Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
330 Pietra Ingrao<br />
beit wurde in Italien versucht, eine einheitliche Gewerkschaft aufzubauen, die zu ihren<br />
Entscheidungen alle Arbeiter zur Teilnahme aufruft, auch jene, die keine Gewerkschaftsmitglieder<br />
sind. Sie stützt sich auf ein Netz von Betriebsräten, also auf Organe,<br />
deren Mitglieder direkt aus homogenen Arbeitsgruppen der einzelnen Sektoren kommen.<br />
Ihr Ziel ist es, die Kluft zwischen Arbeit <strong>und</strong> allgemeinen Entscheidungen, Repräsentanten<br />
<strong>und</strong> Repräsentierten, Produktion <strong>und</strong> Politik zu überwinden, <strong>und</strong> zwar<br />
nicht mittels politischer Optionen, sondern ausgehend von den Problemen der Arbeiter.<br />
Heute bemüht sich die Gewerkschaft, den Kampf der beschäftigten Arbeiter mit<br />
dem der Arbeitslosen, die Betriebsräte mit den Bezirksräten zu vereinigen. Wir italienischen<br />
Kommunisten unterstützen diese gewerkschaftliche Enrwicklung <strong>und</strong> erkennen<br />
nicht nur ihre Autonomie an, sondern sind auch gegen eine geplante Auf teilung der<br />
Probleme in solche, die nur die politischen Parteien <strong>und</strong> solche, die nur die Gewerkschaften<br />
betreffen. Man kann sich heute nicht mehr mit der Lohnfrage wirkungsvoll beschäftigen,<br />
ohne die Fragen von Staatsintervention <strong>und</strong> Demokratisierung der Macht<br />
miteinzubeziehen. Damit soll die Trem;mng in Politik <strong>und</strong> Staat, wie in der bürgerlichen<br />
Gesellschaft, bekämpft werden, was auch heißt, daß man verstehen muß, wie sich<br />
Klassenbewußtsein entwickelt <strong>und</strong> eine Entscheidung <strong>für</strong> Demokratie <strong>und</strong> Sozialismus<br />
herbeigeführt werden kann. Und das ist noch nicht alles. Im Kampf der letzten Jahrzehnte<br />
sind Formen der Unterdrückung <strong>und</strong> der Subordination entstanden, die nicht<br />
direkt den heutigen Arbeitsverhältnissen in den Fabriken entspringen. Es kommen immer<br />
mehr Formen der Unterdrückung <strong>und</strong> Ungleichheit zum Vorschein, die in der allgemeinen<br />
Gesellschaftsstruktur , in der »allgemeinen Reproduktion« des sozialen Systems,<br />
in den Machtelementen wurzeln - sie umfassen auch die Organisation der Wissenschaft,<br />
also auch die Hierarchie in der Verbreitung von Fachkenntnissen. In der<br />
Frauenbefreiung geht es um Widersprüche der sozialen Rollenverteilung in den verschiedenen<br />
Staatsapparaten <strong>und</strong> in der Wissenschaft, im System der Intellektuellen.<br />
Und es geht um die Bedürfnisse nach Freiheit, die aus der Art <strong>und</strong> Weise entstehen,<br />
wie heute die Beziehung zur natürlichen Umwelt, zur Sexualität, das Leben zu zweit,<br />
das Leben der Kinder usw. eingerichtet sind.<br />
Für uns italienische Kommunisten ist es daher von großer 'Bedeutung, daß Beziehungen<br />
zu solchen Bewegungen hergestellt werden, die ihre Autonomie <strong>und</strong> ihre Eigenart<br />
anerkennen. Sie sollten als Teile des allgemeinen Kampfes <strong>und</strong> als Bündnispartner eingeschätzt<br />
werden, was aber kein unkritisches Verhalten ihnen gegenüber einschließt. Es<br />
gilt eine Dialektik in Gesellschaft <strong>und</strong> Politik herzustellen, die umfassend genug ist,<br />
um sich aus Widersprüchen zu einer Vielfalt von Kampfmöglichkeiten <strong>für</strong> eine Veränderung<br />
der derzeitigen Gesellschaft zu entwickeln.<br />
Dabei verschwindet oder verringert sich die Rolle der politischen Arbeiterpartei keineswegs.<br />
Es verschwindet vielmehr ihr Selbstverständnis als Organismus, der jegliche<br />
politische Erfahrung totalisierend in sich zu vereinigen sucht <strong>und</strong> vorgibt, ein Anrecht<br />
auf ein Theorie- <strong>und</strong> Wahrheitsmonopol zu haben. Sie lehnt damit nicht ihre Aufgabe<br />
ab, Vorschläge <strong>und</strong> Pläne <strong>für</strong> eine Gesellschaftsordnung zu erstellen. Im Gegenteil, sie<br />
konzipiert sie auf eine viel reichere Art <strong>und</strong> Weise, nicht ausschließlich innerhalb ihrer<br />
eigenen Reihen, <strong>und</strong> präsentiert sich als Kämpfer <strong>für</strong> eine viel größere Kreativität, gegen<br />
Politik in den Händen Weniger, gegen die Auf teilung der Staatsrnacht in den oberen<br />
Reihen der Parteien.<br />
Die Autonomie der Gewerkschaften, Women's Liberation Movements oder anderer<br />
DAS ARGUMENT 12111980 ©