Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
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Jörg-Michael Vogl<br />
Zur Parteientheorie<br />
Anmerkungen zu Michael Jägers Konzept'<br />
Michael Jäger gibt mit seinem Artikel dicht gedrängt viele Anregungen, die Diskussionen<br />
wert sind.<br />
1. Er zielt darauf ab, eine marxistische politische Wissenschaft zu initiieren, die den<br />
Ansatz der Staatsableitungsdebatte aufheben kann. Eine wichtige Voraussetzung, die er<br />
macht, ist die der »empirischen Identität von Basis <strong>und</strong> Überbau«. Zunächst stellt er fest,<br />
daß Marx <strong>und</strong> Engels keine politische Theorie entwickelt hätten, weil <strong>für</strong> sie das (ökonomische)<br />
Sein das Bewußtsein bestimmt hätte, genauer: jede tiefe Wirtschaftskrise zur Revolution<br />
hätte führen müssen. Deswegen muß nach Jäger der Begriff .Sein« korrigiert<br />
werden: nicht Fakten des Produktionsbereichs werden sinnlich wahrgenommen, .sondern<br />
stattdessen ein unentmischtes Gesamtphänomen, in dem die ökonomischen Fakten<br />
immer schon politisch vermittelt sind, in dem daher, in letzter Konsequenz gedacht,<br />
Ökonomie <strong>und</strong> Politik, Basis <strong>und</strong> Überbau empirisch dasselbe sind.« (51)<br />
Die marxistische politische Wissenschaft soll eine »Theorie der Abgrenzungenc enthalten:<br />
Schon von der Anlage her soll nicht nur der bürgerliche Staat erfaßt werden,<br />
sondern es sollen homogen auch Aussagen über den »sozialistischen Alternativstaat«<br />
(48) gemacht werden. Dazu soll die .bestimmt bürgerliche Gesetzmäßigkeit« abgehoben<br />
werden von der allgemeinen, die Staat überhaupt, also auch den sozialistischen<br />
Staat, determiniert (49). Dieses Vorgehen sieht M. Jäger in Analogie zum Marxschen<br />
Paradigma bei der Analyse der Wertform. Er versucht, die Analogie auch weiterzutreiben<br />
<strong>und</strong> führt einen Begriff ein, der das Gr<strong>und</strong>element der politischen Wissenschaft<br />
bilden soll. Dessen Entfaltung <strong>und</strong> Konkretisierung erzeugt die Aussagen der politischen<br />
Theorien (über Parlament, Verfassung, ... ). Dieser Gr<strong>und</strong>begriff ist der der »Partei«.<br />
Im Gegensatz zum üblichen Sprachgebrauch erweitert Jäger den Begriff allerdings<br />
zu einer Eigenschaft aller Individuen: jedes Individuum gehört einer Partei an, die Parteien<br />
im engen Sinn sind nur die .Organisationszentren der wirklichen Parteien« (55).<br />
Diese Organisationszentren repräsentieren - allerdings modifiziert - die Parteien im<br />
weiten Sinn (55)1<br />
2. Hier liegt m.E. ein erstes Problem: wenn das Gr<strong>und</strong>konzept erhalten bleiben soll,<br />
daß die Basis in letzter Instanz den Überbau determiniert, dann muß diese Beziehung<br />
schon in diesem Gr<strong>und</strong>begriff .Partei. angelegt sein. Sie darf nicht auf einer späteren<br />
Stufe der Entfaltung .hinzukommen«. Die einzige Stelle, wo Jäger seinen Parteibegriff<br />
indirekt in die Beziehung Basis-Überbau einordnet, ist die, wo er die Beziehung zwischen<br />
Partei <strong>und</strong> Klasse skizziert (56): Parteiindividuen sind danach Konkretionen von<br />
Klassenindividuen. Von daher wäre im Begriff .Partei« die Beziehung von Basis <strong>und</strong><br />
Überbau enthalten. Mir scheint jedoch, daß hier ein innerer Bruch in seiner Argumentationskette<br />
liegt: Die Bestimmung von Parteiindividuen als Konkretion von Klassenindividuen<br />
widerspricht der These von der empirischen Identität von Basis <strong>und</strong> Überbau.<br />
Die Gesellschaft kann danach sinnvollerweise nicht mehr nach ökonomisch-<br />
Jäger, M. 1979a: Von der Staatsableitung zur Theorie der Parteien - ein Terrainwechsel im<br />
Geiste Antonio Gramscis, in: Arbeitskreis <strong>Westeuropäische</strong> Arbeiterbewegung (Hrsg.): Eurokommunismus<br />
<strong>und</strong> marxistische Theorie der Politik, Argument-Sonderband AS 44, Berlin,<br />
S.45ff.<br />
DAS ARGUMENT 121/1980 ©