14.05.2014 Aufrufe

Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rechtsfragen <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

rung <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> waren die Organe<br />

des Gesundheitswesens zuständig. Sie sollten<br />

aber mit <strong>der</strong> Jugendhilfe zusammenarbeiten,<br />

etwa wenn es darum g<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>dividuelle<br />

Erziehungsprogramme zu entwickeln. 94 Über<br />

die Erziehungspraxis <strong>in</strong> diesen Heimen ist<br />

außerordentlich wenig bekannt. Hier s<strong>in</strong>d<br />

weitere Forschungsarbeiten erfor<strong>der</strong>lich, für<br />

die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch die Aktenbestände des<br />

M<strong>in</strong>isteriums für Gesundheit, soweit noch<br />

vorhanden, gesichtet werden müssten.<br />

4.1.2 Die Jahre 1949 bis 1965<br />

Am 7. Oktober 1949 wurde die <strong>DDR</strong> gegründet,<br />

und die erste Verfassung trat <strong>in</strong> Kraft.<br />

Die Zentralverwaltung für Volksbildung<br />

wurde zum M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung,<br />

das bis zum Ende <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> für die Jugendhilfe<br />

zuständig bleiben würde. Im Jahr 1950<br />

wurden die Jugendämter <strong>in</strong> die „Referate für<br />

Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong>“ überführt. 95<br />

Anfang <strong>der</strong> 1950er-Jahre wurde die Zentralisierung<br />

und Verstaatlichung des Heimsystems<br />

weiter vorangetrieben, u. a. mit dem<br />

Verbot, neue Heime <strong>in</strong> privater Trägerschaft<br />

e<strong>in</strong>zurichten (§ 5 <strong>der</strong> Heimverordnung 96 )<br />

und mit e<strong>in</strong>heitlichen Vorgaben an die<br />

Erziehungsarbeit <strong>in</strong> den Heimen. 97 Auch<br />

die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> ehrenamtlichen Kräfte<br />

wurde verstetigt. 98 Das staatliche Erziehungsziel<br />

wurde nun umformuliert h<strong>in</strong> zu<br />

<strong>der</strong> §§ 50, 51 FGB vorsieht. Siehe zu den Zuständigkeiten<br />

nach <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>samen Anordnung auch Hoffmann<br />

1981, 38; vgl. auch Mannschatz 1984, 25.<br />

94 Vgl. Staude 1970, 266.<br />

95 Vgl. Hoffmann 1981, 34 f.<br />

96 „Verordnung über die <strong>Heimerziehung</strong> von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen“ v. 26.7.1951, GBl. 1951,<br />

708.<br />

97 „Anweisung über die e<strong>in</strong>heitliche Planung<br />

<strong>der</strong> Erziehungsarbeit <strong>in</strong> allen Heimen <strong>der</strong> Deutschen<br />

Demokratischen Republik“ v. 16.2.1952, <strong>in</strong>: Neue<br />

Erziehung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten und Heim 3/1952, Beilage.<br />

98 „Durchführungsbestimmung zur Verordnung<br />

über die Übertragung <strong>der</strong> Angelegenheiten <strong>der</strong><br />

freiwilligen Gerichtsbarkeit (Verfahrensregelung zu<br />

§ 11)“ v. 12.3.1953, GBl. 1953, 442 (E<strong>in</strong>richtung von<br />

Jugendhilfebeiräten); „Verordnung über die Mitarbeit<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung auf dem Gebiet <strong>der</strong> Jugendhilfe“ v.<br />

11.6.1953 – GBl. 1953, 816.<br />

e<strong>in</strong>er Erziehung zum Patriotismus gegenüber<br />

<strong>der</strong> neu gegründeten Republik:<br />

„Das Ziel <strong>der</strong> Erziehung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Deutschen<br />

Demokratischen Republik besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Heranbildung von aktiven Erbauern e<strong>in</strong>es<br />

e<strong>in</strong>heitlichen, demokratischen und friedliebenden<br />

Deutschlands, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erziehung<br />

von glühenden Patrioten, die bereit s<strong>in</strong>d, die<br />

Errungenschaften unserer antifaschistischdemokratischen<br />

Ordnung und den Frieden<br />

bis zum äußersten zu verteidigen.“ 99<br />

In <strong>der</strong> Präambel <strong>der</strong> Heimverordnung hieß es:<br />

