kann nicht gewusst werden. Der Mensch kann sich mit Anspruch auf<br />

Wissenschaftlichkeit nur mit gegenwärtigen oder vergangenen (durch die Gegenwart<br />

wahrnehmbaren), die Zukunft betreffenden Sachverhalten beschäftigen.<br />

"Geschichte ist die Vergegenwärtigung vergangener Sachverhalte", so könnte definiert<br />

werden, wobei "Sachverhalte" Vorstellungen, Geschehen und Dinge umfassen.<br />

Vergangenheit ist demnach alles, was sich je irgendwo ereignet hat. Sie ist<br />

unwiederbringlich verloren; sie ist weder vollständig zu wissen noch jemals<br />

rekonstruierbar.<br />

Es ist entscheidend festzuhalten, dass Vergangenheit, hier mit Geschichte<br />

gleichgesetzt, nicht an sich existiert, sondern nur durch gegenwärtige Denkprozesse<br />

und mit den Methoden der Geschichtswissenschaft konstituiert werden kann. Eine<br />

1 Ich stütze mich dafür auf meine Publikation: Schärer, Martin R.: Die Ausstellung. Theorie und Exempel.<br />

München 2003 (Wunderkammer 5), vor allem S. 15-17 und 88-95; dort finden sich auch viele<br />

Literaturangaben<br />

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