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Vermutlich war der Schreiber einer der Unterzeichneten, deshalb wirkt der Brief<br />
emotioneller als sonstige amtliche Schriften. Schon die einführenden Worte klingen<br />
nahezu dramatisch: das Gerücht verbreitet sich... . In der 9. Zeile steht gänzlich<br />
resigniret“ und dieser Ausdruck der freiwilligen Niederlegung des Amtes –<br />
dramatisch bekräftigt durch gänzlich - wiederholt sich noch in dieser Zeile als eine<br />
substantivierte Variante. In der 15. Zeile wird das Wort Resignation noch mal<br />
wiederholt, was dem ganzen Brief das Gefühl eines Untergangs, einer katastrophalen<br />
Lage oder mindestens einer Unsicherheit verlieh. Viermal wiederholt sich das Wort<br />
Restauration auf erster Seite, welches normalerweise eine neue Wahl bedeutete. Die<br />
häufige Wiederholung des Wortes erweckte gewiss ein reges Interesse des Lesers, was<br />
der Schreiber durch seine Schreibstrategie auch zu erzielen versuchte.<br />
Ziemlich viele Probleme hatte der Verfasser bei Schreibung der Wörter mit -e und -i,<br />
die er manchmal wegließ. Jüdsche könnte aber zum individuellen mundartgefärbten<br />
Wortschatz des Schreibers gehört haben.<br />
Zum Satzgefüge ist folgendes zu bemerken:<br />
Der Schreiber hatte eine große Vorliebe für zusammengesetzte Sätze, die jedoch keine<br />
klare Rahmenkonstruktion aufweisen. Bei seiner dichterischen Art der Mitteilung<br />
verwendete er fast nur Partizipien.<br />
In der Verbalendung verwendete der Verfasser meistens -et: resigniret, begehnmiget.<br />
Die neuhochdeutsche Regelung der Verbalendungen wurde bei keinem der Pester<br />
Schreiber wirklich konsequent angenommen.<br />
Auch in diesem Brief könnte eine Unsicherheit im Genitiv, bzw. Gebrauch vom<br />
Possessivartikel entdeckt werden: bei seiner Versammlung der Ausschussmänner.<br />
Unten wird ein Fragment aus dem Brief angeführt, in dem die Unterzeichneten versuchten,<br />
die Untauglichkeit der neugewählten Mitglieder des Gemeindeausschusses zu beweisen. 60<br />
Anhand dieses Fragments kann die Vorstellung über den Stil des Briefverfassers gebildet<br />
werden: „Bei der hiesig tollerirten Judenschaft verbreitet sich das allgemeine Gerücht; daß die<br />
Herren exmitierten Benedikt v. Fellner, Stadt-Hauptmann, und Johann Boráros Magistratsrath<br />
in folge der untere 4 Juli 8i5 № i859i ergangenen hohen Statthalterei verordnung, anstatt H.<br />
Marcus Sachsel, und H. Isai Schlesinger, deren der erstere sich von hier ganz weg begeben,<br />
der zweite aber gänzlich resigniret, und seine Resignation gnädigst begenhmiget worden,<br />
nächster Tagen eine Zusammentret(e)ung (hier ein „e“ zu viel – L.H.) der hiesig jüdschen<br />
60 Um den Text deutlicher zu machen, meide ich den Gebrauch von Graphemen -n und -y für „e” bzw. „i”.<br />
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