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Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...

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Kunst <strong>und</strong> Kulturwissenschaften 453<br />

chung des Faches. Durch Aufbau <strong>und</strong> / oder Nutzung kunsthistorischer Sammlungen<br />

an den Universitäten wurde diese Lösung von aktueller Kunstpraxis kompensiert. Unter<br />

der .Gemeinschaft der Kunst- <strong>und</strong> Kulturpolitiker« versteht Dilly diejenigen Historiker,<br />

Theoretiker <strong>und</strong> Publizisten, die nicht im akademischen Bereich tätig waren, sondern<br />

in der Kultusbürokratie, in Kunstvereinen, Denkmalpflege oder an Kunstzeitschriften.<br />

Die .informelle Gemeinschaft der Kunsthistoriker« schließlich bilden die Ordinarien<br />

der Universitäten. Dilly verfolgt die Durchsetzung der Kunstgeschichte an verschiedenen<br />

Universitäten, das theoretische <strong>und</strong> wissenschaftspolitische Verständnis ihrer<br />

Vertreter, das u.a. ihr Verhältnis zu den Nachbardisziplinen definierte, ihre Verbindungen<br />

zum preußischen Staat <strong>und</strong> zur Großbourgeoisie. In Zusammenhang mit der<br />

dem Besitzdenken besonders affinen Stellung dieser Hüter kultureller Schätze sieht<br />

Dilly die universitäre Theoriebildung, die dem Biografismus der Geschichtswissenschaft<br />

in der Gründerzeit entgegenkam. Dagegen propagierten die wenigen demokratischen<br />

Geister wie Anton Springer eine strenge Methode in Anlehnung an die Naturwissenschaften<br />

<strong>und</strong> damit den Rückzug aus der im Sinne der Bismarckschen Ziele politisierten<br />

Geschichte <strong>und</strong> Literatur. -<br />

Diese Studien bestechen durch ihre Detailkenntnisse , durch viele, aufschlußreiche<br />

Zitate aus den unterschiedlichsten Texten, die Dilly überlegt ausgewählt hat. Vor allem<br />

<strong>für</strong> denjenigen, der der »Gemeinschaft der Kunsthisroriker« selbst angehört <strong>und</strong> seine<br />

»Ahnen« nur aus ihren Publikationen kennt. wird diese Konkretisierung der Geschichte<br />

der Kunstgeschichte eine lehrreiche, zudem spannende <strong>und</strong> oft amüsante Lektüre sein.<br />

Zu begrüßen ist auch der Aspektreichtum der Arbeit Dillys. Hierin liegt jedoch zugleich<br />

die Schwäche des Buches. Dilly lehnt mit Recht die bisherige Begrenzung der<br />

Fachgeschichte auf Gelehrtengeschichte , Theorie- <strong>und</strong> Methoden- oder aber <strong>Institut</strong>ionengeschichte<br />

ab. Jedoch gelingt es ihm nicht, die Vermittlungsverhältnisse zwischen<br />

den unterschiedlichen Ebenen der Organisationsform Kunstgeschichte in den Griff zu<br />

bekommen. Der Zusammenhang zwischen den Aspekten, die Dilly unterscheidet -<br />

praktischer, ästhetischer, wissenschaftlicher, theoretischer Diskurs, die präsentative <strong>und</strong><br />

diskursive Kunstgeschichte (78) wird allenfalls aper~uhaft angedeutet.<br />

So erscheint mir die erste Studie dieses Bandes am problematischsten, weil sie am<br />

stärksten programmatischen Charakter hat. Dabei ist es nicht einfach, Dillys Gr<strong>und</strong>position<br />

heraus zu destillieren , da er sich unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze <strong>und</strong><br />

Instrumentarien zu eigen macht, ohne deren logische Konsequenzen <strong>und</strong> Implikationen<br />

zu diskutieren. Dilly bestimmt hier, was er unter der Analyse der Historizität bildender<br />

Kunst versteht: Gemälde, Skulpturen, Gebäude sollen als .Monumente mit<br />

Geschichte« erkennbar werden im Unterschied zu ihrer Auffassung als .die Zeit überdauernde<br />

Dokumente von Geschichte« (79). D.h., die Wirkungsgeschichte von Kunst<br />

steht <strong>für</strong> Dilly im Zentrum. Es geht ihm nicht darum, die .jeweils richtige Einstellung.<br />

zu den Kunstwerken zu eruieren, sondern wichtiger ist es ihm in Anlehnung an Foucault,<br />

.jene stummen Handlungen in die Kunstgeschichtsforschung aufzunehmen, wie<br />

sie auf den Ausstellungen <strong>und</strong> in den Museen erfahrbar werden <strong>und</strong> sich in einer stark<br />

reduzierten Sprache des Staunens manifestieren. (78). Für die Erforschung dieser Geschichte<br />

einer .stummen Rezeption« kann ich jedoch in den folgenden Untersuchungen<br />

keine konkreten Ansätze finden, sie bleibt vielmehr reines Postulat. Wo die Diskrepanz<br />

zwischen .öffentlicher Meinung. <strong>und</strong> .wissenschaftlichem Diskurs« einmal faßbar wird<br />

wie bei dem berühmten Holbein-Streit, wird diesem Konflikt zwischen Alltagsverständnis<br />

von Kunst <strong>und</strong> wissenschaftlichen Ansprüchen nicht hisrorisch genetisch nachgegangen<br />

(vgl. 165ff.). Mit seinem Verzicht auf die systematische Rekonstruktion der<br />

Produktions bedingungen von Kunst <strong>und</strong> von deren <strong>Institut</strong>ionalisierung beraubt sich<br />

Dilly auch der Möglichkeit, Ideologisierungsprozesse aufzudecken <strong>und</strong> damit die Etablierung<br />

der Kunstgeschichte als wissenschaftliche Disziplin auf Klassenauseinanderset-<br />

DAS ARGUMENT 121/1980

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