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Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

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Rechtsfragen <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

etliche Vorschriften über die Ausbildung<br />

und Qualifikation von Heimerziehern erließ,<br />

konnte diesem Dauermissstand bis 1989<br />

nicht abgeholfen werden. 345 Verantwortlich<br />

für die Personalsituation <strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>heimen<br />

war das M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung.<br />

Dies gilt auch für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>heime <strong>in</strong> privater<br />

Trägerschaft. 346 Für die Säugl<strong>in</strong>gs- und Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong>heime<br />

war die Zuständigkeit geteilt:<br />

nicht den schul- und sozialpolitischen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

entsprechen.“ Vgl. auch Sachse 2010, 78 ff.; Bülow<br />

1961, 422; siehe dazu Zimmermann 2004, 360 ff.,<br />

jeweils m. w. N.<br />

345 Siehe z. B. SMAD-Befehl Nr. 225 (1946), Ziff.<br />

5c (sechsmonatige Kurse für Heimerzieher; Verordnung<br />

über die Pflichten und Rechte <strong>der</strong> Lehrkräfte und<br />

Erzieher); Beschluss des Kollegiums des M<strong>in</strong>isteriums<br />

für Volksbildung: Über die Arbeit <strong>der</strong> Jugendhilfe <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Deutschen Demokratischen Republik, <strong>in</strong>: Neue<br />

Erziehung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten und Heim 7 (1945), Heft<br />

5, Beilage, 1 (Schaffung des Berufsbildes des Sozialpädagogen<br />

und Qualifizierung <strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>in</strong><br />

den Heimen); Erste Durchführungsbestimmung zur<br />

Verordnung über die Vergütung <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> Lehrkräfte<br />

an allgeme<strong>in</strong>bildenden Schulen v. 19.12.1952<br />

(ohne Quellenangabe erwähnt bei He<strong>in</strong> 1954, 22),<br />

Anordnung über den organisatorischen Aufbau <strong>der</strong><br />

Schulen an Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong>heimen v. v. 13.6.1953 (ohne<br />

Quellenangabe erwähnt bei He<strong>in</strong> 1954, 23); Arbeitsordnung<br />

für pädagogische Kräfte <strong>der</strong> Volksbildung v.<br />

22.9.1962, GBl. 1962, 675; §§ 2, 4 Abs. 2 <strong>der</strong> Anordnung<br />

über die Ausbildung von Lehrern, Erziehern und<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärtner<strong>in</strong>nen für Son<strong>der</strong>schulen v. 15.7.1958,<br />

GBl. 1958, 190 (spezielle Zusatzausbildung für Lehrer<br />

und Erzieher <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>heimen und Jugendwerkhöfen);<br />

Anordnung über die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es Studiums <strong>der</strong><br />

pädagogischen Psychologie an <strong>der</strong> Karl-Marx-Universität<br />

Leipzig v. 1.8.1964, GBl. 1964, 104. mit Ergänzung<br />

v. 15.8.1967, GBl. 1967, 647; Verordnung über die<br />

Pflichten und Rechte <strong>der</strong> Lehrkräfte und Erzieher <strong>der</strong><br />

Volksbildung und Berufsbildung – Arbeitsordnung für<br />

pädagogische Kräfte v. 29.11.1979, GBl. 1979, 444.;<br />

Mitteilung über die Gew<strong>in</strong>nung von Werktätigen<br />

als Erzieher <strong>in</strong> den Jugendwerkhöfen vom 3.3.1982,<br />

BLHA Rep. 401 RdB Pdm Nr. 24498; Anweisung Nr.<br />

9/88 zur Ausbildung von Diplompädagogen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Spezialisierungsrichtung Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong><br />

vom 8. August 1988. In: BLHA Rep. 401 RdB Pdm Nr.<br />

24496. Zur Ausbildung <strong>der</strong> Jugendfürsorger <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>DDR</strong> siehe auch den Überblick bei Bernhard & Kuhn<br />

1998, 25 ff.<br />

346 Richtl<strong>in</strong>ien für K<strong>in</strong><strong>der</strong>heime (1946), Ziff. V,<br />

26.<br />

Die Auswahl, Fort- und Weiterbildung und<br />

die Besoldung des pädagogischen Personals<br />

oblag den Organen des Gesundheitswesens.<br />

Für die Anleitung und die Aufsicht über<br />

die pädagogische Arbeit war jedoch weiterh<strong>in</strong><br />

das M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung<br />

zuständig. 347<br />

5.3.3 Schule und Arbeit<br />

Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

hatten e<strong>in</strong> Recht auf Bildung und e<strong>in</strong> Recht<br />

auf Arbeit. In den Heimen sollte beides<br />

gewährleistet werden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis kollidierten<br />

diese Ansprüche jedoch nicht selten<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

