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Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

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Rechtsfragen <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

verwirklichen konnten.<br />

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die<br />

Grundsätze, nach denen die <strong>Heimerziehung</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> bewertet werden kann, an<strong>der</strong>s<br />

hergeleitet werden müssen und auf an<strong>der</strong>en<br />

Rechtsquellen beruhen als die Maßstäbe<br />

für die <strong>Heimerziehung</strong> <strong>in</strong> den westdeutschen<br />

Län<strong>der</strong>n. Im Ergebnis aber läuft es<br />

auf vergleichbare Kriterien h<strong>in</strong>aus, wie auch<br />

die Missstände, die von ehemaligen Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> Ost und West berichtet werden,<br />

erstaunliche Parallelen aufweisen. Die<br />

geme<strong>in</strong>same Wurzel dieses Übels zu suchen,<br />

muss weiteren Forschungsarbeiten vorbehalten<br />

bleiben.<br />

6.2.2 Schlussfolgerungen für das<br />

Verhältnis des Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong>fonds zur<br />

Rehabilitierung<br />

Die vorstehenden Überlegungen zeigen, dass<br />

die <strong>Aufarbeitung</strong> <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> durch<br />

den Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong>fonds von <strong>der</strong> Rehabilitierung<br />

nach den SED-Unrechtsbere<strong>in</strong>igungsgesetzen<br />

nicht klar abgegrenzt werden kann.<br />

Es sche<strong>in</strong>t zweifelhaft, dass sich zwei klare<br />

Kategorien des Unrechts unterscheiden<br />

lassen: e<strong>in</strong>es, das als <strong>DDR</strong>-spezifisch rehabilitiert<br />

werden kann, und e<strong>in</strong>es, das als systemübergreifend<br />

über den <strong>Fonds</strong> aufgearbeitet<br />

wird. Das Unrecht, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

geschehen ist, zieht se<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Schärfe<br />

gerade daraus, dass es unter dem Grundgesetz<br />

geschehen ist, dass also e<strong>in</strong>e Rechtsordnung,<br />

die den Anspruch hatte, rechtsstaatlich zu<br />

se<strong>in</strong>, vor ihrem eigenen Anspruch gescheitert<br />

ist. Demgegenüber haben die Rechtsverletzungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em System stattgefunden,<br />

das zwar für sich beanspruchte,<br />

beson<strong>der</strong>s menschlich zu se<strong>in</strong>, aber niemals<br />

behauptete, dies garantiere es durch e<strong>in</strong><br />

rechtsstaatliches System im „westlichen“<br />

S<strong>in</strong>ne. Die E<strong>in</strong>bettung <strong>der</strong> verantwortlichen<br />

Menschen und Institutionen ist daher nicht<br />

vergleichbar.<br />

Auch <strong>der</strong> Weg, auf <strong>der</strong> Auslegungsebene<br />

nach klareren Abgrenzungen zu suchen,<br />

sche<strong>in</strong>t nicht s<strong>in</strong>nvoll, weil sich ke<strong>in</strong><br />

klares Kriterium f<strong>in</strong>det, mit dem sich <strong>der</strong><br />

Anwendungsbereich des StrRehaG umreißen<br />

lässt. Das StrRehaG rehabilitiert beispielsweise<br />

nicht nur Maßnahmen, die nach <strong>DDR</strong>-<br />

Recht legal waren, son<strong>der</strong>n auch solche, die<br />

schon gegen das geltende Recht <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

verstießen – die Perspektive des <strong>DDR</strong>-Rechts<br />

ist für die Rehabilitation ohne Bedeutung.<br />

Es schafft also ke<strong>in</strong>e Klarheit, wenn man<br />

den Anwendungsbereich des <strong>Fonds</strong> auf Maßnahmen<br />

begrenzt, die das Recht <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

verletzten, etwa auf menschenunwürdige Behandlungen<br />

<strong>in</strong> den Heimen. Ebenso erfolglos<br />

muss es bleiben, die Anwendung des StrRehaG<br />

auf die Anordnungsgründe für die <strong>Heimerziehung</strong><br />

zu begrenzen, weil jedenfalls auf<br />

<strong>der</strong> Ebene des „groben Missverhältnisses“ die<br />

Unterbr<strong>in</strong>gungsbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Rolle spielen. Es bleibt daher wohl nach dem<br />

<strong>der</strong>zeitigen Stand <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge nichts an<strong>der</strong>es<br />

übrig, mit dem Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> von <strong>Fonds</strong><br />

und StrRehaG pragmatisch umzugehen. Der<br />

<strong>Fonds</strong> ist dann e<strong>in</strong>e ergänzende Möglichkeit,<br />

Folgeschäden bei ehemaligen Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

auszugleichen, <strong>der</strong>en Heimaufenthalt nicht<br />

rehabilitiert werden kann, <strong>der</strong> aber trotzdem<br />

schädigende Folgen verursacht hat. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

muss darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, dass<br />

mit e<strong>in</strong>er solchen Öffnung des <strong>Fonds</strong> für die<br />

Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong> aus <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> die erwünschte<br />

