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Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...

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466 Besprechungen<br />

hin erfolgreich. Für die Mehrheit der Altertumswissenschaftler blieb die Bindung an<br />

das traditionelle. positivistische Selbstverständnis von Wissenschaft mit seinem klassizistisch<br />

gefärbten Geschichtsbild gültig. Das gilt sogar in gewisser Weise <strong>für</strong> die entschiedenen<br />

Anhänger des Faschismus selbst, auch sie sprachen gegenüber ihren Fachkollegen<br />

eine andere Sprache als gegenüber ihren Parteifre<strong>und</strong>en.<br />

Typisch <strong>für</strong> das. was dabei herauskam, ist etwa der 1942 im Rahmen des 'Kriegseinsatzes'<br />

von H. Berve herausgegebene Sammelband 'Das neue Bild der Antike'. An ihm<br />

monierten entschiedene Faschisten die nur oberflächliche Färbung der alten Wissenschaftshaltung<br />

(H. Oppermann), die fehlende rassenk<strong>und</strong>liehe Betrachtung (F. Schachermeyr)<br />

oder klagten darüber, daß der Band ein Beleg da<strong>für</strong> sei, daß sich seit 1933 eigentlich<br />

nichts geändert habe (W. Weber). Von heute aus wird man diesem Urteil<br />

durchaus zustimmen, <strong>und</strong> auch der im gleichen Rahmen von J. Vogt herausgegebene<br />

Band 'Rom <strong>und</strong> Karthago' enthält Beiträge, die völlig frei von jedem NS-Gedankengut<br />

sind.<br />

Wie dies freilich zu bewerten sei, dazu äußert sich Losemann kaum. Gelegentlich<br />

sieht es so aus, als sei <strong>für</strong> ihn der blanke Positivismus schon so etwas wie ein Programm<br />

des antifaschistischen Widerstandes. Und so wird auch nicht klar, worum es sich bei<br />

dem teilweisen Mißerfolg der NS-Politik handelt. Denn auch ein von NS-Schablonen<br />

freier Beitrag in einem mit eindeutig rassistischem Programm herausgegebenen Sammelband<br />

wie 'Rom <strong>und</strong> Karthago' läßt sich ja wohl eher als eine Kollaboration mit dem<br />

NS-Regime denn als eine Kollision betrachten. Wir stehen vor dem Faktum, daß die<br />

Altertumswissenschaften, wie auch andere von der NS-Ideologie in Ansptuch genommenen<br />

Disziplinen, bei gr<strong>und</strong>sätzlicher Bereitschaft zur Kollaboration doch ihre wissenschaftliche<br />

Tradition <strong>und</strong> ihr nicht-faschistisches Selbstverständnis bewahren konnte.<br />

Losemann zitiert dazu, ohne eine eigene Ansicht deutlich zu machen, die Ansicht<br />

von F.K. Werner, der in den tieferliegenden Affinitäten zwischen deutscher Geschichtswissenschaft<br />

<strong>und</strong> NS-Geschichtsbild die Erklärung da<strong>für</strong> sieht, warum das Bürgertum<br />

<strong>und</strong> seine Universitäten sich Bereiche zu behaupten wußten, die Hitlers Leute<br />

gern im Weg der Gleichschaltung beseitigt hätten.<br />

Hier ließe sich auch <strong>für</strong> die Altertumswissenschaft einiges anführen. Gerade in ihr<br />

gab es schon in der Kaiserzeit <strong>und</strong> der Weimarer Republik eine genuin antidemokratische<br />

<strong>und</strong> rechtskonservative Tradition, <strong>für</strong> die Ed. Meyer <strong>und</strong> U. v. Wilamowitz-Möllendorf<br />

als Protagonisten genannt seien. Wilamowitz z.B. war in den letzten Jahren des l.<br />

Weltkrieges ein fanatischer <strong>und</strong> aktiver Feind jedes 'Verständigungsfriedens' , dann einer<br />

der ideologischen Erfinder <strong>und</strong> Propagandisten der Dolchstoßlegende <strong>und</strong> beim<br />

Kapp-Putsch offenbar als Kultusminister einer reaktionären Regierung im Gespräch.<br />

Und auch wenn der auf die griechisch-römische Vergangenheit gerichtete Klassizismus<br />

nicht so einfach <strong>für</strong> germanisches Rasse-Denken verwertbar war (der italienische<br />

Faschismus hatte es da schon leichter), so stand er doch weder in seiner eher idealistischen<br />

(3. Humanismus) noch in seiner historistischen Ausprägung außerhalb des konservativen<br />

Weltbilds des deutschen Bürgertums. Gerade <strong>für</strong> den Historismus eines Wilamowitz<br />

ist es kennzeichnend, daß er nicht mehr dem Erbe der europäischen Aufklärung<br />

verpflichtet war, sondern sich einfügte in das borniert-preußische Weltbild der<br />

wilhelminischen Zeit.<br />

Von diesen 'tiefer liegenden Affinitäten' aus läßt sich auch die Art <strong>und</strong> Weise der<br />

'Bewältigung' der NS-Zeit nach 1945 in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland verstehen.<br />

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Praxis in der NS-Zeit<br />

fand weder auf der personellen noch auf allgemein ideologischer Ebene statt. Man<br />

brauchte deutlich rassistisches <strong>und</strong> nazistisches Gedankengut bei Personen oder in ihren<br />

Werken nur als überschüssig <strong>und</strong> eliminierbar anzusehen, um sich der Auseinandersetzung<br />

über die tiefer liegenden Ursachen des Faschismus zu entziehen. Beispiel-<br />

DAS ARGUMENT 121/19RO

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