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Der Regionalkongress (Medine-Comitat) vom 1830 (Protokoll: 91), bzw. 1832, der in Pest<br />
veranstaltet wurde, ist auch ein Beweis für die wachsende zentralisierende Funktion der Pester<br />
Gemeinde. Die Liste mit den Namen vieler Vertreter verschiedener jüdischer Gemeinden<br />
enthält die Eintragung vom 10. September 1832, die wegen besonderer Bedeutung der<br />
Angelegenheit am Samstag verrichtet wurde. Jedoch wurde das Schabbat-Ruhegebot dadurch<br />
nicht verletzt, weil die Eintragung Samstag Abend nach dem Ausgang des Schabbats<br />
geschrieben wurde. Die Beamten müssen damals sehr fleißig gewesen sein, da Schabbat im<br />
September noch immer ziemlich spät zu Ende ist. Diese Eintragung hob für uns auch die<br />
damalige jüdische Topografie Ungarns auf. Die Pester Gemeinde wurde von Isaak D.<br />
Breisach, G. Ullmann, S. Wodianer, M. Stern, S. Mandel, J. Kadisch, Herm. Lustig, S. E.<br />
Kern vertreten (Protokoll: 146).<br />
Hinsichtlich der Selbstbestimmung der Pester Juden ist die Protokoll-Eintragung vom 11.<br />
November 1832 bemerkenswert, die über eine Veranstaltung landesweiter Bedeutung zu Pest<br />
berichtete. Indirekt – über ihre Männer und Söhne – betraf dieses Ereignis auch die jüdischen<br />
Frauen, obwohl sie daran selbstverständlich nicht beteiligen durften. In Pest wurde die<br />
Medina-Wahl abgehalten, die der Pester Protokollant ethnisch als die Wahl unserer Nation<br />
formuliert hat (Protokoll: 147). 78<br />
Die Namen der Pester Wahlteilnehmer (unter unseren alten Bekannten sind z. B. J. L.<br />
Boschkowitz oder G. Ullmann zu finden) erscheinen auf den Seiten des Protokolls, welche die<br />
Religionsfragen des Judentums behandeln. Aus diesem Grund finde ich die Bezeichnung der<br />
jüdischen Volksgruppe als ethnisch-religiöse besonders geeignet. 79<br />
Unter Medina-Comitat verstanden die Protokollanten die Vorsteher, die alle Juden<br />
Ungarns vertraten und das Wohl aller Juden im Auge hielten. Diese Wörter wurden vom<br />
Protokollanten auf Hebräisch geschrieben, um diese Aufgabe des Vorstands besonders zu<br />
betonen bzw. sprachlich zu heiligen.<br />
Die Eintragung vom 4. August 1831 weist wiederholt die wichtige öffentliche Rolle Pester<br />
Gemeinde nach. Erzherzog Josef bedankte sich persönlich bei der jüdischen Gemeinde für die<br />
erfolgreiche Geldspende, die Leiden und Not vieler Bewohner der Stadt linderte, die an der<br />
Cholera-Epidemie ihre Familienhäupter oder andere Familienmitglieder verloren haben. Über<br />
die Geldspende hinaus lieferten die Juden zwei Monate lang Brot und Fleisch kostenlos an die<br />
Pester Behörde, die davon die christlichen Familien versorgte. Der Brief begann mit diesen<br />
78 Zum Begriff „Medina” mehr bei Jakob Katz: 2005. 192-195, 196-199, 200.<br />
79 Die Erweiterung bzw. Umbau der Synagoge wird im Protokoll der Gemeinde auf der Seite 49 bzw. 76, die<br />
Wahl vom Pester Rabbiner auf den Seiten 59-60. bzw. 132 protokolliert.<br />
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