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Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

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Erziehungsvorstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

Zeit gefunden worden. In <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> arbeiteten<br />

1987 252 Referate Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong>,<br />

<strong>in</strong> denen neben weiterem Personal 1.284<br />

Jugendfürsorger tätig waren. 135 E<strong>in</strong> Jugendfürsorger<br />

war durchschnittlich für 3.000<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige zuständig. Nach e<strong>in</strong>er Kontrolle<br />

<strong>der</strong> Arbeiter-und-Bauern-Inspektion im September<br />

1989 wurde berichtet, dass <strong>in</strong> 150 <strong>der</strong><br />

220 visitierten Kreisreferate unzureichende<br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen herrschten. Es fehlte an<br />

Schreibkräften, Telefonanschlüssen, Fahrzeugen,<br />

Schreibmasch<strong>in</strong>en und Stahlschränken<br />

zur Aufbewahrung vertraulicher Dokumente.<br />

Durch die Bevölkerungsentwicklung <strong>in</strong> den<br />

letzten zehn Jahren, <strong>der</strong> die Planstellen für Jugendfürsorger<br />

nicht angepasst worden waren,<br />

entstanden darüber h<strong>in</strong>aus regional große Disproportionen<br />

(z. B. <strong>in</strong> den Neubaugebieten). 136<br />

2.2.3 Das M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung<br />

Die Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong> bildete<br />

<strong>in</strong>nerhalb des M<strong>in</strong>isteriums für Volksbildung<br />

e<strong>in</strong>e eigene Verwaltungse<strong>in</strong>heit (mit wechselnden<br />

Bezeichnungen: Abteilung, Hauptabteilung),<br />

die wie<strong>der</strong>um formal <strong>in</strong> zwei<br />

untere Verwaltungse<strong>in</strong>heiten (Bezeichnung<br />

überwiegend: Sektor) für Jugendhilfe und<br />

<strong>Heimerziehung</strong> unterteilt waren. Die politische<br />

Verantwortung für die Jugendhilfe/<br />

<strong>Heimerziehung</strong> nahm e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Stellvertreter<br />

des Volksbildungsm<strong>in</strong>isters wahr. Die<br />

Funktion war <strong>in</strong> etwa mit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>es heutigen<br />

Staatssekretärs vergleichbar. Die laufenden<br />

Amtsgeschäfte oblagen dem Leiter <strong>der</strong><br />

Abteilung Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong> bzw.<br />

den Leitern <strong>der</strong> Sektoren Jugendhilfe und<br />

<strong>Heimerziehung</strong>.<br />

Der Abteilung Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong><br />

im M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung oblag die<br />

Kontrolle und Anleitung <strong>der</strong> Bezirksorgane<br />

sowie die Formulierung <strong>der</strong> Grundsätze<br />

<strong>der</strong> Jugendhilfepolitik. Ihr unterstanden<br />

135 73. Sitzung des M<strong>in</strong>isterrates am 8. September<br />

1988. Informationen über die Entwicklung <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>. In: BArch DC 20-I/3/2697.<br />

136 Information Nr. 35/89 des Komitees <strong>der</strong><br />

Arbeiter-und-Bauern-Inspektion zur Arbeitsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Referate Jugendhilfe bei den örtlichen Räten vom<br />

5. Oktober 1989. In: DC 20/11298.<br />

direkt <strong>der</strong> Jugendwerkhof Torgau und das<br />

Aufnahmeheim Eilenburg, die zentralen<br />

Ausbildungse<strong>in</strong>richtungen, das Komb<strong>in</strong>at<br />

<strong>der</strong> Son<strong>der</strong>heime sowie die Zentralstelle für<br />

Heime<strong>in</strong>weisungen. 137<br />

137 Leiter <strong>der</strong> Abteilung Jugendhilfe/<br />

<strong>Heimerziehung</strong> war spätestens seit März<br />

1953 Eberhard Mannschatz. Ab 1955 war er<br />

stellvertreten<strong>der</strong> Heimleiter im Jugendwerkhof<br />

Römhild. Dort begleitete o<strong>der</strong> leitete er e<strong>in</strong><br />

mehrjähriges pädagogisches Experiment, <strong>in</strong><br />

dem Methoden <strong>der</strong> Kollektiverziehung nach<br />

Makarenko unter praktischen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>es Jugendwerkhofes getestet werden sollten<br />

(Pädagogisches Experiment im Jugendwerkhof<br />

„Rudolf Harbig“ <strong>in</strong> Römhild (1954). In: BArch DR<br />

2/5568, S. 32 ff.). Später kehrte er <strong>in</strong> das M<strong>in</strong>isterium<br />

für Volksbildung zurück und plante im März 1960<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Funktion des Leiters des Sektors Jugendhilfe<br />

im M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung die E<strong>in</strong>richtung<br />

von 2.300 neuen Plätzen <strong>in</strong> Jugendwerkhöfen im<br />

Raum Cottbus. (Mitteilung des Sektors Jugendhilfe<br />

vom 19. März 1960 an Staatssekretär Lorenz die<br />

Schaffung von 2.300 zusätzlichen Jugendwerkhof-<br />

Plätzen im Raum Cottbus betreffend. In: BArch DR<br />

2/5850). Mannschatz war fe<strong>der</strong>führend beteiligt an<br />

<strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> Industrie-Jugendwerkhöfe und <strong>der</strong><br />

