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ICOM International Council of Museums - Museo Estancia Jesuitica ...

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Schärer: Provocative Paper<br />

Dies kann auf sehr verschiedene Arten kommuniziert werden, etwa durch eine<br />

Absichtserklärung in einem einführenden Text oder durch verfremdende Darstellungen,<br />

die eine kritische Distanz zwischen Besucher und Ausstellung schaffen (was natürlich<br />

bei der bereits solche Elemente enthaltenden, assoziativen Ausstellungssprache am<br />

einfachsten ist), ferner bei Führungen und edukativen Programmen. Es kann die<br />

Auffassung vertreten werden, dass eine solche Thematisierung des Mediums<br />

Ausstellung gerade in einer Zeit zunehmender Ästhetisierung und Inszenierung des<br />

Alltags noch an Bedeutung gewinnt. 12<br />

Fehlpositionierungen sind auch noch aus einem ganze anderen Grund möglich. Im<br />

Zentrum jedes Musealisierungsprozesses steht die reduzierende Auswahl von Dingen.<br />

Notgedrungen ist das Museum deshalb mit seinen Sammlungen gezwungen, aus<br />

Fragmenten ein Ganzes zu konstruieren, was natürlich immer auch einen politischen<br />

Entscheid darstellt. "Die Fragmentierung", so schreibt Steen, "ist Voraussetzung der<br />

Musealisierung. Das Objekt ist das wissenschaftlich systematisierte Fragment." 13<br />

Die im Museum institutionalisierte Musealisierung betrifft also nur einen Teil der<br />

musealisierten Objekte, die wiederum nur einen verschwindend kleinen Teil aller Dinge<br />

darstellen, die je existiert haben. Im Hinblick auf <strong>Museums</strong>sammlungen ist das<br />

Problem der Auswahl und der damit verbundenen Verantwortung äusserst wichtig:<br />

Welches Ding wird als (wichtiges, typisches?) Dokument für einen bestimmten Bereich<br />

betrachtet? Die Auswahl im Museum erfolgt nach gesellschaftlich definierten Kriterien.<br />

Eine wie auch immer definierte Sammlungspolitik ist stets zeitbedingter Ausdruck<br />

vorherrschender wissenschaftlicher und ästhetischer Kriterien. Sie kann noch so<br />

neutral formuliert sein und z.B. thematische und/oder geographische Kriterien anführen<br />

oder festlegen, Echtes, Exemplarisches, Typisches, Repräsentatives, Elementares,<br />

Fundamentales, Innovatives oder Modellhaftes zu sammeln, stets wohnt diesem<br />

Auswahlprozess, durch den Geschichte hergestellt wird, ein eminent kulturfixierendes,<br />

auch verfälschendes und damit gefährliches sowie gleichzeitig gefährdetes, weil<br />

manipulierbares Element inne.<br />

Die dadurch geschaffene Machtposition des <strong>Museums</strong> darf nicht unterschätzt werden,<br />

gerade auch, weil – und dies im Gegensatz zum akademischen Betrieb – die<br />

Weltsichten anonym und in einem autoritätsverleihenden Umfeld präsentiert werden.<br />

Zudem besteht, besonders stark in nicht-pluralistischen Systemen, die Gefahr eines<br />

Missbrauchs des <strong>Museums</strong> für fremde, nicht mit seiner Aufgabe zu vereinbarende<br />

Ziele. Erinnert sei nur an die Vereinnahmung der Geschichte in Nationalsozialismus<br />

und Kommunismus. Und die Anekdote, die dem Staatsoberhaupt eines neuen<br />

afrikanischen Staates in den Mund legt, er brauche – in dieser Reihenfolge – eine<br />

schlagkräftige Armee, eine funktionierende Radiostation und ein Nationalmuseum, ist,<br />

wenn auch vielleicht nicht wahr, so doch ausgezeichnet erfunden. Auch werden<br />

nationale Geschichtsmuseen bei politischen Umstürzen zwar selten besetzt, aber<br />

häufig geschlossen und später umgestaltet. Schließlich geben auch die<br />

Diadochenkriege im früheren Jugoslawien mit ihren bewussten Zerstörungen<br />

nationalen Kulturgutes eine außerordentlich betrübliche Anschauung. Leider werden<br />

solche Sachverhalte selten (ausstellungsbezogen) thematisiert.<br />

Ethische Richtlinien verlangen einen verantwortungsbewussten Umgang mit der<br />

Vergangenheit. Museen sind Teil des kollektiven Gedächtnisses und daher auch<br />

mitverantwortlich für überlieferte Geschichtsbilder. Dabei gibt es nicht nur eine richtige,<br />

12<br />

Schärer, Martin R.: <strong>Museo</strong>logie ausstellen. In: Fayet, Roger (Hg.): Im Land der Dinge. <strong>Museo</strong>logische<br />

Erkundungen. Baden 2005:33-43 (Interdisziplinäre Schriftenreihe des <strong>Museums</strong> zu Allerheiligen<br />

Schaffhausen 1)<br />

13<br />

Steen, Jürgen: Kategorien der Darstellung von Geschichte im Museum. In: <strong>Museums</strong>kunde<br />

60(1995):24<br />

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