Westeuropäische Linke und "dritter Weg" - Berliner Institut für ...
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Sprach- <strong>und</strong> Literaturwissenschaft 443<br />
Dies alles lohnte kaum der Rede, wäre das Buch nicht in einer Reihe erschienen, die<br />
gerade bei Studenten den Ruf genießt, in gediegener Handbuch-Weise den aktuellen<br />
Stand der Forschung zu repräsentieren. Der sehr wichtigen Informationsaufgabe im<br />
theoretisch-methodischen Bereich der Literaturwissenschaft wird das vorliegende Buch<br />
nicht nur nicht gerecht, sondern es unterstützt die verbreitete agnostizistische Tendenz,<br />
mit dem als endlos empf<strong>und</strong>enen Methodenstreit Schluß zu machen, indem man<br />
schlicht <strong>und</strong> einfältig zur Sache kommt.<br />
Gerhart Pickerodt (Marburg /Lahn)<br />
Bürger, Peter: Vermittlung - Rezeption - Funktion. Ästhetische<br />
Theorie <strong>und</strong> Methodologie der Literaturwissenschaft. Suhrkamp Verlag,<br />
Frankfurt/M. 1979 (233 S., br., 10,- DM).<br />
Das .Auseinandertreten von Literaturtheorie <strong>und</strong> Interpretationspraxis« (9) ist <strong>für</strong><br />
Bürger Symptom einer Wissenschaftskrise, der er durch Vorschläge zu einer rationalen<br />
ästhetischen Theorie - als Gr<strong>und</strong>lage einer Methodologie der Literaturwissenschaft -<br />
entgegentreten will. Der Aufsatzband soll in diesem Sinne Bausteine liefern <strong>für</strong> eine<br />
kritische Theorie der Literatur. Auch wenn die meisten der zehn Arbeiten schon publiziert<br />
vorliegen <strong>und</strong> nur zum Teil überarbeitet oder zusammengefügt wurden, geht es<br />
hier weder um Dokumentation eigener Arbeit noch um Darstellung verschiedener literaturtheoretischer<br />
Ansätze, was auf den ersten Blick leicht angenommen werden könnte.<br />
Im einzelnen behandelt Bürger: den Widerspiegelungsbegriff bei Lenin, Lukäcs<br />
<strong>und</strong> Metseher (Kap. I; zuerst im Argument 90); den literatursoziologischen Ansatz Lucien<br />
Goldmanns (Kap. III); die Kunstsoziologie Adornos (Kap. IV); den Russischen<br />
Formalismus (Kap. V); Theoreme zur Rezeptionsforschung von Silbermann über Adorno<br />
bis Jauß (Kap. VI); Benjamin <strong>und</strong> die kritische Hermeneutik (Kap. VIII). In drei<br />
eher programmatischen Arbeiten antwortet Bürger (Einleitung) auf die Kritik an seiner<br />
einflußreichen .Theorie der Avantgarde. von 1974 (sie ist durchgehend Bezugspunkt<br />
der Argumentation), entwirft er gegen den Traditionsbegriff in Gadamers .Wahrheit<br />
<strong>und</strong> Methode. Vorüberlegungen zu einer kritischen Literaturwissenschaft (Kap. VII)<br />
<strong>und</strong> entfaltet seine zentrale Kategorie der <strong>Institut</strong>ion Kunst in forschungspraktischer<br />
Absicht (Kap. IX). In einem kurzen, bisher ungedruckten Aufsatz beschäftigt sich der<br />
Autor allgemein mit Althussers Reformulierung des Basis-Überbau-Theorems<br />
(Kap.lI), berücksichtigt aber nicht dessen Äußerungen zur Kunst <strong>und</strong> Literatur (in:<br />
.Pour Marx« 1965, 129-152, dt. in: Alternative 97), was wünschenswert gewesen wäre.<br />
Warum die Aufsätze insgesamt nochmals unter die Oberbegriffe Vermittlung, Funktion<br />
<strong>und</strong> Rezeption subsumiert werden, bleibt unerfindlich, zumal sie in allen Aufsätzen<br />
diskutiert <strong>und</strong> zum Teil unterschiedlich verwandt werden. Die Einleitung hätte einen<br />
Beitrag zu ihrer Klärung liefern können.<br />
Die einzelnen Aufsätze des Bandes werden zusammengehalten durch wissenschaftstheoretische<br />
Annahmen, die einer .Hegel-Marx-Tradition« (15) verpflichtet sind: Kn"tische<br />
Hermeneutik bezeichnet ein erklärendes Verstehen, das sich vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
eigenen Interesses in ideologiekritischer Absicht den Gegenständen nähert. Das Verfahren<br />
der dtalektischen Krt"tik soll (in Anlehnung vor allem an Habermas) immanent<br />
an den Theorien ansetzen <strong>und</strong> .aus deren Lücken <strong>und</strong> Widersprüchen entscheidende<br />
Denkanstöße« gewinnen (14). Habermas selbst jedoch, dem der Band gewidmet ist,<br />
wird nicht zum Gegenstand dialektischer Kritik. Schließlich zeichnet sich Bürgers Methode<br />
durch das Zusammendenken von Gegenstands- <strong>und</strong> Kategon'enentwicklung aus<br />
(vgl. z.B. 15,69,90, 104f., 118, 132, 174), d.h. er geht über eine immanente Betrachtung<br />
der Theorien hinaus <strong>und</strong> bezieht sie auf den ihnen zugr<strong>und</strong>e liegenden Entwicklungsstand<br />
der Kunst. So werden besonders die Ästhetiken von Lukäcs <strong>und</strong> Adorno auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage ihrer unterschiedlichen Bewertung der historischen Avantgardebewegungen<br />
(Surrealismus, Dadaismus, Futurismus) einsichtig (z.B. 31ff.; 87ff.).<br />
DAS ARGUMENT 12111980 ©