Entwicklung des Systems <strong>der</strong> Spezialheime 1965 sowie<br />

Repressionen gegen die Jugendmusikkulturen 1967<br />

(M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung: Dienstbesprechung<br />

am 31. Januar 1967, TOP 3: Maßnahmen auf<br />

dem Gebiet <strong>der</strong> Volksbildung zur Bekämpfung<br />

<strong>der</strong> Jugendkrim<strong>in</strong>alität – Autoren: Mannschatz,<br />

Haubenschild, Funke. In: BArch DR 2/7905) Im<br />

Oktober 1969 wurde Mannschatz als Leiter <strong>der</strong><br />

Abteilung Jugendhilfe und Son<strong>der</strong>schulwesen berufen.<br />

(M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung: Dienstbesprechung<br />

am 14. Oktober 1969, TOP 1: Die Verbesserung <strong>der</strong><br />

materiellen Ausstattung <strong>der</strong> Heime <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />

und des Son<strong>der</strong>schulwesens sowie <strong>der</strong> materiellen<br />

Fürsorge <strong>der</strong> <strong>in</strong> diesen E<strong>in</strong>richtungen betreuten<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen. In: BArch DR 2/7988). Im Januar<br />

1971 verteidigte er die Praxis von Polizei und<br />

Staatsanwaltschaft, Ermittlungen gegen Jugendliche<br />

nicht aufzunehmen, wenn sie <strong>in</strong> Jugendwerkhöfe<br />

e<strong>in</strong>gewiesen wurden. Auf diese Weise s<strong>in</strong>d Straftäter<br />

<strong>in</strong> Jugendwerkhöfe e<strong>in</strong>gewiesen worden (vgl.<br />

Briefwechsel Mannschatz mit dem Rat des Bezirkes<br />

Erfurt im Januar 1970. In: BArch DR 2/511279).<br />

Als Stellvertreter des Volksbildungsm<strong>in</strong>isters<br />

für den Bereich Jugendhilfe fungierte seit 1961<br />

Karl Dietzel, e<strong>in</strong> Neulehrer, <strong>der</strong> von 1955 bis<br />

1958 an <strong>der</strong> Pädagogischen Hochschule studiert<br />

hatte (Personalakte Karl Dietzel, geb. 29.02.1928.<br />

Wichtig für die Beurteilung <strong>der</strong> Lebenssituation<br />

<strong>der</strong> Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong> ist <strong>der</strong> Umstand,<br />

dass durch die strukturelle Anb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtungen die Intensität staatlichen<br />

E<strong>in</strong>flusses und die <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Erziehung<br />

ausgedrückt ist. Während die Verwaltung<br />

und Belegung von Normalheimen den Räten<br />

<strong>der</strong> Kreise überlassen war, waren seit 1965<br />

alle E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Umerziehung den<br />

Räten <strong>der</strong> Bezirke bzw. dem M<strong>in</strong>isterium<br />

für Volksbildung direkt unterstellt. Dadurch<br />

behielt sich das M<strong>in</strong>isterium den unmittelbaren<br />

E<strong>in</strong>fluss auf die E<strong>in</strong>weisungen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

für schwer erziehbare K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Stellvertreter des M<strong>in</strong>. für Volksbildung für den<br />

Bereich Ökonomie und Jugendhilfe. In: BArch<br />

DC 20/8041). Dietzel hatte im April 1967 die<br />

Weiterführung des Arbeits- und Erziehungslagers<br />

Rü<strong>der</strong>sdorf befürwortet, obwohl es <strong>der</strong> Generalstaatsanwalt<br />

<strong>der</strong> <strong>DDR</strong> für illegal erklärt hatte<br />

(Antwort Dietzels an den Generalstaatsanwalt<br />

<strong>der</strong> <strong>DDR</strong> vom 19. April 1967 zu den rechtlichen<br />

Aspekten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>weisung nach Rü<strong>der</strong>sdorf. In: BArch<br />

DR 2/51127). Seit Dezember 1970 bis 1989 war<br />

Werner Engst als stellvertreten<strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister für die<br />

Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong> zuständig. Engst war<br />

langjähriger Funktionär <strong>der</strong> Pionierorganisation und<br />

von Beruf Unterstufenlehrer (Umlaufprotokoll des<br />

Sekretariats des ZK <strong>der</strong> SED vom 21. Dezember 1970.<br />

In: BArch DY 30/ J IV 2/3/1700 und Barth/L<strong>in</strong>ks,<br />

1994, S. 189). Er war auch zuständig für die Betreuung<br />

ausländischer K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> Heimen <strong>der</strong> Jugendhilfe zur<br />

