Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
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436 Besprechungen<br />
die Chance, zu »gesellschaftlicher Veränderung« (35) beizutragen. Strukturalistische<br />
Theoreme, zumal die Bestimmung des »Bereich(s) des Unbewußten als f<strong>und</strong>amentale<br />
Begründungsdimension« (50), unterstützen diese Aufhellung der Interessensgeb<strong>und</strong>enheit<br />
<strong>und</strong> stehen daher nicht notwendig im Widerspruch zu traditionellen Analysen.<br />
Im weiteren tht'matisiert Kimmerle die Wirkungsweise der Geisteswissenschaften in der<br />
Gesellschaft, worunter vornehmlich die Konzeption eines emanzipativen Geschichtsbildes<br />
zu verstehen ist, um sodann SlCh der geisteswissenschaftlichen Produktion von<br />
Werten <strong>und</strong> Normen zuzuwenden. »Angemessenheit« heißt der postulierte »Gr<strong>und</strong>wert«<br />
(87). der ökonomisch den »Zusammenhang von Produktion <strong>und</strong> Bedürfnisbefriedigung«<br />
(89) meint. Der I. Teil schließt, recht religiös, mIt einer emphatischen Interpretation<br />
des christlichen Wertes der »LIebe« (97). Wirklich Neues, das Wissen des Lesers<br />
Erweiterndes, hat der Autor bis zu diesem Punkte nicht gesagt, wiewohl manches<br />
Zutreffende, aber Bekannte, wiederholt. Realisiert wird sein integrativer Plan im zweiten<br />
Teil, der den »Zusammenhang der geisteswissenschaftlichen Methoden« erörtert.<br />
Der Titel bezeichnet die Taktik: Es geht dem Autor nicht darum, von einer eigenen<br />
methodischen Position aus andere zu kritisieren (wie es der Buchtitel vermuten lassen<br />
könnte). sondern »Kritik der Methoden« heißt hier Konservierung dessen, was von den<br />
einzelnen Positionen als brauchbar abgesondert werden kann. Den so sich bildenden<br />
Zusammenhang begreift Kimmerle als dialektische Integration in Gestalt einer Stufeneinteilung:<br />
Analytische Methodik, Hermeneutik, Tiefenhermeneutik, Ideologiekritik.<br />
strukturalistische <strong>und</strong> systcmtheoretische Methoden sollen die Stufen sein, die sich im<br />
dialektischen Prozeß des Aufbaus der Geisteswissenschaften entfalten. Indessen: was<br />
der Autor als Integration sieht, wirkt Vlel eher als Zusammenballung: da seiner Darstellung<br />
die konsequente Behauptung einer eigenen Posnion abgeht, gerät sie doch letztlich<br />
zu einem kaum zu kaschierenden Versuch der Rettung der einzelnen vorgef<strong>und</strong>enen<br />
Richtungen <strong>und</strong> damit nicht zur kritischen Integtation im Ergebms, sondern zu einem<br />
offensichtlichen Eklektizismus mit leicht modischem Einschlag: Alles heute Gängige<br />
wird irgendwie in das Konzept hineingepreßt. Zu diesem negativen Eindruck<br />
stimmt, daß KimmerIes Marx-Verständnis durchaus nicht unanfechtbar ist. Kann die<br />
Marxsche Theorie wirklich »als eine spezifische Form des Histonsmus aufgefailt werden«<br />
(1:6)' Ist Dialektik bei Marx in der Tat »materialistische Spekulation» (191)' Ist mit<br />
mystifizierenden Wendungen, wie: materialistische Dialektik sei ein »Wiederaufstieg<br />
aus Wiederaufstiegen« (195), tatsächlich Erkenntnis verb<strong>und</strong>en? Insgesamt verspricht<br />
Kimrnerles Arbeit mehr als sie einlösen kann, da sie gegenüber den divergenten Arrsprüchen<br />
eine zu unentschlossene Haltung einnimmt: dubios ist danach die Be<strong>für</strong>chtung<br />
des Autors. daß seine Arbeit »notwendig die Reaktionen einer Mehrheit hervorrufen<br />
(werde), die das tradiuonelle Modell zu verteidigen suchen« (197). - Die ungewöhnlich<br />
vielen Druckfehler machen die Lektüre des Buches streckenweise mühsam.<br />
Michael Schneider (Bonn)<br />
Lakatos, Imre: Beweise <strong>und</strong> Widerlegungen. Die Logik mathematischer Entdeckungen.<br />
Hrsg. von John Worrall <strong>und</strong> Elie Zahar. Vieweg-Verlag, Braunschweig<br />
1979 (XII <strong>und</strong> 161 S, br.. 24,80 DM).<br />
Lakatos' berühmte Artikelserie .proofs and refutations« aus dem »BritishJournal for<br />
the Philosophy of Science« 1963-64, von ihm überarbeitet <strong>für</strong> die englische Buchausgabe<br />
1976, liegt jetzt zum erstenmal in deutscher Übersetzung vor. Es geht um die Frage<br />
"Wie entwickelt sich die Mathematik?« <strong>und</strong> im Vorwort nennt Lakatos seinen Hauptgegner:<br />
den Formalismus, der Philosophie der Mathematik auf Meta-Mathematik reduzien,<br />
mathematische Theorien durch formale Systeme ersetzt (VIII). Zur Frage der Entwicklung<br />
der Mathematik bleibt dann nur die .Alternative zwischen dem Rationalismus<br />
einer Maschine <strong>und</strong> dem Irrationalismus des blinden Mutmaßens« (XI). Demge-<br />
D!\~ ARGUME!\T 12111980,2.;