Gleichbehandlung <strong>der</strong> ehemaligen Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> Ost und West nicht erreicht wird, weil die<br />

ehemaligen Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong> aus <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> nach<br />

wie vor den zusätzlichen Weg <strong>der</strong> Rehabilitation<br />

gehen können. Angesichts dieser komplexen<br />

Situation angemessene Lösungen zu<br />

f<strong>in</strong>den, die ke<strong>in</strong>e Gruppe von Betroffenen gegenüber<br />

an<strong>der</strong>en ungerechtfertigt benachteiligt,<br />

bleibt e<strong>in</strong>e Aufgabe für den politischen<br />

<strong>Aufarbeitung</strong>sprozess, für den die Beteiligung<br />

<strong>der</strong> ehemaligen Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong> zentrale<br />

Bedeutung haben dürfte.<br />

7. Schlussfolgerungen und<br />

Ausblick<br />

Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt,<br />

dass die Rechtslage <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>DDR</strong> und auch die Praxis, soweit sie<br />

hier berücksichtigt werden konnte, <strong>in</strong> vieler<br />

H<strong>in</strong>sicht mit allgeme<strong>in</strong>en menschenrechtlichen<br />

und rechtsstaatlichen Pr<strong>in</strong>zipien nicht<br />

vere<strong>in</strong>bar waren. Dieser Umstand sollte zunächst<br />

e<strong>in</strong>mal anerkannt werden. Die Rechtsprechung<br />

zu den Rehabilitationsgesetzen<br />

hat die Tendenz, Praktiken, die nicht <strong>in</strong> den<br />

Anwendungsbereich dieser Gesetze fallen, als<br />

sachgerecht, möglicherweise sogar erzieherisch<br />

geboten, darzustellen. Nach se<strong>in</strong>er<br />

eigenen Intention erfasst das StrRehaG aber<br />

gerade nicht jede Verletzung des Rechtsstaatspr<strong>in</strong>zips,<br />

son<strong>der</strong>n beschränkt sich auf<br />

bestimmte, beson<strong>der</strong>s gravierende Umstände.<br />

Auch außerhalb des StrRehaG s<strong>in</strong>d<br />

daher rechtsstaatswidrige Zustände denkbar.<br />

Möglicherweise bietet das Verfahren rund<br />

um den Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong>fonds die Möglichkeit,<br />

genau dies e<strong>in</strong>mal klarzustellen und damit<br />

<strong>der</strong> ganzen Bandbreite <strong>der</strong> Lei<strong>der</strong>fahrungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> gerecht zu werden.<br />

Diese Erkenntnis entb<strong>in</strong>det die Rechtsprechung<br />

und Rechtswissenschaft jedoch<br />

nicht von <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung, sich gründlicher<br />

mit <strong>der</strong> Auslegung und Anwendung <strong>der</strong><br />

Rehabilitationsgesetze zu befassen und<br />

dabei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch die neueren Forschungserkenntnisse<br />

zu berücksichtigen.<br />

Hier besteht e<strong>in</strong> Bedarf zum e<strong>in</strong>en nach<br />

weiterer rechtsdogmatischer Forschung, zum<br />

an<strong>der</strong>en nach e<strong>in</strong>er angemessenen Fortbildung<br />

<strong>der</strong> Richter<strong>in</strong>nen und Richter an den<br />

Rehabilitationsgerichten.<br />

Im Übrigen kann nur darauf verwiesen<br />

werden, dass dieses Gutachten trotz se<strong>in</strong>es<br />

Umfangs viele Themen und Probleme nur<br />

anreißen konnte. Weitere Forschungen alle<strong>in</strong><br />

auf juristischem Gebiet müssten sich auf<br />

vielen Ebenen bewegen: Zum e<strong>in</strong>en müssten<br />

die vorhandenen E<strong>in</strong>gaben und Prüfberichte<br />

zur <strong>Heimerziehung</strong> e<strong>in</strong>mal unter juristischen<br />

Gesichtspunkten ausgewertet werden, um<br />

e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> den praktischen Umgang<br />

mit rechtlichen Fragen zu bekommen. Des<br />

Weiteren konnten die untergesetzlichen<br />

Rechtsvorschriften für dieses Gutachten<br />

nur unvollständig recherchiert werden; auch<br />

hier wären ergänzende Arbeiten s<strong>in</strong>nvoll.<br />

Kaum Informationen gibt es bisher über die<br />

Zustände <strong>in</strong> den Normal- und Hilfsschülerheimen<br />

sowie <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen für Säugl<strong>in</strong>ge,<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong> und K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen,<br />

die den Organen des Gesundheitswesens<br />

unterstanden. Fast ganz im Dunkeln<br />

liegt <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong> Gesundheitsversorgung,<br />

<strong>der</strong> Medikamentengabe und des Umgangs<br />

mit Schwangerschaften. Auch die beson<strong>der</strong>e<br />

Situation von Mädchen und Frauen <strong>in</strong> den<br />

Heimen wurde bislang zu wenig beleuchtet.<br />

Es bleibt zu hoffen, dass diese Fragen e<strong>in</strong>mal<br />

gründlicher untersucht werden, als es hier<br />

geschehen konnte.<br />

Gött<strong>in</strong>gen, 3.1.2012<br />

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