Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
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334<br />
Detlev Albers<br />
Gedanken über den »Dritten Weg zum Sozialismus«<br />
in Westeuropa *<br />
Im Laufe der letzten Jahre hat ein lange Zeit verpönter, ja tabuisierter Begriff wieder<br />
in die Strategiediskussion der westeuropäischen <strong>Linke</strong>n Eingang gef<strong>und</strong>en, der jetzt,<br />
nachdem sich die anfängliche Überraschung über seine bloße Verwendung zu legen beginnt,<br />
um so dringlicher einer inhaltlichen Präzisierung <strong>und</strong> Überprüfung, einer Absicherung<br />
gegenüber falschen Instrumentalisierungen von links oder rechts, kurzum einer<br />
gründlichen theoretischen Diskussion zwischen den verschiedenen Richtungen der<br />
Arbeiterbewegungen bedarf (wobei die Möglichkeit eines Verzichts auf seinen Gebrauch<br />
nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann): Gemeint ist der Begriff des<br />
.dritten Wegs zum Sozialismus«, wobei sich sein Anwendungsbereich nach dem Verständnis<br />
seiner Be<strong>für</strong>worter ausschließlich auf die entwickelten kapitalistischen Industrieländer,<br />
d.h. angesichts der Traditionen, auf die er sich stützt, vor allem auf die Nationen<br />
Westeuropas beschränkt.<br />
I.<br />
Die Herkunft des Begriffs <strong>und</strong> der strategischen Vorstellungen, die hinter ihm stehen,<br />
sind untrennbar mit der Spaltung der internationalen Arbeiterbewegung während<br />
<strong>und</strong> nach dem Ersten Weltkrieg verb<strong>und</strong>en. Bis heute ist <strong>für</strong> jede Strategie eines .dritten<br />
Wegs zum Sozialismus« konstitutiv (was einen guten Teil ihrer Schwierigkeiten wie<br />
ihrer wachsenden Anziehungskraft in einem ausmacht), daß sie sich in kritischer Distanz<br />
zur politischen Theorie <strong>und</strong> Praxis der beiden aus dieser Spaltung hervorgegangenen<br />
ideologischen Hauptströmungen befindet, ohne doch ihre Zugehörigkeit zu einer<br />
der beiden Richtungen bestreiten zu können <strong>und</strong> zu wollen. Beiden Wegen, dem ersten,<br />
reformistischen oder »typisch sozialdemokratischen« wie dem zweiten, leninistischen<br />
oder »typisch kommunistischen«, deren hauseigene Ideologien des .demokratischen<br />
Sozialismus« wie des .Marxismus-Leninismus« sich unverändert in einem geistigen<br />
Vernichtungskampf miteinander begreifen, kreidet sie schwerwiegende Versäumnisse,<br />
ob bewußt oder unbewußt, im Erfassen <strong>und</strong> Verarbeiten der revolutionären Veränderungsmöglichkeiten<br />
in den westlichen Industrieländern an. Gerade hierin aber, in<br />
der Verknüpfung des »großen Erbes der Kämpfe um die Demokratie« mit jenem nicht<br />
minder bedeutsamen der »proletarischen Revolutionen« (Otto Bauer), im Vorantreiben<br />
der .Revolution in der Demokratie« (Togliatti) liegt umgekehrt die vielleicht wichtigste<br />
Gemeinsamkeit der ansonsten durchaus unterschiedlichen Traditionen der Arbeiterbewegung<br />
verpflichteten Anhänger des »dritten Weges zum Sozialismus«1<br />
Nach meiner Meinung sind deutlich zwei Phasen in der Entstehungsgeschichte dieser<br />
Strategie. nämlich die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen <strong>und</strong> der Zeitraum seit<br />
Mitte der sechzigerjahre, <strong>und</strong> zwei zunächst gegensätzliche Ausgangspositionen unterscheidbar,<br />
die wesentlichen Anteil an ihrer Formulierung haben. nämlich die linkssozialistische<br />
<strong>und</strong> die eurokommunistische . Dabei läßt sich stark vereinfacht die These<br />
aufstellen, daß in der ersten Phase die linkssozialistischen Beiträge ein größeres Maß an<br />
Gekürzte Fassung des Referats auf dem 2. OltO Bauer Symposium, Wien, 23.-25.1l.1979.<br />
Ungekürzt demnächst in: D. Albers, J. Cap, D. Motchane, P. Ingrao (Hrsg.): Linkssozialisten<br />
<strong>und</strong> Marxismus heute. Ergebnisse der 2. internationalen Orto-Bauer-Tagung, Wien 1979.<br />
Frankfurt 1980.