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Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...

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416 Jörg-Michael Vogl<br />

sozialen Klassen eingeteilt werden, sondern eben nur nach ökonomisch-politischen Kriterien.<br />

Wobei man mit dieser Einteilung wieder bei den Parteien im weiten Sinn gelandet<br />

wäre, ohne daß die Determination-in-Ietzter-Instanz durch die Ökonomie im Parteienbegriff<br />

zum Ausdruck käme.<br />

Ein weiteres Argument gegen die These des empirisch unentmischten Gesamtphänomens<br />

Politik-Ökonomie liefert, meine ich, eine historische Relativierung dieser These.<br />

Die Möglichkeit. Ökonomie als .Aspekt dieser politischen Phänomenologie« (52) zu sehen,<br />

besteht <strong>für</strong> das Alltagsbewußtsein gerade erst in neuester Zeit, mit der Zunahme<br />

staatlicher Eingriffe in die wirtSchaftlichen Abläufe.<br />

Für mich ist außerdem anschaulich evident, daß das Alltagsbewußtsein keineswegs<br />

überwiegend von einem politisch vermittelten Gesamtphänomen ausgeht. Die materiellen<br />

Lebensumstände sind da<strong>für</strong> einfach zu elementar wichtig, berühren jeden Lohnabhängigen<br />

unmittelbar 2<br />

Die strikte Beibehaltung der Trennung von Ökonomie <strong>und</strong> Politik bietet gerade gute<br />

Erklärungsansätze konkreter Parteien bewegungen (.Partei. kann hier zunächst sowohl<br />

im weiten als auch im engen Sinn gelesen werden). Zum Beispiel ist die Anpassungsphase<br />

sozialdemokratischer bzw. sozialistischer Parteien in Westeuropa ohne die .Wirtschaftsw<strong>und</strong>er«-Enrwicklung<br />

nicht erklärbar. Die ökonomisch bedingte Möglichkeit,<br />

dem sozialen Druck Zugeständnisse zu machen, die hier eine Rolle spielt, zeigt sich<br />

auch vermittelt als Handlungsspielraum von Regierungen.<br />

Als Resümee läßt sich bis jetzt feststellen, daß der Ansatz der empirischen Identität<br />

von Basis <strong>und</strong> Überbau zu immanenten Problemen führt <strong>und</strong> wohl auch nicht stichhaltig<br />

ist. Deswegen muß er aufgegeben werden, wenn der Begriff .Partei. im weiten Sinn<br />

als Gr<strong>und</strong>begriff einer marxistischen politischen Wissenschaft beibehalten werden soll;<br />

zu überlegen ist noch die Zweckmäßigkeit dieses Begriffs (siehe unten).<br />

3. Sehr wichtig finde ich M. Jägers Wendung gegen den Ansatz der Staatsableitungsdiskussionen.<br />

Dort geht es um die .begriffliche Enrwicklung politischer Gr<strong>und</strong>strukturen<br />

aus der ökonomischen Formation der bürgerlichen Gesellschaft. (Kostede 1976,<br />

156). Dagegen muß, meine ich, versucht werden, systematisch zu erfassen, wie sich genetisch<br />

bestimmte Strukturen (in Ökonomie <strong>und</strong> Politik) über einen bestimmten Willen<br />

durchsetzen <strong>und</strong> reproduzieren. Das scheint mir auch die Arbeitsweise Gramscis zu<br />

sein, auf den sich Jäger beruft. 1<br />

M. Jägers Kriterium, daß eine marxistische politische Wissenschaft eine. Theorie der<br />

Abgrenzungen., d.h. der Grenzen zwischen bürgerlichem <strong>und</strong> sozialistischem Staat,<br />

der Keime des sozialistischen Staats im gegenwärtigen sein muß, halte ich <strong>für</strong> entscheidend.<br />

Denn nur eine politische Theorie, die die genetische Durchsetzung <strong>und</strong> Reproduktion<br />

von Strukturen im Blick hat - <strong>und</strong> durchgesetzt werden Strukturen konkret<br />

immer durch den Willen von bestimmten Gruppen -, kann Aussagen über das .Umkippen.<br />

des bürgerlichen Staats in den sozialistischen machen, also praktisch relevant<br />

sem.<br />

M. Jäger vertritt jedoch eine spezifische Ausprägung des hier unterstützten Konzepts:<br />

Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen Klassenindividuen <strong>und</strong> ihr politischer<br />

Problemlösungprozeß, .aus dem Parteien als permanente Bewegungsform politis~her<br />

Aktivität hervorgehen.« Oäger 1979b, 630) Der Begriff Partei, als Eigenschaft jedes Individuums,<br />

zieht diese Akzentuierung wohl nach sich. Die Untersuchung von politischen<br />

Problemlösungsprozessen der Klassenindividuen muß aber m.E. aufgelöst wer-<br />

DAS ARGUMENT 121/1980 ©

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