Unterstützung von Befreiungsbewegungen (Timm,<br />

2007, S. 20 und 177. Sitzung des M<strong>in</strong>isterrates<br />

vom 9. Mai 1985. In: BArch DC 20-I/4/5598).<br />

Noch nicht geklärt ist <strong>der</strong> Verantwortungsbereich<br />

des Staatssekretärs Werner Lorenz, <strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Eigenschaft als stellvertreten<strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister ebenfalls<br />

seit spätestens 1960 an wesentlichen Entscheidungen<br />

über die Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong> beteiligt<br />

war (Mitteilung des Sektors Jugendhilfe vom 19.<br />

März 1960 an Staatssekretär Lorenz die Schaffung<br />

von 2.300 zusätzlichen Jugendwerkhof-Plätzen<br />

im Raum Cottbus betreffend. In: BArch DR<br />

2/5850). Lorenz wurde im Februar 1966 durch den<br />

Generalstaatsanwalt <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> über e<strong>in</strong>e Reihe von<br />

Tötungen, Misshandlungen und Körperverletzungen<br />

<strong>in</strong> Heimen <strong>der</strong> Jugendhilfe <strong>in</strong>formiert und reagierte<br />

nicht darauf (Brief des stellvertretenden M<strong>in</strong>isters<br />

für Volksbildung, Lorenz, an den Generalstaatsanwalt<br />

<strong>der</strong> <strong>DDR</strong>, Streit, vom 6. Februar 1966 wegen Fällen<br />

von Tötung, Misshandlung und Körperverletzung<br />

Abhängiger. In: BArch DR 2/51127).<br />

Jugendliche vor.<br />

Dieser zentrale E<strong>in</strong>fluss setzt 1952 nach<br />

Auflösung <strong>der</strong> Aufnahme- und Beobachtungsheime<br />

<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> e<strong>in</strong>. Zunächst traf e<strong>in</strong><br />

zentrales Beobachtungsheim <strong>in</strong> Eilenburg die<br />

letztgültige Entscheidung über den Typ des<br />

Heimes, <strong>in</strong> das M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige e<strong>in</strong>zuweisen<br />

waren.<br />

Seit 1956 hatte die „Zentralstelle für Amtsund<br />

Rechtshilfeverkehr für M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige<br />

mit dem Ausland und für Heime<strong>in</strong>weisungen“<br />

diese Aufgabe. 138<br />

Im Jahr 1960 übernahm die Zentralstelle<br />

für Jugendhilfe diese Funktion. 139<br />

Seit September 1964 existierte e<strong>in</strong>e Zentralstelle<br />

für Spezialheime beim MfV, die die<br />

E<strong>in</strong>weisungen <strong>in</strong> Spezialheime beschloss. Ihr<br />

war das Aufnahmeheim <strong>in</strong> Eilenburg zugeordnet,<br />

das ursprünglich sämtliche E<strong>in</strong>weisungen<br />

<strong>in</strong> Spezialheime vornehmen sollte,<br />

jedoch später nur noch sogenannte „Zweifelsfälle“<br />

zu untersuchen hatte. Die Zentralstelle<br />

nahm auch die E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> den Geschlossenen<br />

Jugendwerkhof Torgau vor.<br />

Seit 1965 waren die Zentralstelle, <strong>der</strong> Geschlossene<br />

Jugendwerkhof und das Aufnahmeheim<br />

dem M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung<br />

direkt unterstellt.<br />

Ebenfalls dem M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung<br />

direkt unterstellt war seit 1965 das<br />

Komb<strong>in</strong>at <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>heime für Psychodiagnostik<br />

und pädagogisch-psychologische<br />

Therapie. Allerd<strong>in</strong>gs wird aus den bisherigen<br />

Recherchen die strukturelle Anb<strong>in</strong>dung nicht<br />

deutlich.<br />

E<strong>in</strong>e Steuerung <strong>der</strong> Jugendhilfeausschüsse<br />

durch das Volksbildungsm<strong>in</strong>isterium lässt<br />

sich ebenso über die strukturelle Anb<strong>in</strong>dung<br />

zeigen. Die zehn Mitglie<strong>der</strong> des Zentralen<br />

Jugendhilfeausschusses berief <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister<br />

für Volksbildung jeweils für zwei Jahre. Als<br />

Leiter des Ausschusses fungierte <strong>der</strong> Leiter<br />

<strong>der</strong> Abteilung Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong><br />

des M<strong>in</strong>isteriums für Volksbildung (§ 31<br />

JHVO). Der Zentrale Jugendhilfeausschuss<br />

138 Anordnung vom 11. Dezember 1956 über die<br />

Durchführung <strong>der</strong> Aufgaben <strong>in</strong> den Jugendwerkhöfen.<br />

In: GBl. <strong>DDR</strong> I, 1956, S. 1336 (Entwurf <strong>in</strong> BArch DR<br />

2/5335).<br />

139 Angelegenheit F. vom 15. November 1960. In:<br />

BArch DR 2/60997.<br />

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