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DING UND EVIDENZ: DER VERSTANDESBEGRIFF UND DIE ...

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— 291 —<br />

werden könnte, welches eben so viel heißt, als die Vorstellung würde<br />

entweder unmöglich, oder wenigstens für mich nichts sein.« 43<br />

Die Alternative zwischen einer unmöglichen Vorstellung und einer Vorstellung,<br />

die für mich nichts sein könnte; vielleicht, weil letztere weder<br />

formale Bedingungen der Anschauung noch die Identität der Handlung<br />

als Einheitsgrund angeben könnte, deshalb alleine aber noch nicht eine<br />

unmögliche Vorstellung überhaupt genannt werden könnte, verlangt nach<br />

einer Erklärung. Es kann vermutet werden, daß Kant damit schon jene<br />

Unterscheidung getroffen hat, die Bolzano mit der Unterscheidung in „sich<br />

widersprechende“ und in „unmögliche“ Vorstellungen ausgedrückt hat: In<br />

sich widersprüchliche Vorstellungen haben wohl einen Inhalt, aber eben<br />

wegen dessen Widersprüchlichkeit keinen Gegenstand. Die unmögliche<br />

Vorstellung bezieht sich aber für Bolzano schon auf Gesetze, die für ihren<br />

als real behaupteten Gegenstand gelten, aber ihren Inhalt eben diesen<br />

Gesetzen gemäß für unmöglich erklären müssen, obgleich die Vorstellung<br />

selbst aus für sich selbst widerspruchsfreien Elementen besteht. 44<br />

Wesentlich ist dabei die Unterscheidung in Widerspruchsfreiheit der<br />

Prädikate untereinander und in Widerspruchsfreiheit der Konsequenzen<br />

dieser Prädikate. Die unmöglichen Vorstellungen Bolzanos wären bei Kant<br />

aber vermutlich doch solche Vorstellungen, die »wenigstens für mich<br />

nichts sein« könnten, sofern sie keine sinnlich gegebene Anschauung<br />

enthalten könnten; die sich widersprechenden Vorstellungen Bolzanos<br />

wären diejenigen, die Kant »unmögliche« Vorstellungen nennt. Bolzano<br />

nennt also diejenigen Vorstellungen unmöglich, die einem physikalischen<br />

(jedenfalls wirklichen) Gesetz widersprechen, Kant bezeichnet eben<br />

dieselbe Art von Vorstellungen als solche, die »wenigstens für mich nichts<br />

sein« könnten, weil sie nicht unserer empirischen Organisation der Sinne<br />

und der Erkenntnisvermögen entsprechen. Hingegen sind diejenigen<br />

Vorstellungen, die Kant als »unmöglich« bezeichnet, bei Bolzano jene, die<br />

dieser als widersprüchlich bezeichnet, aber deshalb noch nicht als für<br />

unser Denken als unmöglich, da wir eben unter anderen sehr wohl auch<br />

widersprüchliche Vorstellungen denken. — Kants Begriff von einer<br />

Vorstellung ist hier offensichtlich ursprünglich auf Vorstellungen mit<br />

Anschauung beschränkt.<br />

43 B 131<br />

44 Bernard Bolzano: Wissenschaftslehre. Versuch einer ausführlichen und größtenteils<br />

neuen Darstellung der Logik mit steter Rücksicht auf deren bisherigen Bearbeiter,<br />

Sulzbach 1837, § 67 (unmögliche Vorstellungen) und § 70 (imaginäre Vorstellungen).

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