07.12.2012 Views

ICOM International Council of Museums - Museo Estancia Jesuitica ...

ICOM International Council of Museums - Museo Estancia Jesuitica ...

ICOM International Council of Museums - Museo Estancia Jesuitica ...

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

Schärer: Provocative Paper<br />

relativiert. 14 Ein Beispiel führte auch die Ästhetisierung der Geschichte vor, dass heisst<br />

deren Reduktion auf einige "schöne" Gegenstände. Eine solche letztlich ahistorische, weil<br />

enträumlichende und entzeitlichende Präsentation von Gebrauchsgegenständen als<br />

Kunstobjekte verunmöglicht jede kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.<br />

Eine andere Inszenierung zeigte eine Fülle von Ernährungsobjekten aus 700 Jahren ohne<br />

jede Erläuterung und ermöglichte so die Erfahrung des stummen Objektes.<br />

Eine Geschichtsausstellung müsste auch vermehrt lokale, regionale und globale<br />

Zusammenhänge berücksichtigen. Unsere Stadt im Mittelalter, ja, aber was geschah<br />

gleichzeitig anderswo? Zudem ist eine Einbeziehung ethnischer, religiöser und sozialer<br />

Minderheiten wichtig. Also wiederum nicht nur die Glorifizierung "staatstragender<br />

Schichten", sondern mindestens der Versuch einer holistischen Darstellung!<br />

Viel wird auch über die Rolle der Geschichte in der sogenannten Postmoderne<br />

diskutiert. Mir gefällt der Begriff "Zweite Moderne" 15 besser, obwohl er genausowenig<br />

die Eigenständigkeit einer Epoche hervorhebt. Beier interpretiert die wachsende<br />

Zuwendung zur Geschichte im Rahmen der Zweiten Moderne (mit den zentralen<br />

Elementen Globalisierung, Individualisierung und Bedeutungsschwund<br />

wissenschaftlichen Wissens) und im Hinblick auf drei zentrale Funktionen der<br />

Ausstellung: Orientierung, Integration und Edutainment. Das in den letzten<br />

Jahrzehnten zunehmende Interesse für Geschichte ist ein sehr positiver Faktor. Über<br />

die Hintergründe gibt es viele spannende Theorien, die hier nicht abgehandelt werden<br />

können. Es sei nur der Zusammenhang mit einer zunehmenden Orientierungslosigkeit<br />

in einer sich sehr schnell wandelnden Welt erwähnt. 16 Museen müssten diese Tendenz<br />

viel stärker fruchtbar machen.<br />

Historische Ausstellungen haben eine ausgezeichnete Konjunktur. Sie stellen aber<br />

auch grosse Anforderungen an Autoren und Expographen. Nie darf das Bewusstsein<br />

verlorengehen, dass die Ausstellung mithilft, ein Geschichtsbild zu prägen, was eine<br />

grosse Verantwortung des <strong>Museums</strong> einschliesst. Auf dem Hintergrund der Relativität<br />

des Geschichtswissens und der Fiktionalität einer jeden Ausstellung gewinnt diese<br />

Aussage doppelte Bedeutung.<br />

14<br />

Schärer, Martin R.: 700 Jahre auf dem Tisch. Oder: Die 7 ausgestellten Ausstellungen. Ernährung in<br />

der Schweiz vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart und Möglichkeiten, Ernährungsgeschichte im<br />

Museum auszustellen. Ausstellung im Alimentarium Vevey 1991. Im Zusammenhang dieser<br />

Ausstellung wurde auch ein ICOFOM-Kolloquim zur Ausstellungsprache organisiert: ICOFOM Study<br />

Series 19 und 20<br />

15<br />

Beier-de Haan, Rosmarie 2005: Erinnerte Geschichte – Inszenierte Geschichte. Ausstellungen und<br />

Museen in der Zweiten Moderne. Frankfurt<br />

16<br />

Vgl. z.B. den wichtigen Aufsatz: Lübbe, Hermann 1984: Der Fortschritt und das Museum. In: Auer,<br />

Hermann (Hg.): Bewahren und Ausstellen. Die Forderung des kulturellen Erbes im Museum. <strong>ICOM</strong>-<br />

Symposium Lindau 1982. München 1984:227-246.<br />

50

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!