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Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

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Anhang<br />

<strong>in</strong> Brandenburg e<strong>in</strong>gerichtete „Öffentliche<br />

Jugendhilfe“ hatte die Aufgabe, „körperlich,<br />

seelisch o<strong>der</strong> sozial gefährdeten, geschädigten<br />

o<strong>der</strong> fehlentwickelten M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen<br />

dazu zu verhelfen, vollwertige Mitglie<strong>der</strong> des<br />

schaffenden Volkes zu werden“. Heimtypen<br />

o<strong>der</strong> Methoden <strong>der</strong> Erziehung wurden nicht<br />

genannt. E<strong>in</strong>e Heime<strong>in</strong>weisung konnte <strong>in</strong><br />

Übere<strong>in</strong>stimmung mit dem RJWG auf <strong>der</strong><br />

Grundlage e<strong>in</strong>er freiwilligen Vere<strong>in</strong>barung<br />

mit den Eltern o<strong>der</strong> durch Beschluss <strong>der</strong><br />

Familiengerichte erfolgen. 610<br />

E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Trend auf Län<strong>der</strong>ebene wird<br />

an e<strong>in</strong>em Gesetz aus Sachsen vom November<br />

1947 deutlich, welches das Jugendgerichtsgesetz<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Fassung vom November 1943<br />

ersetzte (o<strong>der</strong> ersetzen sollte). In diesem<br />

Gesetz (o<strong>der</strong> Entwurf) wurde die für die<br />

Jugendwerkhöfe bis 1968 typische Mischung<br />

von E<strong>in</strong>weisungen aufgrund von Straftaten<br />

o<strong>der</strong> zur Sicherung <strong>der</strong> „gesellschaftlichen<br />

Entwicklung“ von Jugendlichen angeordnet.<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige Straftäter sollten danach<br />

grundsätzlich <strong>der</strong> „öffentlichen Erziehung“<br />

überantwortet werden, die je nach Schwere<br />

des Deliktes von e<strong>in</strong>er Jugendorganisation,<br />

E<strong>in</strong>zelpersonen o<strong>der</strong> den Jugendämtern<br />

wahrgenommen wurde. Das Gesetz g<strong>in</strong>g an<br />

ke<strong>in</strong>er Stelle von e<strong>in</strong>er Unterstellung <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtungen o<strong>der</strong> Ämter unter die Volksbildung<br />

aus. In <strong>der</strong> Skala <strong>der</strong> „öffentlichen<br />

Erziehung“ konnte „gesellschaftliche Erziehung“<br />

<strong>der</strong> 1. Stufe (maximal drei Jahre) und<br />

2. Stufe (maximal 10 Jahre) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Heim<br />

angeordnet werden. Die Insassen sollten <strong>in</strong><br />

Wohn- und Erziehungsgruppen von maximal<br />

25 M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen e<strong>in</strong>e volle Berufsausbildung<br />

erhalten. Arbeit und Heimaufenthalt<br />

durften „auf ke<strong>in</strong>en Fall als Strafe <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung<br />

treten“. 611<br />

Gegen die Übertragung des Jugendstrafvollzuges<br />

auf die Jugendämter protestierte<br />

im Dezember 1948 <strong>der</strong> Präsident <strong>der</strong><br />

610 Verordnung <strong>der</strong> Prov<strong>in</strong>zialverwaltung <strong>der</strong><br />

Mark Brandenburg vom 29. Juli 1946 über Öffentliche<br />

Jugendhilfe. In: BArch DR 2/375.<br />

611 Entwurf des Landes Sachsen für e<strong>in</strong> neues<br />

Jugen<strong>der</strong>ziehungsrecht vom 20. November 1947. In:<br />

BArch DR 2/375.<br />

Zentralverwaltung für Volksbildung und<br />

spätere M<strong>in</strong>ister, Paul Wandel. 612 Sie hat sich<br />

aber – wie mehrere Berichte zeigen – bereits<br />

vor Erlass des Jugendgerichtsgesetzes 1952<br />

durchgesetzt. 613<br />

3. Von <strong>der</strong> Heimverordnung bis zur<br />

Schulreform (1951–1959)<br />

Im Jahr 1951 begann die Gestaltung des<br />

Systems <strong>der</strong> Jugendhilfe und <strong>Heimerziehung</strong>,<br />

das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Grundzügen bis zum Ende <strong>der</strong><br />

