Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...

396 DierkJoachim und Uwe Naumann
Friedhöfe und Synagogen, aber auch 52 (im Vorjahr: 40) Gewalttaten wie Raubüberfälle
(z.B. am 19.12.1977 auf eine Hamburger Bankfiliale) und Einbrüche zum Zweck der
Waffenbeschaffung (z.B. in Munitionsdepots der Bundeswehr).
Die Situation und die Bedeutung des neofaschistischen Lagers, gesellschaftliche Entstehungsbedingungen
und potentielle Gefahren präzise zu analysieren, ist eine dringende
Notwendigkeit für eine gegenwirkende antifaschistische Strategie, die weder in
momentaner Untätigkeit verharren noch sich zum Aktionismus hinreißen lassen darf.
Vorzustellen sind vier Neuerscheinungen zu diesem Problemkomplex.
Der Reader »NeofaJchISmus« versammelt Beiträge sehr unterschiedlicher Qualität.
Manche sind Produkte eines tagespolitisch ausgerichteten Journalismus, für eine Buchveröffentlichung
hätte vieles überarbeitet und durch systematische Recherchen ergänzt
werden müssen. Andere Wiederabdrucke sind verdienstvoll, so der von A. Klönnes
Aufsatz .Zur Geschichte des Nationalbewußtseins«, von Beiträgen aus .Ästhetik und
Kommunikation« 32/1978 oder einer differenzierten Stellungnahme des Landesjugendringes
Hamburg. Insgesamt ist der Band aber weder sorgfältig konzipiert noch
durchgearbeitet worden. Die Film- und Literaturempfehlungen einer Broschüre der
GEW Hamburg sind z.B. ohne Angabe einfach erweitert worden; Untertitel werden
gegenüber dem Inhaltsverzeichnis im Text selbst verändert: Quellenangaben für einzelne
Beiträge fehlen; bei einer Kontroverse zum Rechtsextremismus in der Ökologiebewegung
bezieht sich W. Dombrowsky in seiner Replik offenbar auf einen anderen als den abgedruckten
Peters-Text. Gerade dieses Ökologie-Kapitel zeigt, wie ein wichtiges, wenig
beachtetes Thema verschenkt wurde. Was mag den Herausgeber und die beteiligten
Organisationen wohl veranlaßt haben, einen Beitrag wie J. de Graafs .Hippies und
Wandetvögel« anzunehmen, in dem Sätze von folgender Unpräzision zu finden sind:
.Vajda spricht von der Weimarer Republik, die von Hitler abgelöst wurde, als der klarsten Form
liberaler Demokratie in der neueren Geschichte. In der Tat waren fast alle Gruppen wohl proportioniert
am Kuchen (') der Macht beteiligt (!): die Auswirkungen waren unter anderem große
soziale Fortschritte und mehr Hilfe für die Armen. Diese Ordnung wurde jedoch vom Wirtschaftseinbruch
(') vollkommen durcheinander gebracht. Der Sieg der Nazis war ein Sieg der
Bürger und besseren Leute des Wohlstands - errungen auf Kosten der Arbeiterklasse. Und
diese 'Sieger' waren so um Profit und Macht besorgt, daß sie nicht wagten aufzumucken (!?),
als Adolf seinen demokratischen Deckmantel (') abwarf .• (17 5)
Solche peinlichen Spekulationen und begrifflichen Entgleisungen diskreditieren das
ganze Unternehmen.
Meyer/Rabe haben in präziser Kenntnis des rechtsextremen Lagers in der BRD eine
differenzierte, informative Darstellung und Analyse geschrieben. Ein umfangreicher
Dokumentationsteil stellt Flugblätter, Bilder, Programmtexte, Berichte und interne Informationen
aus rechtsextremen Jugendorganisationen zusammen. - Der offene und
sich militant äußernde Neofaschismus wird begriffen als Spitze eines Eisbergs, dessen
unter der Wasseroberfläche verborgener, größerer und gefährlicherer Teil die mit .alltäglicher
Gegenwart der Vergangenheit« bezeichnete Nicht-Aufarbeitung des Faschismus
und fehlende gesellschaftliche Verankerung demokratischer Verhaltensweisen und
Strukturen ausmacht. Die Autoren fassen Ergebnisse empirischer Untersuchungen über
das politische Bewußtsein junger Menschen in der BRD zusammen (15 % der 17-
bis 19jährigen sind .entschiedene Rechtsextreme«!). Meyer IRabe plädieren dafür, die
Motive jugendlicher Neofaschisten ernstzunehmen als Kompensation erfahrener Sinndefizite,
Perspektivlosigkeit und zunehmender Kälte gesellschaftlicher Beziehungen, als
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