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Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...

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348 Didier Motchane<br />

<strong>und</strong> eine wachsende Zahl von Leuten zu kontrollieren <strong>und</strong> zu erfassen. Wir können in<br />

Europa einen allgemeinen Rückgang der Demokratie feststellen, jener begrenzten <strong>und</strong><br />

ungenügenden Demokratie, die aber verteidigt werden muß.<br />

Die dritte Konsequenz ist die Internationalisierung des Kapitals, die Tatsache, daß<br />

immer mehr <strong>und</strong> wichtigere Sektoren der Produktion, nämlich die <strong>für</strong> die Zukunft bestimmenden<br />

Wachstumsindustrien, von einer multinationalen Gruppierung des Kapitals<br />

beherrscht werden, die über die <strong>Institut</strong>ionen hinausreicht, auf deren Niveau die<br />

Arbeiterbewegung <strong>und</strong> die <strong>Linke</strong> gekämpft <strong>und</strong> Positionen erobert hat - sei es Positionen<br />

der Macht oder der Teilhabe an der Macht, sei es Gegenrnachtpositionen, die der<br />

einzige Schutz sind, über den die Arbeiter <strong>und</strong> die Mehrheit der Bevölkerung verfügen.<br />

Unsere heutige Realität könnte man mit den europäischen Landschaften vergleichen,<br />

die von den großen Fernstraßen durchquert werden, ohne daß die Leute am Straßenrand<br />

wissen, woher sie kommen <strong>und</strong> wohin sie geheIl. Zwischen diesen großen Fernstraßen<br />

gibt es grüne Flächen <strong>und</strong> Leute, die dort leben dürfen. Man läßt sie in Ruhe,<br />

gibt ihnen sogar etwas Geld. In diesen großen Indianerreservaten läßt man sie diskutieren,<br />

zum Beispiel über Selbstvetwaltung. Aber inzwischen läuft das Leben weiter <strong>und</strong><br />

die Zukunft wird entschieden, <strong>und</strong> inzwischen beschleunigt sich die Zersplitterung der<br />

Arbeiter untereinander. Denn es gibt eine ganze Bevölkerungsschicht, die auf diesen<br />

Fernstraßen <strong>und</strong> in ihrer Umgebung arbeitet, die integriert ist in den wirklichen Kapitalismus,<br />

der in der Regel ein Staatskapitalismus ist. Aber daneben gibt es h<strong>und</strong>erte<br />

von kleinen <strong>und</strong> mittleren Unternehmen, in denen es keine Tarifverträge, kein Statut<br />

<strong>und</strong> keine Gewerkschaft gibt, weil es Privatunternehmen sind. Diese Betriebe sind<br />

selbst die Auftragsarbeiter der Großen, <strong>und</strong> die Unsicherheit der Beschäftigung ist dort<br />

zehnmal größer. Durch die Entwicklung der Teilzeitarbeit, durch die Tatsache, daß<br />

heute in einem großen Unternehmen eine ganze Reihe von Funktionen wie Instandhaltung,<br />

Buchführung, Betriebsschutz an Serviceunternehmen übergeben werden, gibt es<br />

am gleichen Ort h<strong>und</strong>erte von Leuten, die nicht denselben Chef haben, die nicht in der<br />

gleichen Lage sind, die überhaupt nicht die gleichen Lebenserfahrungen haben. Diese<br />

Segmentierung der Lohnarbeiterschaft <strong>und</strong> der Arbeiterklasse, der Gegensatz zwischen<br />

denen, die in der Bewegung des Kapitals sind, <strong>und</strong> denen, die daneben stehen <strong>und</strong><br />

keine andere Perspektive haben als einen ewigen Wechsel zwischen kleinen Jobs,<br />

Schwarzarbeit <strong>und</strong> Sozialhilfe - dies scheint mir das dritte wesentliche Merkmal der<br />

gegenwärtigen Situation zu sein.<br />

Man wird sagen, dies sei ein etwas weitschweifiger Beginn, um über die Prinzipien<br />

der Selbstverwaltung (autogestl0n) im Übergang zum Sozialismus zu sprechen. Aber<br />

ich glaube, daß dieser Umweg uns eine Abkürzung ermöglicht. Was also ist die Selbstverwaltung,<br />

über die man redet, die existiert inJugoslawien, in Algerien? Es gibt unterschiedliche<br />

Bedeutungen, <strong>und</strong> jede davon ist legitim, solange man sich nicht durch die<br />

Verpackung täuschen läßt. In meinem Land jedenfalls, <strong>und</strong> übrigens auch in meiner eigenen<br />

Partei, sehen viele in der Selbstverwaltung eine neue Technik der Verwaltung,<br />

um die Arbeiter besser in ein Produktionssystem zu integrieren, zweifellos um den Preis<br />

bedeutender Veränderungen, aber ohne das zugr<strong>und</strong>eliegende Produktionsverhältnis<br />

anzutasten. In der Vetwendung des Begriffs • Selbstverwaltung < gibt es kein Tabu: Es<br />

gibt Unternehmer, die sich .autogestionnaire< nennen, es gibt eine ganze Reihe von<br />

Begriffen <strong>und</strong> Techniken wie .Führung durch Mitbestimmung. <strong>und</strong> .job enrichment •.<br />

Der intelligenteste Teil der Unternehmer hat die Widersprüche bemerkt, die mit der<br />

DAS ARGCMENT 121/1980

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