<strong>DDR</strong> erhalten blieb. Es ist deshalb s<strong>in</strong>nvoll,<br />

auf diese frühen, strukturbildenden Entscheidungen<br />

ausführlicher e<strong>in</strong>zugehen.<br />

Das Heimsystem <strong>der</strong> Jugendhilfe <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>DDR</strong> wurde am 26. Juli 1951 mit e<strong>in</strong>er<br />

kurzen Verordnung geschaffen. In se<strong>in</strong>er Präambel<br />

wurden nur politische Erziehungsziele<br />

aufgeführt: „Das Ziel aller Erziehungse<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>der</strong> Deutschen Demokratischen<br />

Republik ist die Erziehung <strong>der</strong> Jugend zu<br />

aktiven Erbauern e<strong>in</strong>es gee<strong>in</strong>ten demokratischen<br />

und friedliebenden Deutschland, zu<br />

Kämpfern für den Frieden und zu Freunden<br />

aller friedliebenden Völker mit <strong>der</strong> Sowjetunion<br />

an <strong>der</strong> Spitze.“ Bereits <strong>in</strong> dieser frühen<br />

Fassung war die Unterordnung <strong>der</strong> Individualerziehung<br />

unter die Kollektiverziehung<br />

vorgesehen: „Unter Beachtung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen<br />

Entwicklung wird die Erziehung<br />

zum Kollektiv die Erreichung dieses Zieles<br />

sichern.“ Verantwortlich für die Umsetzung<br />

<strong>der</strong> Erziehungsziele war unbeschadet <strong>der</strong><br />

Trägerschaft und Zweckbestimmung <strong>der</strong><br />

Heime das M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus oblag dem M<strong>in</strong>isterium die<br />

„Auswahl, Bestätigung und Verwendung <strong>der</strong><br />

Erzieherkräfte“. Die Errichtung von Heimen<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche war nun Privatpersonen<br />

untersagt. 614<br />

612 Brief von Paul Wandel an das Zentraljugendamt<br />

den Strafvollzug von Jugendlichen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kompetenz <strong>der</strong> Jugendämter vom 21. Dezember 1948.<br />

In: BArch DR 2/375.<br />

613 Magistrat von Berl<strong>in</strong>, Abt. Volksbildung:<br />

Anweisung Nr. 1/51 Jugendwerkhöfe <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>/<br />

Bericht über den Jugendwerkhof Werftpfuhl vom<br />

November 1951. In: LAB C Rep. 120, Nr. 348.<br />

614 Verordnung über <strong>Heimerziehung</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

Die Heimstruktur wurde im November 1951<br />

leicht modifiziert. Sie war so aufgebaut, dass<br />

sich die Zuordnung e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen<br />

zu e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Heimtypen durch drei Fragen<br />

klären ließ. Sie lauteten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong><br />

damaligen Zeit: Normal o<strong>der</strong> schwer erziehbar?<br />

Normal bildungsfähig o<strong>der</strong> bildungsfähig<br />

schwachs<strong>in</strong>nig? Zur Altersgruppe <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Jugendlichen gehörig? Diese<br />

Unterscheidungskriterien s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präambel<br />

<strong>der</strong> Verordnung festgehalten. Des Weiteren<br />

wurden die bereits 1950 ausgearbeiteten<br />

Richtl<strong>in</strong>ien für die Arbeit <strong>der</strong> Jugendwerkhöfe,<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>heime und Spezialheime (1950<br />

noch Son<strong>der</strong>heime genannt) <strong>in</strong> Kraft gesetzt.<br />

615 Die Differenzierung <strong>der</strong> Heime und<br />

ihre Neuzulassung wurden planwirtschaftlich<br />

durchgeführt. 616<br />

Im Dezember 1951 fand die 1. Zentrale<br />

Konferenz <strong>der</strong> Heimerzieher statt. Ihr<br />

wichtigstes Ergebnis, die Festlegung auf die<br />

Kollektiverziehung nach Makarenko, war bereits<br />

im Vorfeld geplant worden. 617 In diesem<br />

Zusammenhang wurden die vier <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

existierenden K<strong>in</strong><strong>der</strong>dörfer (Kyritz/Mark<br />

Brandenburg; Alt Rehse/Mecklenburg; Wilhelmsthal/Thür<strong>in</strong>gen<br />

und Seega/Thür<strong>in</strong>gen)<br />

unter Aufsicht des Deutschen Pädagogischen<br />

Zentral<strong>in</strong>stitutes von Familien- auf Gruppenerziehung<br />

umgestellt. Alle Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong>heime<br />

und Jugendwerkhöfe <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />

wurden unter dem Slogan „Demokratisierung<br />

des Erziehungswesens“ kontrolliert. Zudem<br />

war geplant, K<strong>in</strong><strong>der</strong>erholungsheime <strong>in</strong> Erziehungsheime<br />

umzuwandeln. 618<br />

und Jugendlichen vom 26. Juli 1951. In: GBl. <strong>DDR</strong> I,<br />

S. 708.<br />

615 M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung, Abteilung<br />

Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong>: Jahresbericht 1950 vom<br />

