Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
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Sprach- <strong>und</strong> Literaturwissenschaft 445<br />
die Autoren selbst: »Ich fühle mich auch heute unfähig zu sagen, welches denn nun die<br />
wichtigsten Erfahrungen waren. (... ) Es war so vieles. Öffentliches vermischte sich mit<br />
sehr Privatem.« (Widmer, 19)<br />
Es folgen Gespräche, die die Auswirkungen der Studentenbewegung auf das literarische<br />
Schaffen der betreffenden Autoren zum Gegenstand haben. A. Andersch - H.M.<br />
Enzensberger <strong>und</strong> O.F. Walter ~ W.M. Lüdke diskutieren das Verhältnis von Literatur<br />
<strong>und</strong> Politik <strong>und</strong> die Wirkungsmöglichkeiten von Literatur. L. Baier <strong>und</strong> D. C1aussen<br />
führen eine allgemeinere Auseinandersetzung über das Verhältnis von Intellektuellen<br />
<strong>und</strong> Politik.<br />
Wenn die Form des Gesprächs auch eine weitergehende Durchdringung der thematisierten<br />
Gegenstände ermöglicht als die Berichte aus der eingeschränkten Perspektive<br />
einzelner Individuen, so leisten die weiteren Aufsätze mehr, indem sie sich analytisch<br />
mit je verschiedenen Bereichen der zeitgenössischen Literaturszene auseinandersetzen.<br />
Dieser zweite Teil ist aufschlußreicher, da eine verallgemeinernde theoretische Aufarbeitung<br />
der unterschiedlichen Phänomene angestrebt wird. Thomas Rothschild gibt eine<br />
f<strong>und</strong>ierte Einschätzung der Entwicklung des politischen Liedes als eines literarischen<br />
Genres, das in besonderer Weise von der Studentenbewegung geprägt sei, da es l.<br />
spontaner als Prosa zu produzieren <strong>und</strong> 2. auf unmittelbare Öffentlichkeit hin angelegt<br />
sei. Er stellt sowohl die Traditionslinien als auch die Entwicklung der Lieder vor allem<br />
Degenhardts, dann auch von Moßmann, Wader <strong>und</strong> May dar. Stephan Reinhardt kritisiert<br />
in seinem Beitrag den neuen Irrationalismus »als narzißtische(n) Innerlichkeitskult<br />
<strong>und</strong> als Biologismus in Teilen der Frauenliteratur« (182). Er macht deutlich, daß nicht<br />
jede »Hinwendung zu Subjekt, Psyche, Innenwelt« (160) notwendig mit dem »Rückzug<br />
aus Politik <strong>und</strong> Außenwelt« (160) identisch sein muß: Die Selbstvergewisserung des<br />
Subjekts als »die zentrale Triebkraft künstlerischer Produktion« (182) muß dieses nicht<br />
notwendig zum Selbstzweck erheben. An literarischen Beispielen, >,in denen es Autoren<br />
gelingt, von ihren individuellen <strong>und</strong> sozialen Erfahrungen zugleich zu erzählen.<br />
(176), wird das Subjekt als .immer auch eine soziale Größe« (175) vorgestellt.<br />
Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der These vom Tod der Literatur zeichnet<br />
sich die deutliche Tendenz ab, der Literatur nach wie vor eine Funktion zuzuschreiben.<br />
Eine abweichende Position vertritt allein Enzensberger: 'Für literarische Kunstwerke<br />
läßt sich eine wesentliche geseIlschaftUche Funktion nicht angeben.' Das ist alles, <strong>und</strong><br />
dabei möchte ich bleiben.< (93)<br />
Klaus Pabel stellt die Bedeutung von Literatur im Schulunterricht dar, indem er seine<br />
Erfahrungen bei der Behandlung von Georg Büchners 'Lenz' <strong>und</strong> Peter Schneiders<br />
'Lenz' in einer 12. Klasse berichtet: Gerade durch die Besonderheit der Rezeption<br />
ästhetischer Darstellung des Auseinanderfallens von .empfindlicher Subjektivität <strong>und</strong><br />
<strong>und</strong>urchschaubarer Objektivität. (218) wird den Schülern die sinnliche Erkenntnis ihrer<br />
eigenen Situation zugänglich gemacht. Im ermöglichten emotionalen Nachvollzug der<br />
Konflikte sieht Pabel eine Dimension, die über eine theoretische Reflexion hinausweist.<br />
W.M. Lüdke formuliert vor dem Hintergr<strong>und</strong> einer Auseinandersetzung mit der<br />
.Kritischen Theorie., insbesondere der Ästhetischen Theorie Adornos, eine Ausgangsthese,<br />
die es erlauben soll, .über die gesellschaftliche Funktion von Literatur erneut<br />
nachzudenken.< (196) Er bleibt jedoch sehr allgemein, kann die Funktion von Literatur<br />
letztendlich nicht bestimmen: .Literatur kann beschreiben, was sich den Begriffen der<br />
Theorie entzieht, ja, begrifflich dargestellt, vielleicht bereits (... ) genau das verdeckt,<br />
worauf die Literatur zielt .• (196) Vage bleiben auch die Thesen von K. Hielscher -<br />
(.Jedoch kann die kurze Strophe eines Gedichts Wesentlicheres mitteilen als wissenschaftliche<br />
Begriffe., 228) -, der den Gegensatz von Kunst <strong>und</strong> Utopie im Rahmen eines<br />
geschichtsphilosophischen Abrisses untersucht.<br />
Volker Bohn (Zum Hinscheiden der These vom Tod der Literatur) mißtraut im ab-<br />
DAS ARGUMENT 12111980