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Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...

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Gedanken über den .Dnften Weg zum Sozüuismus« in Weste uropa 337<br />

sehe hier<strong>für</strong> im wesentlichen drei eng miteinander verknüpfte Gründe (wobei ich den<br />

letzten <strong>und</strong> die Möglichkeiten zu seiner Überwindung in den Mittelpunkt des 2. Teiles<br />

meines Referates stellen möchte): Das Fehlen eines eigenen .Vaterlands«, die Probleme<br />

der Abgrenzung zum .ersten« wie zum >zweiten Wege <strong>und</strong> schließlich die bisher erst in<br />

Umrissen erkennbare Konkretion der eigenen gesellschaftlichen Lösungsvorschläge.<br />

Das Fehlen eines .Vaterlandsc, eines den eigenen strategischen Zielvorstellungen wenigstens<br />

in den Gr<strong>und</strong>zügen entsprechenden Modells der sozialistischen Transformation<br />

hat die Anhänger des .dritten Wegs« von Anfang an vor Probleme gestellt, ihre<br />

Ausstrahlung in der Arbeiterbewegung belastet <strong>und</strong> sie in bestimmten geschichtlichen<br />

Entscheidungssituationen bisweilen zu defensiven, auf das Ergebnis hin konstruierten<br />

Argumentationen gezwungen. Noch heute spürt man bei der Lektüre von Otto Bauers<br />

Schrift über .Die österreichische Revolution« aus dem Jahre 1923 8 , welche mühsame<br />

Überzeugungsarbeit seine Partei im Frühjahr 1919 zu leisten hatte, um vor den Arbeitern<br />

des Hoten Wien«, die sich wenige Wochen lang von den vorwärtsdrängenden Kräften<br />

der ungarischen wie der Münchener Räterepublik scheinbar links überholt sahen,<br />

zu erklären, weshalb jeder Versuch zur Errichtung der .Diktatur des Proletariats« unter<br />

den gegebenen Kräfteverhältnissen in einer verheerenden Niederlage der <strong>Linke</strong>n hätte<br />

enden müssen.<br />

Im Vordergr<strong>und</strong> steht <strong>für</strong> ihn die Auflistung all jener Umstände - vorn Diktat der<br />

Siegermächte, über die Abhängigkeit von Zulieferungen aus dem feindlichen Ausland<br />

bis hin zum konservativen Bewußtseinsstand der bäuerlichen, mehr noch der städtischen<br />

Mittelschichten, die eine Revolution nach dem Vorbild der Bolschewiki im Reststaat<br />

Österreich aussichtslos machten. Dagegen ist wenig von dem selbstbewußten Hinweis<br />

darauf zu finden, daß man in eben diesen Monaten - gewiß häufig mehr intuitiv<br />

als einem ausdiskutierten strategischen Konzept folgend - wichtige Erfahrungen über<br />

die Nutzbarkeit der neu errungenen republikanischen Verhältnisse <strong>für</strong> den demokratischen,<br />

nicht-gewaltsamen Weg zum Sozialismus sammelte; Erfahrungen, die später als<br />

Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> eine beispielhafte Kommunal-, Sozial- <strong>und</strong> Bildungspolitik in Wien wie<br />

im Bereich der strategischen Verallgemeinerung <strong>für</strong> die Ausarbeitung des Linzer Programms<br />

dienten <strong>und</strong> die auch dann noch ihren Wert behielten, als die scheinbar so<br />

festgefügte Österreichische Sozialdemokratie nicht zuletzt infolge von Fehleinschätzungen<br />

der Parteiführung dem Faschismus erlag.<br />

Eine in mancher Hinsicht vergleichbare Situation ergab sich nach 1945 <strong>für</strong> die italienische<br />

<strong>Linke</strong>, in deren Reihen auf dem Höhepunkt des erfolgreichen antifaschistischen<br />

Kampfs ebenfalls die Gr<strong>und</strong>fragen der klassenpolitischen Bündnisse, der Methoden<br />

<strong>und</strong> Inhalte des Vorankommens zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung zu klären<br />

waren. Was <strong>für</strong> Bauer die Siegermächte <strong>und</strong> das Scheitern der Ungarischen Räterepublik<br />

waren, das waren jetzt - vereinfacht gesprochen - <strong>für</strong> Togliatti die Alliierten Besatzungsmächte<br />

<strong>und</strong> der Verweis auf den Ausgang des griechischen Bürgerkriegs, äußere<br />

Faktoren also, die es nicht zuließen, einen anderen als eben den demokratisch-parlamentarischen<br />

Weg im Ringen um den Sozialismus einzuschlagen. Auch hier entstand<br />

bisweilen der Eindruck, daß man sich in hohem Maße auf die <strong>für</strong> sich selbst sprechende<br />

Überzeugungskraft solcher von außen diktierter Faktoren angewiesen fühlte - wogegen<br />

das Vertrauen in die massenwirksame Verständlichkeit der eigenen strategischen<br />

Gr<strong>und</strong>satzentscheidungen offenk<strong>und</strong>ig begrenzt war. Auch hier mußte das Argument,<br />

die Umstände erlaubten es eben nicht, den Weg der russischen Oktoberrevolution ein-

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