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2. Zusammenfassung der Forschungsergebnisse. Schlussreflexionen.<br />
2. 1. Das Treffen der Kulturen<br />
Die Begriffe der Integration, Inkulturation und/oder der Assimilation kommen bei der<br />
wissenschaftlichen Abhandlung ethnischer Migrationen zwangsweise vor. Damit versucht<br />
man den Prozess der Übersiedlung bzw. Ansiedlung abzuschließen, wodurch er geschichtlich<br />
und gesellschaftswissenschaftlich erst diskutierbar wird.<br />
In vorliegender Arbeit wollte ich keine Entscheidung darüber treffen, welchen<br />
Unterschied es zwischen den Erscheinungen gibt, die mit den obigen Begriffen bezeichnet<br />
werden. Es ist auch durchaus möglich, dass diese Begriffe sinngemäß nicht vergleicht werden<br />
können, da sie auf verschiedenen soziolinguistischen Ebenen entstanden sind.<br />
Wie dem auch sei, das Interesse der Kulturanthropologie zielt bei dem Thema der<br />
Migrationen vor allem auf die Beschreibung des Treffens zweier Kulturen: der Kultur der<br />
Einheimischen und der von Einwanderern. 56 In diesem Sinne könnte der aktuelle Diskurs auf<br />
Integration der Juden in die Pester Kultur beschränkt werden. 57<br />
Peter Hanák beschrieb den Unterschied zwischen den ersten jüdischen Ansiedlern und den<br />
späteren Assimilierten, indem er annahm, dass die ersten Einwanderer ihre ursprüngliche<br />
Identität noch behalten hätten. Der anfängliche Kontakt mit den Einheimischen habe sich<br />
vorläufig auf geschäftliche bzw. arbeitsbedingte Beziehungen eingeschränkt. Die ersten<br />
Ansiedler sollen sich an ihrem neuen ökologischen <strong>Or</strong>t fremd gefühlt haben, die einheimische<br />
Sprache lediglich in Ansätzen gelernt und die örtlichen Umgangsformen nur äußerlich<br />
angenommen haben. Auf dem Weg zum vollständigen Zusammenschmelzen sei die<br />
sprachlich-kulturelle Integration die zweite und die entscheidendste Station gewesen, wo die<br />
Doppelkultur und eine gemischte Folklore entstanden sein sollen. Das kann auch absurd<br />
vorkommen, wenn man sich überlegt, dass das Wort Folklore das Wissen eines Volkes<br />
bezeichnet. Wenn von einem gemischten Wissen gesprochen wird, könnte das auf eine<br />
Verunsicherung, ja sogar Verlust ethnischer Souveränität hinweisen. 58 Gerade diese<br />
Doppelkultur, die zu einer gespalteten ethnischen Zugehörigkeit geführt haben soll, habe<br />
56 García 2003. 19-40<br />
57 Es gibt Autoren, welche die Intergration als eine Option betrachten. Larissa Lomnitz unterscheidet z. B.<br />
zwischen einer abweisenden und einer assimilierenden Integration der Einwanderer, die sie an <strong>Or</strong>t „ihrer neuen<br />
ökologischen Nische“ entwickeln. Ich nehme an, dass die Migranten bei der Kulturintegration ihres kulturellen –<br />
in unserem Fall bedeutet es vor allem religiösen - Ursprungs bewußt bleiben.<br />
Larissa Lomnitz in García 2003. 140<br />
58 Hanák 1983. 360-362.<br />
Ein fast gleiches System wurde auch von der obenangeführten Autorin erarbeitet. Larissa Lomnitz bezieht sich<br />
dabei auf eine frühere Arbeit von ihr (Lomnitz 1975), in der sie dieses Modell für „la migración rural-urbana en<br />
América Latina” vorgeschlagen hat „para entender el proceso de migración en forma integral”.<br />
Larissa Lomnitz in García 2003. 139-140<br />
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