Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
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442 Besprechungen<br />
Als kritischer Tenor durchzieht die sieben Kapitel - .Die Methodologisierung der<br />
Literaturwissenschaft., .Materialistische Literaturtheorie. , .Kritische Ästhetik., .Strukturalismus.,<br />
.Rezeptionsästhetik., .Kommunikationswissenschaften., .Literaturdidaktik.<br />
- der Einwand, der methodologische Apparat verselbständige sich gegenüber der<br />
Sache .Literatur., diese werde als Instrument außerliterarischer Absichten ihrer selbst<br />
entfremdet, mißbraucht.<br />
Empfohlen wird demgegenüber jedoch nicht, von den dargestellten Verirrungen im<br />
Methodengestrüpp zugunsten einer »gegenstandsadäquaten Methode« Abstand zu<br />
nehmen, sondern den Begriff <strong>und</strong> die Praxis von Methode gänzlich zu verwerfen: »Es<br />
kennzeichnet die Aussichtslosigkeit der heutigen methodischen Praxis, daß gerade das<br />
Ideal einer gegenstandsadäquaten Methode die Literaturwissenschaftler daran hindert,<br />
diese zu entwickeln. Wer nämlich Methode im Wortsinn als 'nachgehen' versteht, wird<br />
sein literarisches Urteil nicht an fremden, von außen bezogenen Kriterien ausrichten<br />
<strong>und</strong> deshalb von der Anwendung von 'Methoden' Abstand nehmen, die unabhängig<br />
von der Literatur über den Umgang mit ihr schon entschieden haben.« (272)<br />
Positiv ausgedrückt bedeutete die Anerkennung dieser angeblichen »Aussichtslosigkeit«<br />
die Hoffnung, der Gegenstand Literatur werde demjenigen, der auf literaturtheore<br />
tische Reflexion <strong>und</strong> methodisches Bewußtsein verzichtet, den Weg schon selber zu<br />
sich weisen, indem er ihm »nachgeht«. Das theoretische Substrat solchen Da<strong>für</strong>haltens<br />
besteht in dem Gr<strong>und</strong>satz, daß die Literatur diese sei <strong>und</strong> nichts anderes. Methodisch<br />
entspricht dem der Begriff einer »wirklich Immanenten Analyse« (ebd.), einer solchen<br />
also, die sich all dessen entschlagen hat, was ImmanenzIer früherer Prägung in die Literatur<br />
»hineininterpretiert« haben. Dieses anempfohlene Verfahren sei, wird behauptet,<br />
»im vorliegenden Band an Literaturtheorien bereits zu praktizieren versucht« (ebd.)<br />
worden. Stimmte dies, so hätte das Methodenpostulat voraussetzungslosen »Nachgehens«<br />
sich nicht nur seiner hermeneutischen Naivität überführt, sondern auch bereits<br />
seiner Inpraktikabilität.<br />
Der Spaß, den die Verfasser mit ihren Lesern zu treiben scheinen, hört nämlich dort<br />
auf, wo sie zur Sache kommen. Da gewinnt das Verfahren urplötzlich Methode, <strong>und</strong><br />
zwar weniger die des »Nachgehens« als, wie beispielsweise bei Friedrich Nemec über<br />
»Materialistische Literaturtheorie«, des Verzerrens, der willkürlichen Textmontagen, des<br />
Textfälschens <strong>und</strong> absurder Deutungen Nemec' Zitierpraxis (83 <strong>und</strong> andernortS) erweist<br />
sich als in trauriger Weise komplementär zum Jux des Theorief<strong>und</strong>aments, das<br />
der Band ausbreitet.<br />
Hält Nemec etwa der Publikationsreihe »Literatur im historischen Prozeß« vor, das<br />
sozialgeschichtliche Interesse nicht zu »betätigen, um Literatur zu erklären, sondern allein,<br />
um Literatur als Funktion ihrer historischen Bedingungen zu bestimmen <strong>und</strong> <strong>für</strong><br />
den gegenwärtigen Standpunkt des materialistischen Betrachters zu funktionalisieren«<br />
(85), was schon der Titel der Reihe ablesen lasse, so unterschiebt er dem Gegner nicht<br />
nur argumentlos einen deterministischen Funktionsbegriff, sondern beweist vor allem<br />
die eigene Unfähigkeit, einen dialektisch-materialistischen Begriff von Literatur überhaupt<br />
nur zu denken. Eine Materialismuskritik auf der Gr<strong>und</strong>lage der Tautologie 'Literatur<br />
ist Literatur' dürfte an Begriffslosigkeit kaum zu überbieten sein. Vorurteilsgeladene<br />
Ahnungslosigkeit ist hier ihr Movens.<br />
Methodenkritik, wie sie der Band prätendiert, besitzt ihre wissenschaftspolitische<br />
Stoßrichtung im Theorieverbot, das die Verfasser an sich selber bereits praktizieren. Auf<br />
der Basis der Begriffshülse 'Literatur' wird jegliche Reflexion auf den Begriffsinhalt als<br />
dieser äußerlich <strong>und</strong> gegenstandsfremd denunziert. »Literaturwissenschaft heute« ist<br />
nur der Titel des Buches. Indem es auf die Entfaltung eines Begriffs von Literatur als<br />
Maßstab der Kritik an den dargestellten .Methoden« programmatisch verzichtet, bleibt<br />
es selber vorwissenschaftlich.<br />
n .H. A lU~T TMPNT 111 / 1 CJSO ©