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DOKTORI DISSZERTÁCIÓ - Or-Zse

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Die zur Forschung der Lebensverhältnisse von ersten jüdischen Ansiedlerinnen dienenden<br />

Archivdokumente stammten aus dem Zeitraum von ersten und zweiten Generationen des<br />

Pester Judentums. Alle Dokumente wurden von Männern verfertigt, die traditionell auch in<br />

den Frauenangelegenheiten Urteile fällten. Die Schreiber und die Beamten verfassten im<br />

Namen der Frauen ihre Beschwerden und Bitten nach eigenem Geschmack. Es ist zweifelhaft,<br />

ob sie das Wesentliche jedes Mal wirklich erfasst haben, da es zwischen den Mitgliedern auch<br />

sprachliche Unterschiede gab. Die verwirrende Abfassung des Ehekrieges der Familie Berger<br />

könnte auf diese Tatsache zurückgeführt werden (Protokollseiten: 76, 95).<br />

Die „Frauen-Eintragungen” im Gemeindeprotokoll waren auffallend kurz, während die<br />

öffentlichen Berichte der Männer manchmal sogar viel zu ausführlich geschrieben wurden. In<br />

diesen Berichten figurierten die Männer mit vollen Namen, vor denen die männliche<br />

Anredeform Herr (oder kurz „H”) stand, die die gesellschaftliche Bedeutung der handelnden<br />

Personen betonte. Hier ist ein Beispiel von der Seite 42 des Protokolls, auf der folgende<br />

Eintragung zu lesen ist: „Bela Witwe des Wolf Hollitsch bittet um monatliche Unterstützung.“<br />

Der Beschluss des Vorstandes lautete anders: „Wird nach Einsicht der Armen-Kassa von<br />

Cassirer Herrn K. Hirsch ihr eine monatliche Unterstützung angewiesen.”<br />

Diese kleinen Texte lassen in die Genderverhältnisse jüdischer Gesellschaft tief blicken.<br />

Durch sprachliche Zeichen wird die öffentliche, allgemeinwichtige Aktivität der Männer bzw.<br />

der sekundäre Frauenstatus ganz klar dargestellt. Hinzuzufügen ist es noch, dass die<br />

frauendiskriminierende Atmosphäre solcher Eintragungen auch die Chronisten vergiftete, die<br />

Berichte für nachkommende Generationen erstatteten. So wird es klar, warum die Historiker<br />

nur über die Männer schrieben!<br />

Da die Männer in allen Angelegenheiten der Familien und der Gemeinde regierten,<br />

mussten sie sich als erste an die Umstände der Außenwelt anpassen und an den<br />

ursprünglichen Sitten jüdischer Gesellschaft manchmal ändern. Andrea Pető behauptete in<br />

ihrem Artikel zur Ausstellung A zsidó nő („Die jüdische Frau”. Budapest 2002), dass die<br />

Assimilationsgedanken jüdischer Männer Ungarns immer stärker wirkten als eventuelle<br />

Neigung zur Dissimilation. Deshalb konnten es sich die gebildeten jüdischen Ehemänner<br />

nicht mehr leisten, ihre Frauen unter mittelalterlichen Umständen leben zu lassen: „[…]<br />

mindig is jóval erősebbek voltak a disszimiláció gondolatánál, ennek megvalósítása során a<br />

zsidó férfiak nem kockáztathatták, hogy feleségeik még mindig „középkori” körülmények<br />

között élnek.” 86<br />

86 Pető 2002. 78 in: A zsidó nő.<br />

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