Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
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392 Thomas Bracke!<br />
die alten Führungseliten nie sicher waren, ob diese Partei nun national oder sozialistisch<br />
war. Hitlers Kurs war - was den Einsatz der Ideologie anbelangte - nicht nur insofern<br />
realistischer, als er eine Strategie verfolgte, die eine detaillierte Fassung der Programmatik<br />
verhinderte, um jeweils einzelne Punkte als .Werkzeug. einzusetzen (Horn, bes.<br />
236), er konnte sich ebenso einflußreichen industriellen Kreisen als der starke nationale<br />
Mann präsentieren, nach dem <strong>und</strong> dessen Massenbewegung diese immer verzweifelter<br />
Ausschau hielten (Stegmann; Mason 21978, 15-123).<br />
Der .linke. Flügel mit seinem Kampf um Beibehaltung der ursprünglichen Programmatik<br />
ermöglichte es der NSDAP, als Volkspartei zu erscheinen (so Schildt 193f.). Allerdings<br />
wurde .die Position in der Partei ( ... ) immer <strong>für</strong> diejenigen Persönlichkeiten<br />
unter der Naziprominenz unhaltbar, die die Rolle der Partei als Triebkraft gesellschaftlicher<br />
Veränderungen überhaupt mit einigem Ernst vertraten <strong>und</strong> <strong>für</strong> die politische<br />
Macht nicht nur ein Selbstzweck war« (Mason 21978,65).3<br />
Das Ende des .linken« Flügels, der mit seinem mittelständischen Idealismus am<br />
Machtrealismus der Parteiführung scheiterte, war unvermeidlich. Die Arbeitnehmerorganisationen<br />
der NSDAP von der NS Hago (NS Handwerks-, Handels- <strong>und</strong> Gewerbeorganisation)<br />
bis zur NSBO, die ohnehin weitgehend funktionslos gewesen waren, gingen<br />
in der umfassenden Propaganda- <strong>und</strong> Kontrollorganisation der DAF auf. Der DAF<br />
selbst waren spätestens seit dem .Gesetz zur Knebelung der deutschen Arbeiterklasse«<br />
(Roth 60) keine Mittel zur positiven Vertretung von Arbeitnehmer- wie Mittelstandsinteressen<br />
mehr gegeben (zum Gesetz: Mason 1974; zur NSBO: Roth; zu den Mittelstandsorganisationen:<br />
Winkler 1972, 183-187.).<br />
IV_<br />
.Mittelstandspolitik ist im Kapitalismus ökonomisch widersinnig <strong>und</strong> politisch notwendig«<br />
(Leppert-Fögen 244). Dieser sicher stark untergangsprognostisch verhaftete<br />
Satz hätte zu einem Leitsatz der Arbeiterparteien in der Weimarer Republik werden<br />
sollen, denn eine antifaschistische Strategie hätte darauf abzielen müssen, den - wie<br />
oben skizziert - .angerufenen« (Laclau) Mittelstand ideologisch zu integrieren. Die<br />
.fortschrittlichen. Arbeiterparteien erwiesen sich in ihrer ideologischen Fixierung <strong>und</strong><br />
mit der daraus resultierenden Fehlrezeption der Lage <strong>und</strong> vor allem der Ideologie des<br />
Mittelstandes dazu als unfähig. Untergangsprognosen <strong>und</strong> Diktatur des Proletariats<br />
konnten sämtliche Mittelständler nur abschrecken: den Selbständigen schwebte dabei<br />
Verlust ihres kleinen Privateigentums vor, die Angestellten wollten sich nun einmal<br />
nicht ins Proletariat einreihen lassen, ein Zustand, dem Vorhaltungen über .falsches<br />
Bewußtsein« auch nicht abhelfen konnten (vgl. Winkler 1972, 124-127).<br />
Ein bezeichnendes Licht auf diese Situation wirft die Auseinandersetzung um das<br />
freilich kurz vor Torschluß enrwickelte Arbeitsbeschaffungsprogramm des ADGB, das<br />
in pragmatischer Weise auf die wirtschaftliche Lage zu reagieren versuchte, von der<br />
SPD aber aus ideologischen Gründen - wie sorgfältiger Trennung von Sozial- <strong>und</strong><br />
Wirtschaftspolitik - nicht parlamenrarisch <strong>und</strong> propagandistisch vertreten wurde, <strong>und</strong><br />
so >den Nationalsozialisten das Feld überließ. (Gates 212): das von Gregor Straßer in<br />
seiner Reichstagsrede vom 10. Mai 1932 zuerst vorgetragene wirtschaftliche Sofortprogramm<br />
der NSDAP (Straßer 345-378) trug wesentlich zu deren Wahlerfolg am 31. Juli<br />
bei. Straßer nutzte bei der Gelegenheit weidlich die Chance, den Arbeiterparteien<br />
.Verrat am Arbeitslosen draußen im Volk« (360) vorzuhalten. Es mag bezweifelt wer-<br />
DAS ARGUMENT 12111980 ©