Die Schulbildung <strong>der</strong> Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong> sollte<br />

sich von <strong>der</strong> außerhalb <strong>der</strong> Heime nicht<br />

unterscheiden, d. h. es gab e<strong>in</strong>en Anspruch<br />

auf e<strong>in</strong>e acht- bzw. nach 1959 auf e<strong>in</strong>e zehnklassige<br />

Schullaufbahn. 348 Der Schulbesuch<br />

konnte <strong>in</strong> den allgeme<strong>in</strong>bildenden Schulen<br />

o<strong>der</strong> <strong>in</strong> eigenen Heimschulen sichergestellt<br />

werden. Vor allem <strong>in</strong> den Jugendwerkhöfen<br />

stand dieser Anspruch allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> Konkurrenz<br />

zu dem Grundsatz <strong>der</strong> „Erziehung<br />

durch Arbeit“. 349 Im Ergebnis wurde <strong>der</strong><br />

Anspruch auf e<strong>in</strong>e acht- bzw. zehnklassige<br />

Schulbildung daher <strong>in</strong> vielen Heimen nicht<br />

verwirklicht. Stattdessen hatten die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

vor allem <strong>in</strong> den Jugendwerkhöfen ab dem 14.<br />

Lebensjahr nur reduzierten Schulunterricht,<br />

weil sie zugleich arbeitspflichtig waren (§ 7<br />

Abs. 1 <strong>der</strong> „Anordnung über die Durchführung<br />

<strong>der</strong> Aufgaben <strong>in</strong> den Jugendwerkhöfen“<br />

[Fn. 359]). Insgesamt muss die schulische<br />

Situation <strong>in</strong> vielen Heimen, vor allem aber <strong>in</strong><br />

den Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong>heimen, noch weit h<strong>in</strong>ter<br />

diesem reduzierten Anspruch zurückgeblieben<br />

se<strong>in</strong>. Nach Informationen von Manfred<br />

May, dem Ansprechpartner <strong>der</strong> Anlauf- und<br />

347 § 9 Abs. 2 <strong>der</strong> 1. DfB zur HeimV v. 27.11.1951<br />

(Fn. 84).<br />

348 Vgl. schon Ziff. II, 14–17 <strong>der</strong> Richtl<strong>in</strong>ien für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>heime (1946); SMAD-Befehl Nr. 225 (1946),<br />

Ziff. 3.<br />

349 Vgl. dazu ausführlich Zimmermann 2004,<br />

291 ff.<br />

Beratungsstelle des Landes Thür<strong>in</strong>gen 350 ,<br />

waren an den heim<strong>in</strong>ternen Schulen häufig<br />

nicht genügend Lehrer vorhanden, sodass<br />

nur <strong>in</strong> den Fächern unterrichtet wurde, die<br />

mit dem vorhandenen Personal abgedeckt<br />

werden konnten. Auch <strong>der</strong> Berufsschulunterricht,<br />

<strong>der</strong> für Lehrl<strong>in</strong>ge an e<strong>in</strong>em Tag obligatorisch<br />

war, wurde nicht immer angeboten.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die nicht <strong>in</strong> heimeigenen Schulen,<br />

son<strong>der</strong>n extern unterrichtet wurden, berichten<br />

von Diskrim<strong>in</strong>ierungen durch Mitschüler<br />

und Lehrer. An e<strong>in</strong>igen Orten mussten sie <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Schule Heimkleidung tragen und wurden<br />

von den Lehrern nicht mit ihren Vornamen,<br />

son<strong>der</strong>n als „Heimk<strong>in</strong>d“ angesprochen.<br />

Manche Heime verboten ihren Zögl<strong>in</strong>gen,<br />

sich mit Mitschülern anzufreunden, die außerhalb<br />

des Heims lebten, und beispielsweise<br />

E<strong>in</strong>ladungen anzunehmen. Auch bekamen<br />

Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong> nur selten Gelegenheit, e<strong>in</strong>e weiterführende<br />

Schule zu besuchen, selbst dann,<br />

wenn sie gute Noten hatten und die Schulleitung<br />

den Übergang befürwortete. Dagegen<br />

wird vermutet, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die sich „schwierig“<br />

verhielten, <strong>in</strong> den Heimen ungerechtfertigterweise<br />

als „bildungsfähig schwachs<strong>in</strong>nig“<br />

<strong>in</strong> Hilfs- o<strong>der</strong> Son<strong>der</strong>schulen überwiesen<br />

wurden. 351 Mit dem Recht auf Bildung, das<br />

die <strong>DDR</strong> für alle Menschen vorbildlich verwirklicht<br />

haben wollte, ist diese Praxis nicht<br />

zu vere<strong>in</strong>baren.<br />

5.3.3.1 Spezielle Regelungen für die<br />

Jugendwerkhöfe<br />

Arbeitspflichtig waren die Jugendlichen <strong>in</strong><br />

den Jugendwerkhöfen ab dem 14. Lebensjahr.<br />

Ihre Möglichkeiten, e<strong>in</strong>e Berufsausbildung<br />

zu machen, waren dort aber erheblich<br />

e<strong>in</strong>geschränkt. Zwar f<strong>in</strong>den sich zahlreiche<br />

gesetzliche und untergesetzliche Regelungen,<br />

die vor allem <strong>in</strong> den Jugendwerkhöfen<br />

die Berufsausbildung <strong>der</strong> Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong> zum<br />

