Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...

Koloniale und /aschlsttsche Gewalt/ormen 387
zier Maercker seine .Sporen« verdiente, zum System von Liebert; für 1919/20 zu demonstrieren
an den oben genannten historischen Situationen.)
3. Die letzte Stufe ist die Reduktion des Feindes zur »minderwertigen Natur«. Die
oben erwähnte Ausgrenzung als Volks- und Staatsfeind führt in seiner letzten Konsequenz
zur Ausgrenzung als Mensch. Die Definition als .Nicht- oder Untermensch. erleichtert
die physische Vernichtung des Feindes (Vergleich Südwest-Kolonialkrieg, bewußter
Vernichtungsfeldzug, an dem alle genannten Kolonialoffiziere beteiligt waren
und das Vorgehen der Freikorps in den oben genannten .historischen Situationen«).
Ereigntsgeschichte, Skizze zur hIstonsehen Wirklichkeit kolonialer und metropolitaner
Gewaltkontinu/ttlt
Die Frage nach einem kolonialen Gewalttransfer der bedeutendsten Kolonialmächte
England und Frankreich drängt sich geradezu auf, wenn man davon ausgeht, daß sich
in diesen Ländern rechtsradikale und faschistische Gewaltformen nicht in diesem Maße
durchsetzen konnten wie in Deutschland und Italien. Zunächst wäre der allgemeine
charakteristische Unterschied festzuhalten, daß diese Kolonialmächte nach dem ersten
Weltkrieg (im Gegensatz zum Deutschen Reich) nicht von der Süd-Peripherie abgetrennt
wurden, sondern im Gegenteil ihre territoriale Ausdehnung noch forcierten.
Schon von daher konnte in dieser Situation kein - durch die Abtrennung verursachter
- .Rückstau« (Kolonial offiziere , Mannschaften, Siedler etc.) stattfinden. Zudem
konnten die Versailler Siegermächte sozialökonomische und politische Krisen im Innern
auf Kosten der Besiegten weitgehend eindämmen und damit die Krise der letzteren bis
ins Unerträgliche verschärfen. Die besondere historische Situation des Deutschen Reiches
1919/23 wäre also dahingehend ereignisgeschichtlich zu kennzeichnen, daß hier in
einem einmaligen Vorgang die innere Krise (sozialökonomisch und politisch) mit der
äußeren Krise (Abtrennung vom Weltmarkt, Verlust der Kolonien) zusammenfällt.
Konsequenterweise drückte sich dies in der innenpolitischen Auseinandersetzung aus,
die unter den Schlagworten .Dolchstoß. und .Koloniale Schuldlüge« zusammengefaßt
werden kann. Dieses einzigartige Zusammenwirken könnte als ein allgemeiner norwendiger
Erklärungsaspekt geltend gemacht werden, der freilich noch keineswegs zureichend
zur Klärung der Rückwirkung kolonialer Gewaltformen erscheint. Will man also
die Möglichkeit und Wirklichkeit des Transfers vergleichend untersuchen, so müßten
sich die Unterschiede aus dem spezifischen historischen Charakter der Kolonialmächte
und ihrer Kolonialsysteme ergeben. II
Anmerkungen
Die hier verwendeten Termini .frühfaschistisch«, .rechtsradikai«, haben zunächst nur deskriptiven
Charakter; ihre Entwicklung vom Terminus zum Begriff soll sich aus der Darstellung des
Gegenstandes selbst ergeben. Dagegen beziehen sich Begriffe wie .Metropole« und ,Peripherie«
auf die sozialwissenschaftliche Diskussion über Gegenwart und Geschichte der Unterentwicklung
(vgl. z.B. D. Senghaas (Hrsg.): Peripherer Kapitalismus, Frankfurt/Main 1974).
Demzufolge werden diese Begriffe hier kritisch verwendet, d.h. sie implizieren eine Kritik an
der europazentrischen Sicht.
Folgende ehemalige Kolonialoffiziere wurden herangezogen: Major Josef Bischoff (Eiserne Division),
Oberst Franz v. Epp (Freikorps Epp), Korvettenkapitän Hermann Erhardt (Brigade Erhardt),
Georg Escherisch (Führer d. bayrischen Einwohnerwehren), General Ludwig v. Estorff
(Kapp.Putschist in Ostpreußen), General Arnold Lequis (Stellvertr. Generalkommando Ber/in
1918/19), Generalmajor v. Lettow-Vorbeck (Freikorps Lettow und Kapp-Putschist), General-
DAS ARGUMENT 12111980 '1)