11. Januar 1951. In: BArch DR 2/1155.<br />

616 Arbeitsplan für die Abteilung Jugendhilfe/<br />

<strong>Heimerziehung</strong> im M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung <strong>der</strong><br />

<strong>DDR</strong> für das 1. Quartal 1952 vom 24. November 1951.<br />

In: BArch DR 2/1155, S. 1.<br />

617 Arbeitsplan <strong>der</strong> Abteilung Jugendhilfe/<br />

<strong>Heimerziehung</strong> im M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung für<br />

das 4. Quartal 1951 vom 5. Oktober 1951. In: BArch<br />

DR 2/1155.<br />

618 Arbeitsplan für die Abteilung Jugendhilfe/<br />

<strong>Heimerziehung</strong> im M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung <strong>der</strong><br />

Im Februar 1952 for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> damalige Leiter<br />

<strong>der</strong> Abteilung Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong>,<br />

Eberhard Mannschatz, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Hausmitteilung<br />

an den M<strong>in</strong>ister für Volksbildung e<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong>heitlichen Plan für die Erziehungsarbeit <strong>in</strong><br />

allen Heimen <strong>der</strong> Deutschen Demokratischen<br />

Republik. 619 Die entsprechende Anweisung<br />

erschien wenige Tage später. Sie verpflichtete<br />

alle Heime <strong>der</strong> Jugendhilfe zu detaillierten<br />

Jahres-, Monats- und Tagesplänen, nach<br />

denen neben den technischen Abläufen auch<br />

Themen <strong>der</strong> politischen Propaganda abgearbeitet<br />

werden mussten. 620<br />

Nachdem die Umstrukturierung <strong>der</strong><br />

Heime abgeschlossen war, wurde die Praxis<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Heimtypen vere<strong>in</strong>heitlicht.<br />

Neben <strong>der</strong> Umstellung <strong>der</strong> Jugendwerkhöfe<br />

auf Kollektiverziehung sollte die<br />

teilweise sehr breit angelegte handwerkliche<br />

Ausbildung <strong>der</strong> Insassen auf e<strong>in</strong>e Kurzausbildung<br />

reduziert werden. Nach bisherigen<br />

Erkenntnissen betraf das m<strong>in</strong>destens die<br />

Jugendwerkhöfe Stolpe, Bräunsdorf und<br />

Waldsieversdorf. Die dort vorhandenen<br />

Lehrwerkstätten sollten geschlossen werden.<br />

Ihre Aufgabe sollten volkseigene Betriebe<br />

übernehmen. Die entsprechende Planung<br />

sah vor, Jugendliche <strong>in</strong> „Massenberufen“<br />

auszubilden, vermutlich um sie schneller <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Industrie e<strong>in</strong>setzen zu können, wie es ab<br />

Anfang <strong>der</strong> 1960er-Jahre generell praktiziert<br />

wurde. 621 Die Verordnung über die Arbeit <strong>der</strong><br />

Jugendwerkhöfe vom Juli 1952 sah dementsprechend<br />

im Jugendwerkhof nur noch<br />

Werkstätten vor, die mit Produktionsaufträgen<br />

versehen werden konnten.<br />

<strong>DDR</strong> für das 2. Quartal 1951 (ohne Datum, Anfang<br />

1952. In: BArch DR 2/1155.<br />

619 Zusätzliche Aufgaben für die Abteilung<br />

Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong>, die sich aus <strong>der</strong><br />

Entschließung <strong>der</strong> 7. Tagung des ZK <strong>der</strong> SED ergeben<br />

vom 12. Februar 1952. In: BArch DR 2/1155.<br />

620 Anweisung über die e<strong>in</strong>heitliche Planung <strong>der</strong><br />

Erziehungsarbeit <strong>in</strong> allen Heimen vom 16. Februar<br />

1952. In: Erziehung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten und Heim,<br />

Nr. 3/1952, Beilage (Orig<strong>in</strong>al <strong>in</strong>: BArch DR 2/1178).<br />

621 Arbeitsplan für die Abteilung Jugendhilfe/<br />

<strong>Heimerziehung</strong> im M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung <strong>der</strong><br />

<strong>DDR</strong> für das 3. Quartal 1952 vom 4. Juli 1952. In:<br />

BArch DR 2/1155.<br />

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