Gegenstand haben, sie legen jedoch nur e<strong>in</strong>en<br />

sehr niedrigen Standard <strong>der</strong> Ausbildung fest<br />

und erlauben kaum Wahlmöglichkeiten.<br />

350 Gespräch vom 21.12.2011.<br />

351 Diese Vermutung f<strong>in</strong>det sich auch bei Gies<br />

2001, 201 ff.<br />

Nach e<strong>in</strong>er Verordnung von 1952 sollten<br />

mit allen Jugendlichen, die die achte Grundschulklasse<br />

vollendet hatten, Lehrverträge<br />

abgeschlossen werden 352 (§ 4 Abs. 1 Verordnung<br />

über die Berufsausbildung 1952).<br />

Jugendliche mit e<strong>in</strong>em Wissensstand <strong>der</strong><br />

6. o<strong>der</strong> 7. Klasse sollten e<strong>in</strong>erseits zur schulischen<br />

Abschlussprüfung gebracht werden<br />

(§ 4 Abs. 1 Satz 2) und zu diesem Zweck 24<br />

Wochenstunden Unterricht erhalten (§ 6<br />

Abs. 1), an<strong>der</strong>erseits sollten sie <strong>in</strong> den Lehrwerkstätten<br />

bereits ohne Lehrvertrag beschäftigt<br />

werden (§ 4 Abs. 2). Jüngere K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

sollten <strong>in</strong> heimeigenen Schulen ebenfalls 24<br />

Wochenstunden Unterricht erhalten, um auf<br />

den Wissensstand <strong>der</strong> 6. Klasse gebracht zu<br />

werden (§ 7).<br />

In <strong>der</strong> Folgeverordnung von 1956 ist nicht<br />

mehr von e<strong>in</strong>em „Lehrvertrag“ die Rede, son<strong>der</strong>n<br />

von e<strong>in</strong>em „Vertrag über die berufliche<br />

Qualifizierung“ (§ 7 Abs. 2 <strong>der</strong> Anordnung<br />

über die Durchführung <strong>der</strong> Aufgaben <strong>in</strong><br />

den JWH). 353 In <strong>der</strong> Praxis waren die versprochenen<br />

Ausbildungsverhältnisse meist<br />

nur Teilqualifizierungen o<strong>der</strong> sogenannte<br />

Anlernverhältnisse. Im Ergebnis bestand die<br />

Ausbildung dann aus Hilfsarbeiten und qualifizierte<br />

auch zu nichts an<strong>der</strong>em. 354 Mädchen<br />

wurden <strong>in</strong> den 1950er-Jahren häufig nur <strong>in</strong><br />

hauswirtschaftlichen Tätigkeiten ausgebildet.<br />

355 Unter dem Deckmantel dieser „Ausbildungen“<br />

konnten die Jugendlichen <strong>in</strong> den<br />

Jugendwerkhöfen als billige Arbeitskräfte<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden. Dies geschah häufig <strong>in</strong><br />

eigenen Betrieben bei den Jugendwerkhöfen;<br />

352 Verordnung über die Berufsausbildung und<br />

schulische För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Jugendlichen <strong>in</strong> den Jugendwerkhöfen<br />

v. 31.7.1952, GBl. 1952, 695. Die Verordnung<br />

trat am 1.12.1956 außer Kraft (Verordnung zur<br />

Aufhebung <strong>der</strong> Verordnung über die Berufsausbildung<br />

und schulische För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Jugendlichen <strong>in</strong> den<br />

Jugendwerkhöfen v. 29.11.1956, GBl. 1956, 1328). Sie<br />

wurde durch die Anordnung über die Durchführung<br />

<strong>der</strong> Aufgaben <strong>in</strong> den Jugendwerkhöfen v. 11.12.1956,<br />

GBl. 1956, 1336 ersetzt.<br />

353 Vom 11.12.1956, GBl. 1956, 1336.<br />

354 Vgl. Sachse 2010, 98. Zu e<strong>in</strong>er ähnlichen<br />

E<strong>in</strong>schätzung kam auch Manfred May <strong>in</strong> unserem<br />

Gespräch vom 21.12.2011.<br />

355 Vgl. Zimmermann 2004, 293 f. m. N.<br />

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