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Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

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Erziehungsvorstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

für die „öffentliche Erziehung (Fürsorgeerziehung<br />

o<strong>der</strong> Strafvollzug)“ angeordnet worden<br />

war. Die Aufnahme- und Beobachtungsheime<br />

hatten „die Notwendigkeit <strong>der</strong> Heimunterbr<strong>in</strong>gung“<br />

und den schulischen Leistungsstand<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zuweisenden zu prüfen. 289 Die Heime<br />

g<strong>in</strong>gen zum<strong>in</strong>dest teilweise aus polizeilichen<br />

E<strong>in</strong>richtungen hervor und waren <strong>in</strong> Polizeipräsidien<br />

untergebracht. Um 1950 gab es sechs<br />

<strong>der</strong>artige E<strong>in</strong>richtungen für 382 Insassen. 290<br />

Die Gesamtkapazität lässt vermuten, dass<br />

nicht alle M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen, die <strong>in</strong> Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong>heime<br />

und Jugendwerkhöfe e<strong>in</strong>zuweisen<br />

waren, die E<strong>in</strong>richtungen durchlaufen haben.<br />

In Sachsen (Festung Königste<strong>in</strong>) wurden<br />

ausschließlich Jugendliche aufgenommen,<br />

die für Jugendwerkhöfe vorgesehen waren. 291<br />

E<strong>in</strong>es von mehreren Beobachtungsheimen<br />

<strong>in</strong> Brandenburg („Rotes Luch“/Kreis Seelow)<br />

trug möglicherweise eher den Charakter e<strong>in</strong>es<br />

Lagers (Baracken mit Umzäunung). E<strong>in</strong> weiteres<br />

<strong>der</strong>artiges Heim befand sich <strong>in</strong> Potsdam.<br />

Der Stellenplan dieses Heimes weist ke<strong>in</strong>erlei<br />

beson<strong>der</strong>s für se<strong>in</strong>e Zwecke geschultes Personal<br />

aus, sodass die Vermutung naheliegt, dass<br />

dieses Heim lediglich Jugendliche bis zur tatsächlichen<br />

E<strong>in</strong>weisung unterbr<strong>in</strong>gen sollte. 292<br />

E<strong>in</strong>e summarische Zusammenstellung von<br />

1950 zählte 3 Aufnahme- und Beobachtungsheime<br />

mit 265 Plätzen, <strong>in</strong> die M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige<br />

zwecks Diagnose und Festlegung e<strong>in</strong>es Erziehungsplanes<br />

e<strong>in</strong>gewiesen wurden. 293 Im<br />

Oktober 1950 wurden 6 <strong>der</strong>artige Heime, teils<br />

<strong>in</strong> Trägerschaft <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>, teils <strong>in</strong> Trägerschaft<br />

<strong>der</strong> Kreise mit <strong>in</strong>sgesamt 382 Plätzen<br />

genannt. 294<br />

289 Erste Durchführungsbestimmung zur<br />

Verordnung über <strong>Heimerziehung</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen vom 27. November 1951. In: BArch DR<br />

2/60997.<br />

290 Zusammenstellung <strong>der</strong> Heime für K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendliche <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> (undatiert, ca. Oktober 1950).<br />

In: BArch DR 2/386.<br />

291 Reisebericht Nr. 71 über die Dienstreise nach<br />

Neustrelitz, Bräunsdorf, Königste<strong>in</strong> und Pirna vom<br />

7. bis 11. Oktober 1951. In: BArch DR 2/5565, S. 56.<br />

292 Aktenvermerk: Stellenplan <strong>der</strong> landeseigenen<br />

Heime vom 29. April 1950. In: BArch DR 2/387.<br />

293 K<strong>in</strong><strong>der</strong>heim-Statistik (undatiert, 1950). In:<br />

BArch DR 2/1154.<br />

294 Zusammenstellung <strong>der</strong> Heime für K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Derartige Heime wurden nach unvollständigen<br />

Informationen e<strong>in</strong>gerichtet <strong>in</strong><br />

• Sachsen: Chemnitz, Dresden, Leipzig,<br />

• Görlitz, Königste<strong>in</strong>, Crimmitschau 295 ,<br />

• Brandenburg: Brandenburg/Havel,<br />

• Sachsen-Anhalt und Thür<strong>in</strong>gen (summarische<br />

Nennung). 296<br />

Die Aufnahme- und Beobachtungsheime<br />

wurden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Heimverordnung vom Juli<br />

