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Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...

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444 Besprechungen<br />

Bürger konzipiert nun auch seine Literaturtheorie von der entscheidenden Zäsur her,<br />

die die Avantgardebewegungen gesetzt haben - aber nicht wie Adorno <strong>und</strong> Lukäcs,<br />

die das Vermittlungsproblem von Kunst <strong>und</strong> Gesellschaft auf der Ebene des gesellschaftlichen<br />

Gehalts von Einzelwerken lösen wollten. Bürger geht dagegen vom Scheitern<br />

der avantgardistischen Intention aus, Kunst in Alltagspraxis zu überführen - ein<br />

Scheitern, das den Autonomie-Status der Kunst in der bürgerlichen Gesellschaft deutlich<br />

werden ließ. Die These Bürgers: Kunst ist zur gesellschaftlichen Folgenlosigkeit<br />

(nicht Funktionslosigkeit!) verurteilt (158). Aus diesen Überlegungen zieht er weitreichende<br />

methodologische Konsequenzen, die in der Aufstellung der literatursoziologischen<br />

Kategorie .<strong>Institut</strong>ion Kunst /Literatur< (17 3ff.) gipfeln. Damit soll das ideologiekritische<br />

Verfahren über die Werke hinaus auch auf die gesellschaftliche Funktionsbestimmtheit<br />

von Kunst gelenkt werden, d.h .• auf den normativen Rahmen (... ), der<br />

das Funktionieren von Kunstwerken in der bürgerlichen Gesellschaft regelt.« (14; vgl.<br />

auch 79) Dieses Vorgehen erlaubt eine historische Sicht auf den Funktionswandel ästhetischer<br />

Gebilde, der an den jeweils herrschenden Kunst-Vorstellungen festgemacht<br />

wird. Letztere werden in Beziehung gesetzt zu den .materiellen <strong>und</strong> ideellen Bedürfnissen<br />

der Träger< wie auch zu den .matenellen Bedingungen der Kunstproduktion<br />

<strong>und</strong> -rezeption« (176).<br />

Wenn Bürger die Frage der Vermittlung von Produktion <strong>und</strong> Rezeption ins Zentrum<br />

der Rezeptionsdebatte <strong>und</strong> dann konsequent zu einer Kritik an Iser <strong>und</strong> Jauß <strong>und</strong> deren<br />

- wie Bürger meint - .pseudodemokratischen Theoremen von der Emanzipation<br />

des Lesers« (17) führt (vgl. auch seine Polemik gegen die Rezeptionsästhetik in Habermas'<br />

.Stichworten zur 'Geistigen Situation der Zeit'., 781ff.), so ist es bedenklich, daß<br />

sowohlJauß' Debatte mit materialistischen Rezeptionstheorien (Weimann, Naumann),<br />

als auch neuere Versuche zu einer soziaigeschichtlich verfahrenden Rezeptionstheorie<br />

(bes. B. Zimmermann, .Literaturrezeption im historischen Prozeß. von 1977) bis auf<br />

eine Anmerkung unangesprochen bleiben. Sicherlich hat Bürger von der Rezeptionsdebatte<br />

in der neueren Literaturwissenschaft mehr profitiert, als er eingesteht. - Das<br />

schmälert allerdings nicht Bürgers bedeutsame Beiträge zur Literaturtheorie, die die<br />

Aporien von darstellungsästhetischer Widerspiegelungstheorie , Literatursoziologie <strong>und</strong><br />

Rezeptionsforschung zu überwinden versuchen, ohne diese Richtungen selbst ganz zu<br />

verwerfen.<br />

Günter Beiersdorf / Detlev Schöttker (Braunschweig)<br />

Lüdke, W. Martin (Hrsg.): Nach dem Protest. Literatur im Umbruch.<br />

Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1979 (270 S., br., 10,- DM).<br />

Der Band will .eine historische Einschätzung des Verhältnisses von Studentenbewegung<br />

<strong>und</strong> Literatur< (7) leisten. Als roten Faden durchzieht ihn die Auseinandersetzung<br />

mit der Funktion bzw. Funktionslosigkeit von Literatur, die vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

erinnernder Reflexion über die These vom 'Tod der Literatur' geführt wird, als dem exponiertesten<br />

Ausdruck dieser Diskussion in der Studentenbewegung.<br />

Die ersten drei Aufsätze (von Widmer, Zwerenz <strong>und</strong> Buselmeier) tragen essayistischen<br />

Charakter <strong>und</strong> wollen die persönlichen Erfahrungen mit der Studentenbewegung<br />

<strong>und</strong> den durch sie hervorgerufenen Veränderungen aufarbeiten. Widmer beschreibt<br />

die Auswirkungen einer veränderten Hierarchie der Werte auf die eigene Sozialisation,<br />

auf sein Selbstverständnis als Schriftsteller <strong>und</strong> Lektor bei Suhrkamp. Zwerenz berichtet<br />

vom Aufbau <strong>und</strong> Scheitern des alternativen Heinrich Heine Verlags in Frankfurt. Dabei<br />

stehen seine eigenen Erlebnisse im Vordergr<strong>und</strong>. Auch Buse1meier reflektiert die eigene<br />

Sozialisation. Er bleibt allerdings so in sich selbst verhaftet, daß es ihm nicht gelingt,<br />

den selbst formulierten Anspruch einzulösen, den Erfahrungshintergr<strong>und</strong> so darzustellen,<br />

daß .er den Politisierungsprozeß <strong>und</strong> damit auch die Studentenbewegung ... erklärt<br />

.• (42) Die Subjektivität ihrer Ausführung <strong>und</strong> deren Problematik thematisieren<br />

DAS ARGUMENT 121/1980 i

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