Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
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434 Besprechungen<br />
Geschichte der Philosophie. besonders der systematischen Erforschung des »progressiven<br />
philosophischen Erbes« der deutschen Klassik. Kap. 8 enthält die Analyse der Kontroversen<br />
um die Beziehung von marxistisch-leninistischer Philosophie <strong>und</strong> Einzelwissenschaften<br />
sowie der langjährigen Materiedebatte <strong>und</strong> Determinismusprobkmatik.<br />
Kap. 9-11 gehen auf die Bestrebungen auf dem Felde des historischen Materialismus<br />
ein: Die Ausarbeitung von Gr<strong>und</strong>problemen des historischen Materialismus (Gegenstand,<br />
Verhältnis zur empirischen Sozialforschung, Charakter <strong>und</strong> Wirkungsweise gesellschaftlicher<br />
Gesetze, begriffliche Fixierung des Verhältnisses von Spontaneität <strong>und</strong><br />
Bewußtheit, der Subjekt-Objekt-Dialektik etc. [Kap, 9]); philosophische Fragen des<br />
Verhältnisses von Produktivkräften <strong>und</strong> Produktionsverhältnissen (die Debatten über<br />
die Hauptproduktivkraft Mensch <strong>und</strong> die Produktivkraft Wissenschaft [Kap, 10]); die<br />
marxistisch-leninistische Staats- <strong>und</strong> Revolutionstheorie unter Präzisierung des Macht<strong>und</strong><br />
Demokratiebegriffs (Kap. 11). Kap. 12 enthält die Auseinandersetzungen mit<br />
Strömungen der bürgerlichen Gegenwartsphilosophie samt einer lesenswerten Skizze<br />
der philosophischen Nachkriegsentwicklung in der BRD.<br />
Die im Buche aufgeworfenen Probleme signalisieren zugleich einen kritischen Selbstverständigungsprozeß<br />
heutiger DDR-Philosophie-Forschung <strong>und</strong> können in mindestens<br />
drei Punkten einen fruchtbaren Meinungsstreit eröffnen. Die Darstellung der<br />
Auseinandersetzungen mit den philosophischen, im Ansatz konvergierenden Ansichten<br />
G, Lukacs' <strong>und</strong> E. Blochs Mitte der 50er Jahre zeigt Ansätze einer differenzierteren<br />
Einschätzung. Zwar dominieren immer noch die damaligen Urteile. die die Positionen<br />
beider als revisionistisch <strong>und</strong> kleinbürgerlich umschreiben. Zugleich werden ihnen aber<br />
im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des HegeIschen Erbes <strong>und</strong> der Auseinandersetzung<br />
mit dem Existentialismus ausdrücklich »starke humanistische <strong>und</strong> progressive<br />
Tendenzen« zugeschrieben (193, 336ff.). Wird ihre Philosophie kategorisch als »idealistische,<br />
vom wirklichen Leben <strong>und</strong> Kampf der Werktätigen losgelöste« Theorie qualifiziert<br />
(193). so bleibt allerdings die Frage unbeantwortet, wie eigentlich solche Konzeption<br />
den ihr bescheinigten, doch praktisch relevanten humanistischen. antifaschistischen,<br />
aufklärerisch-progressistischen Charakter entwickeln konnte. Jedenfalls lassen<br />
die Autoren offen, in welchem Maße die Bloch- <strong>und</strong> Lukacsschen Auffassungen reale<br />
Probleme sozialistischer Praxis reflektieren bzw. - bei der betonten relativen Selbständigkeit<br />
der Philosophie - diese antizipieren. Auch bei der historischen Würdigung des<br />
Existentialismus zeigt sich fallweise eine gewisse Pauschalität der Wertung. So wird der<br />
Sarrresche Existentialismus eingebettet in die »reaktionären, extrem idealistischen <strong>und</strong><br />
philosophischen Denkweisen«, die nach dem »Bankrott der faschistischen Ideologie« als<br />
boutgeoises Auffangbecken gegenüber marxistischen Einflüssen dienten (23). Die Wirkungsgeschichte<br />
speziell des französischen Existentialismus verhält sich jedoch anders.<br />
Der Sartresche Existentialismus konnte auch in der damaligen Sowjetzone gerade deswegen<br />
Anklang finden, weil er als antifaschistische, antiimperialistische Theorie <strong>und</strong><br />
sensibler schichtenspezifischer Ausdruck der Krise der spätkapitalistischen Gesellschaft<br />
konzipiert war.<br />
Interessant ist die in Kapitel SE. dargestellte Aufarbeirung des philosophIschen Dogmatismus.<br />
die unter dem Eindruck des 20. Partellages der KPdSU seit dem 30. Plenum<br />
des ZK der SED Anfang 1957 einsetzte. Den »Dogmatismus« bestimmen die Autoren<br />
als Ausdruck der Loslösung der Theorie von der gesellschaftlichen <strong>und</strong> politischen Praxis,<br />
als ein weltfremdes, unwissenschaftlich abstraktes Philosophieren (200). In diesem<br />
Zusammenhang spielt die historische Wertung der theoretischen Arbeiten]. Stalins eine<br />
Hauptrolle.<br />
Kritisch werden die »vulgarisierenden Bestrebungen« bewertet. »alles unter Gr<strong>und</strong>sätze<br />
zu subsumieren«, anstatt die philosophischen Kategorien, Gesetze <strong>und</strong> Prinzipien<br />
»auf dem Wege der wissenschaftlichen Abstraktion aus der konkreten Analyse der ge-<br />
DAS ARGLMENT l21,' 1 ')80