Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
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DierkJoachim <strong>und</strong> Uwe Naumann<br />
Neofaschismus in der BRD. Ein Literaturbericht.<br />
1. Phänomene<br />
Eine adäquate Auseinandersetzung mit dem neofaschistischen politischen Spektrum<br />
in der B<strong>und</strong>esrepublik muß sich sowohl der Verharmlosung als auch der Überzeichnung<br />
enthalten. Eine überzeichnende Sichtweise liegt sicher vor, wenn einzelne Vorfälle,<br />
Personen oder Gruppierungen - etwa Michael Kühnen <strong>und</strong> die Hamburger »Aktionsfront<br />
Nationaler Sozialisten« - als isolierte Phänomene vorgestellt werden <strong>und</strong> aus ihren<br />
spektakulären Aktivitäten auf das Ausmaß <strong>und</strong> die Gefährlichkeit des gegenwärtigen<br />
Neofaschismus insgesamt geschlossen wird. Von einer solchen Überbewertung ist<br />
insbesondere die meist auf Sensation angelegte Berichterstattung mancher Medien<br />
(z.B. »Stern«) nicht frei. Aber auch die Aktionen sich antifaschistisch verstehender<br />
Kräfte tragen in ihrer Fixierung auf das Zurückschlagen des organisierten N eofaschismus<br />
z.T. solche Züge. Der Suggestion, braune Banden seien in der BRD schon wieder<br />
allgegenwärtig <strong>und</strong> beherrschten das politische Klima, steht die Alltagserfahrung der<br />
anzusprechenden Bürger entgegen - entsprechend erfolglos müssen solche Antifaschisten<br />
bleiben.<br />
Eine umgekehrte Folgerung aus einer gleichfalls die Erscheinungsformen des Neofaschismus<br />
isolierenden Betrachtungsweise kennzeichnet seit Jahren die Reaktionen staat-<br />
1icher Organe <strong>und</strong> schlägt sich alljährlich im Verfassungsschutzbericht des B<strong>und</strong>esinnenministeriums<br />
als Verharm/oJung nieder. Insbesondere angesichts des anhaltenden<br />
Mitgliederverlusts der NPD (mit 8500 Parteizugehörigen Ende 1978 ist sie dennoch die<br />
größte neofaschistische Organisation) <strong>und</strong> ihrer geringen Wählerschaft (z.B. 0,3 % bei<br />
der Bürgerschaftswahl im Juni 1978 in Hamburg <strong>und</strong> 0,6 % im Oktober des gleichen<br />
Jahres in Bayern) konstatieren die Verfassungsschützer:<br />
»Ablehnung durch die Bevölkerung, staatliche Maßnahmen <strong>und</strong> eigenes Unvermögen haben<br />
den Rechtsextremismus in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland auch 1978 in seiner Wirksamkeit<br />
erheblich beeinträchtigt.« (betrifft: Verfassungsschutz 1978, Bann 1979, 16)<br />
Daraus wird dann, den gesellschaftlichen Nährboden <strong>und</strong> das fortbestehende autoritäre<br />
Potential ausblendend, geschlossen:<br />
,>Die rechtsextremistischen Gruppen <strong>und</strong> ihre Anhänger bildeten auch 1978 keine Gefahr <strong>für</strong><br />
die freiheitliche demokratische GrunJordnung der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland.« (ebd., 64)<br />
Ist der Einfluß der sog. »Alten Rechten« erheblich zurückgegangen <strong>und</strong> deren Anhängerschaft<br />
- was den Verfassungsschützern nicht in den Blick kommen kann - v.a.<br />
von den sich verstärkt nach rechts profilierenden Unionsparteien aufgesogen worden, so<br />
zeichnet sich bei den heute aktiven Neofaschisten <strong>und</strong> ihren Gruppen in letzter Zeit<br />
ein Prozeß zunehmender Verjüngung <strong>und</strong> Mzlitanz ab.<br />
»Seit 1976 haben zunehmend junge Neonazisten, darunter auch Jugendliche, die Aktivitäten<br />
der Gruppen bestimmt. Von 200 Mitgliedern des harten Kerns dieser Gruppen - von insgesamt<br />
etwa 1300 Anhängern - waren im Frühjahr 1979 12 Prozent unter 20 Jahre alt <strong>und</strong> 42<br />
Prozent im Alter von 20 bis 30 Jahren.« (H.). Horchem, Leiter des Hamburger Landesamtes <strong>für</strong><br />
Verfassungsschutz, Frankfurter R<strong>und</strong>schau v. 26.11. 79).<br />
Die Zahl der in erster linie diesen Neofaschisten zuzuschreibenden Ausschreitungen<br />
nahm 1978 abermals stark zu: 992 registrierte Vorfälle im Vergleich zu 616 im Vorjahr.<br />
Dazu zählen insbesondere Hakenkreuzschmierereien <strong>und</strong> Schändungen jüdischer<br />
DAS ARGUMENT 121/1WlO (r)