Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...

456 Besprechungen
sehe Rezeption sozialgeschichtlich rekonstruiert wird. Dem liegt die im Vorwort von
Herding formulierte Einsicht zugrunde, daß der Umweg über die Rezeptionsgeschichte
eines Bildes >oft erst den Schlüssel zum Inhalt ergibt« (11).
Um dies auch dem kunsthistorischen Laien zu vermitteln, sind dem Buch ebenso
norwendige wie sinnvolle Lesehilfen beigegeben. Neben ausgesuchtem Bildmaterial,
das zum großen Teil die in den Texten verhandelten Bilder Courbets abdeckt, finden
sich sowohl eine ausführliche Biographie als auch historisch einordnende Kommentare,
mit denen der Herausgeber die dokumentierten zeitgenössischen Texte versehen hat.
Nun liegt - trotz solcher Stützen - in der Vielfalt des angebotenen Materials nicht
nur die Stärke, sondern auch die Schwäche des Buches: Stärke, weil Courbets Persönlichkeit
und seine Bilder dem Leser nicht fertig vorgesetzt werden, sondern zunehmend
Kontur gewinnen, gebrochen durch eine Vielzahl von Blickwinkeln, seien sie historisch
persönlicher, politischer oder ästhetischer Natur; Schwäche, weil dem Leser stellenweise
viel zugemutet wird bei der Tätigkeit, aus dem Textpuzzle ein Ganzes zu gewinnen.
Zudem wird ab und an reizvolle Spannung verschüttet, die erst durch direkte Konfrontation
von im Buch auseinandergezogenen Texten augenfällig wird. Noch ein zweites
trübt die Lektüre. Von zeitgenössischen Auseinandersetzungen um Courbets Kunstkonzeption
und -realisierung angeregt, hofft der Leser auf Verwandlung dieser Debatten
in konkrete und detaillierte Bildanalyse. Solches Bedürfnis wird aber enttäuscht.
Streitet erwa Zola mit Proudhon über thematisch oder formal bestimmte Kunst und
Kunstkritik am Beispiel von Courbets Bildern (146ff., 126ff.), so wird zwar im Aufsatz
z.B. Hofmanns über die 'Schlafende Spinnerin' Proudhons Interpretationsansatz zu
diesem Bild referiert (214f.), dann aber abgebogen in einer Art, die den Leser enttäuscht,
der diese Auseinandersetzung noch im Kopf hat und sich nach ihrer Fortführung
oder gar Lösung vom Kunstwerk her sehnt.
Trotz der erwähnten Mängel: das Buch ist lesenswert. Besonders gilt dies für den
Aufsatz von T.J. Clark, bei dem der theoretische Ansatz des Sammelbandes am sinnfälligsten
verwirklicht wird. Er rekonstruiert sehr präzis und eingängig die politischen und
soziologischen Ursachen der Verwirrung, die das bürgerliche Pariser Publikum speziell
im Anblick des 'Begräbnis in Ornans' ergriff. Insgesamt liefert das Buch Anschauungsund
Diskussionsmaterial: für das spannungsvolle Verhältnis von Politik und ästhetischer
Konzeption (hierher gehört der Aufsatz von 1. Nochlin über Courbet und die
Commune), für die Diskussion des Realismusproblems, des Verhältnisses zwischen
Künstler und historischer Wirklichkeit (z.B. Courbets offener Brief vom 25.12.1861
[29ff.]), für die Situation der Kunst in Frankreich in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Und schließlich läßt es anschaulich werden, in welch vielfältiger und doch nicht historisch
zufälliger Art Zugänge zu einem Künstler gefunden werden können.
Frieder Hildt (Stuttgart)
Soziologie
Riede!, Manfred: Ver s t ehe n 0 der Er k I ä ren? Zur Theorie und Geschichte der
hermeneutischen Wissenschaften. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1978
(231S.,Ln.,38,-DM).
(a)
Eberlein, Gerald, und Hans-Joachim von Kondratowitz (Hrsg.): Psychologie
s tat t So z i 0 log i e? Zur Reduzierbarkeit sozialer Strukturen auf Verhalten.
Campus Verlag, Frankfurt/M. 1977 (179 S" br., 34,- DM). (b)
Mittelstraß, Jürgcn (Hrsg.): Met h od e np r 0 b lerne der W iss e n sc hafte n
vom gesellschaftlichen Handeln. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1979
(465 S., br., 16,- DM). (c)
nA, .o\RI.-T1MFNT 12111980 ©