1951 nicht erwähnt. Erst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Durchführungsbestimmung<br />

vom November 1951<br />

wurde ihre Aufgabe def<strong>in</strong>iert. Danach entschieden<br />

diese Heime auf Antrag <strong>der</strong> Kreisabteilungen<br />

Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong> über<br />

die Notwendigkeit <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> sowie<br />

Verlegungen und Entlassungen. Schwer<br />

erziehbare K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche waren<br />

damit e<strong>in</strong>em völlig <strong>in</strong>transparenten Verfahren<br />

ausgesetzt, auf das we<strong>der</strong> Eltern noch die<br />

örtliche Jugendhilfe E<strong>in</strong>fluss hatten. 297<br />

Vermutlich mit Abschaffung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> im<br />

Jahr 1952 wurden diese E<strong>in</strong>richtungen durch<br />

das zentrale Aufnahme- und Beobachtungsheim<br />

<strong>in</strong> Eilenburg ersetzt, das allerd<strong>in</strong>gs<br />

nach kurzer Zeit wie<strong>der</strong> geschlossen wurde,<br />

da die ihm zugedachten Aufgaben nicht erfüllen<br />

konnte. 298<br />

Parallel zu diesen Aufnahme- und Beobachtungsheimen<br />

existierten seit 1945<br />

Durchgangsheime mit unterschiedlichen<br />

Aufgabenspektren. E<strong>in</strong>erseits dienten sie <strong>der</strong><br />

Unterbr<strong>in</strong>gung entlaufener M<strong>in</strong><strong>der</strong>jähriger,<br />

Jugendliche <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> (undatiert, ca. Oktober 1950).<br />

In: BArch DR 2/386.<br />

295 M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung, Abteilung<br />

Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong>: Jahresbericht 1950 vom<br />

11. Januar 1951. In: BArch DR 2/1155.<br />

296 Arbeitsplan für die Abteilung Jugendhilfe/<br />

<strong>Heimerziehung</strong> im M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung <strong>der</strong><br />

<strong>DDR</strong> für das 2. Quartal 1951 (ohne Datum, Anfang<br />

1952). In: BArch DR 2/1155.<br />

297 Erste Durchführungsbestimmung zur<br />

Verordnung über <strong>Heimerziehung</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen vom 27. November 1951. In: BArch DR<br />

2/60997.<br />

298 Wildt, Michael: Zum System <strong>der</strong> Spezialheime<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>. In: Soziale Arbeit Nr. 4–5/2010,<br />

S. 184–195.<br />

an<strong>der</strong>erseits auch <strong>der</strong> sicheren Verwahrung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, denen krim<strong>in</strong>elle<br />

Handlungen vorgeworfen wurden,<br />

drittens aber auch <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung von<br />

jugendlichen Untersuchungshäftl<strong>in</strong>gen,<br />

viertens als Notunterkunft für M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige,<br />

die schnell aus den Familien herausgenommen<br />

werden mussten, und fünftens als<br />

Verwahrort, bis e<strong>in</strong> Heimplatz frei wurde.<br />

Im Januar 1948 beschloss die M<strong>in</strong>isterkonferenz<br />

<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sowjetischen<br />

Besatzungszone, e<strong>in</strong>heitliche Durchgangsheime<br />

e<strong>in</strong>zurichten. 299 Im Jahr 1950 wurden<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vermutlich nicht vollständigen<br />

Zusammenstellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> 18 Durchgangsheime<br />

mit 482 Plätzen gezählt. 300<br />

Ausstattung und Lebensbed<strong>in</strong>gungen waren<br />

nach Berichten von 1952 auch nach damaligen<br />

Bewertungsmaßstäben miserabel bis<br />

katastrophal. 301<br />

Wie alle an<strong>der</strong>en Heime wurden die<br />

Durchgangse<strong>in</strong>richtungen im Juli 1951 dem<br />

M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung unterstellt. 302<br />

E<strong>in</strong>e fehlende e<strong>in</strong>deutige Funktionsbestimmung<br />

<strong>der</strong> Durchgangsheime führte dazu,<br />

dass neben M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen, die aufgegriffen<br />

o<strong>der</strong> aus ihrer Familie aus akuten Gründen<br />

herausgenommen worden waren, auch<br />

verdächtige o<strong>der</strong> straffällige Jugendliche<br />

vonseiten <strong>der</strong> Polizei e<strong>in</strong>geliefert worden<br />

s<strong>in</strong>d. In e<strong>in</strong>er Reihe von Fällen wurden <strong>in</strong><br />

den Durchgangsheimen auch jugendliche<br />

Untersuchungshäftl<strong>in</strong>ge untergebracht.<br />

Die dadurch entstandene Mischung unterschiedlichster<br />

Fälle (z. B. von gewaltbereiten<br />

und traumatisierten M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen) war<br />

für die Erzieher im Regelfall nicht mehr<br />

299 M<strong>in</strong>isterkonferenz am 27. und 28. Jan. 1948.<br />

Beschlussprotokoll und Vorlagen, enthält: Errichtung<br />

von Durchgangsheimen – Bericht über K<strong>in</strong><strong>der</strong>dörfer.<br />

