DING UND EVIDENZ: DER VERSTANDESBEGRIFF UND DIE ...
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Anschauung im untersuchten und eingangs gegebenen Zitat ist gemäß der<br />
Unterscheidung von formaler und reiner Anschauung ein weiterer, an<br />
Deutlichkeit kaum mehr zu überbietender Hinweis auf die Reihenfolge der<br />
Konstitution, da die Erörterungen der reinen Anschauung immer schon<br />
geometrische, also räumliche und begriffliche Verhältnisse betreffen. 388<br />
Allerdings wird hier der Terminus »Verknüpfung« nicht rein im Sinne der<br />
Definitionen von compositio und nexus gebraucht. Die Schwierigkeit der<br />
Bestimmung der Grenzen der Bedeutung von compositio<br />
(Zusammensetzung) und nexus (Verknüpfung) vor dem Hintergrund der<br />
»vermittelnden Vorstellung« (dem Schema) hat zweierlei Gründe: Erstens,<br />
daß auch für die Bestimmung der Verknüpfung im Sinne des nexus die<br />
Konstitution der Erscheinungen als Zusammensetzung der Vorstellungen<br />
der Anschauung (compositio ) vorausgesetzt ist. Aber auch zweitens, weil<br />
— und das ist hier der eigentliche Grund — die Verstandeshandlung, die<br />
erst die Sukzessivität des inneren Sinnes bestimmt, die Sukzession der<br />
Erscheinungen nicht bloß als Wechsel der Erscheinungen des empirischen<br />
Bewußtseins betrachten kann und die logische Definition der Zeit (als<br />
Verknüpfung der kontradiktorischen Gegensätze wechselnder Prädikate)<br />
die Erscheinungen schon kategorial auf Gegenstände bezieht, obwohl sie<br />
noch keine dynamische Bestimmung besitzt. Die nicht-dynamische<br />
kategoriale Bestimmbarkeit der logischen Verbindung wechselnder<br />
Erscheinungen mittels Gegensätze gegenüber der Freiheit der Spontaneität<br />
ist also der eigentliche Grund, weshalb Kant hier den Inhalt des Terminus<br />
»Verknüpfung« weiter als in der compositio (weil bloß, aber doch die<br />
Beharrlichkeit der Substanz bestimmend), aber enger als im nexus (weil<br />
nicht die dynamische Kategorie bestimmend) faßt. 389<br />
388 Vgl. den ersten Abschnitt, 2, Die reine Anschauung ist das Produkt der<br />
Einbildungskraft in der Konstruktion aus Begriffen, die formale Anschauung das<br />
Produkt der Einbildungskraft in der reproduktiven Funktion, sei es in der Synthesis<br />
der Rekognition im Begriff auf eine Größe gebracht (A 103) oder nicht.<br />
389 Refl. 4041., „Zufällig ist, dessen Gegenteil an seiner Stelle möglich ist. Veränderlich:<br />
das in Verknüpfung mit seinem Gegenteil möglich ist.“ Allerdings beansprucht Kant<br />
an anderer Stelle schon für den Gebrauch des Begriffes »Zusammensetzung« eine<br />
vorkategoriale Bedeutung: „Der Begriff des Zusammengesetzten überhaupt ist keine<br />
besondere Kategorie, sondern in allen Kategorien (als synthetische Einheit der<br />
Apperzeption) enthalten. Das Zusammengesetzte nämlich kann, als ein solches,<br />
nicht angeschaut werden; sondern der Begriff oder das Bewußtsein des<br />
Zusammengesetzens (einer Funktion die allen Kategorien als synthetische Einheit<br />
der Apperzeption zum Grunde liegt) muß vorhergehen (...).“ Brief an Tieftrunk vom<br />
11.12.1797, AA XII, p. 222. Die Verknüpfung ist also eine Bestimmung der modalen<br />
Kategorie, reicht aber nicht zu, um die dynamische Kategorie zu bestimmen.