In: BArch DR 2/72.<br />

300 K<strong>in</strong><strong>der</strong>heim-Statistik (undatiert, 1950). In:<br />

BArch DR 2/1154.<br />

301 Reisebericht: Kontrolle <strong>der</strong> Durchgangsheime<br />

Halle, Wernigerode, Halberstadt, Magdeburg,<br />

Brandenburg, Potsdam vom 20. bis 22. Februar 1952.<br />

In: BArch DR 2/5565, S. 61.<br />

302 Verordnung über <strong>Heimerziehung</strong> von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen vom 26. Juli 1951. In: GBl.<br />

<strong>DDR</strong> I, S. 708.<br />

beherrschbar. Im Durchgangsheim <strong>in</strong> Karl-<br />

Marx-Stadt (heute Chemnitz) waren beispielsweise<br />

zusammen mit an<strong>der</strong>en M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen<br />

zwei Jugendliche untergebracht, die<br />

„wegen unzüchtiger Handlungen an K<strong>in</strong><strong>der</strong>n“<br />

angeklagt waren. 303 Etwa seit 1956 bemühte<br />

sich das Volksbildungsm<strong>in</strong>isterium darum,<br />

dass von <strong>der</strong> Polizei und Staatsanwaltschaft<br />

ke<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen e<strong>in</strong>geliefert wurden. 304<br />

Der Verständigungsprozess mit den an<strong>der</strong>en<br />

M<strong>in</strong>isterien zog sich bis etwa 1963 h<strong>in</strong>.<br />

Bereits 1956 wurde – ohne dass bisher e<strong>in</strong>schlägige<br />

Vorschriften gefunden worden s<strong>in</strong>d<br />

– über e<strong>in</strong>e Arbeitspflicht <strong>in</strong> den Durchgangsheimen<br />

berichtet. Jugendliche hatten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Landwirtschaft und Gärtnerei, Küche und<br />

Wäscherei <strong>der</strong>jenigen E<strong>in</strong>richtungen zu arbeiten,<br />

denen die Durchgangsheime angeschlossen<br />

waren. Das Berl<strong>in</strong>er Durchgangsheim <strong>in</strong><br />

Alt-Stralau ließ die Insassen <strong>in</strong> zwei örtlichen<br />

Fleischfabriken arbeiten. E<strong>in</strong> zweites<br />

Berl<strong>in</strong>er Durchgangsheim (Magaz<strong>in</strong>straße)<br />

beschäftigte Jugendliche bei <strong>der</strong> Trümmerbeseitigung,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft und mit Verladearbeiten.<br />

Die Entlohnung wurde für die<br />

„Bezahlung von Unterkunft und Verpflegung<br />

verwandt“. 305 Die Eltern hatten zum Aufenthalt<br />

<strong>in</strong> den Durchgangsheimen weitere 3,50<br />

Mark täglich beizusteuern. 306<br />

Seit Anfang des Jahres 1960 wurden Vorstellungen<br />

geäußert, die Durchgangsheime<br />

zu e<strong>in</strong>em System zusammenzufassen. 307<br />

303 Bericht über die Überprüfung von Jugendwerkhöfen,<br />

Jugendhäusern und Durchgangsheimen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit vom 2. bis 10. Oktober 1956. In: BArch DR<br />

2/5568, S. 16.<br />

304 M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung, Abteilung<br />

Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong>: Rundschreiben Nr.<br />

6/1956 vom 24. April 1956 die Durchgangsheime<br />

betreffend (Schluss mit <strong>der</strong> Schlu<strong>der</strong>ei). In: BArch DR<br />

2/60998.<br />

305 Bericht über die Überprüfung von Jugendwerkhöfen,<br />

Jugendhäusern und Durchgangsheimen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit vom 2. bis 10. Oktober 1956. In: BArch DR<br />

2/5568, S. 16.<br />

306 Anordnung über die Kostenregelung bei<br />

Unter br<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> staatlichen E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong> vom 1. Juni 1958<br />

(Schreiben vom 4. Juli 1958). In: BArch DR 2/5576,<br />

S. 55.<br />

307 Auswertung <strong>der</strong> Besprechung mit Leitern von<br />

202 203

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