„Das Ziel aller Erziehungse<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Deutschen Demokratischen Republik<br />

ist die Erziehung <strong>der</strong> Jugend zu aktiven<br />

Erbauern e<strong>in</strong>es gee<strong>in</strong>ten und friedliebenden<br />

Deutschlands, zu Kämpfern für den Frieden<br />

und zu Freunden aller friedliebenden Völker,<br />

mit <strong>der</strong> Sowjetunion an <strong>der</strong> Spitze. Die <strong>Heimerziehung</strong><br />

erfüllt diese Aufgabe geme<strong>in</strong>sam<br />

mit <strong>der</strong> demokratischen Schule an allen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, <strong>der</strong>en Erziehung<br />

nicht durch das Elternhaus gesichert ist.<br />

Sie soll diesen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

<strong>in</strong> engster Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>der</strong> Schule, <strong>der</strong><br />

Berufsausbildung und <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Organisationen e<strong>in</strong>e normale<br />

Entwicklungsmöglichkeit bieten. Unter<br />

Beachtung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Entwicklung<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen wird<br />

die Erziehung zum Kollektiv die Erreichung<br />

dieses Zieles sichern.“<br />

Hier sche<strong>in</strong>t sehr deutlich die oben bereits<br />

beschriebene Vorstellung durch, dass e<strong>in</strong>e Erziehung<br />

zur Integration <strong>in</strong> die Geme<strong>in</strong>schaft<br />

die <strong>in</strong>dividuelle Entfaltung des K<strong>in</strong>des am<br />

besten sichere.<br />

4.1.3 Die Jahre 1965 bis 1989<br />

Mitte <strong>der</strong> 1960er-Jahre wurde das Recht <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe und damit auch die <strong>Heimerziehung</strong><br />

auf völlig neue gesetzliche Grundlagen<br />

gestellt. Die wesentlichen Regelungen, die <strong>in</strong><br />

99 Siehe Fn. 97.<br />

dieser Zeit <strong>in</strong> Kraft traten, waren das Bildungsgesetz<br />

(1965), das Familiengesetzbuch<br />

(1965) und die Jugendhilfeverordnung (1965,<br />

geän<strong>der</strong>t 1966). 100 In <strong>der</strong> JHVO waren <strong>der</strong><br />

Behördenaufbau und die Zuständigkeiten <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Jugendhilfe erstmals umfassend geregelt.<br />

Der enge Jugendhilfebegriff, <strong>der</strong> die Praxis<br />

schon seit den 1940er-Jahren geprägt hatte,<br />

wurde nun zur rechtlich verb<strong>in</strong>dlichen Def<strong>in</strong>ition.<br />

In § 1 JHVO hieß es:<br />

„Jugendhilfe umfaßt die rechtzeitig korrigierende<br />

E<strong>in</strong>flußnahme bei Anzeichen <strong>der</strong><br />

sozialen Fehlentwicklung und die Verhütung<br />

und Beseitigung <strong>der</strong> Vernachlässigung von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, die vorbeugende<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Jugendkrim<strong>in</strong>alität, die<br />

Umerziehung von schwererziehbaren und<br />

straffälligen M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen sowie die Sorge<br />

für elternlose und familiengelöste K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Jugendliche.“<br />

An <strong>der</strong> Spitze des Behördenaufbaus stand<br />

nach wie vor das M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung<br />

(§ 31 JHVO), das seit 1963 von Margot<br />

Honecker geleitet wurde. Innerhalb des M<strong>in</strong>isteriums<br />

arbeitete <strong>der</strong> Zentrale Jugendhilfeausschuss,<br />

<strong>der</strong> aus zehn Mitglie<strong>der</strong>n bestand,<br />

die vom M<strong>in</strong>isterium selbst berufen wurden.<br />

Er war unter an<strong>der</strong>em zuständig für Beschwerden,<br />

die von <strong>der</strong> Bezirksebene an das<br />

M<strong>in</strong>isterium weitergeleitet worden waren<br />

(§ 32 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 2 JHVO).<br />

Außerdem erließ er rechtsverb<strong>in</strong>dliche<br />

Richtl<strong>in</strong>ien für die sozialpädagogische Arbeit<br />

<strong>der</strong> Jugendhilfe (§ 32 Abs. 1 Buchst. d und<br />

Abs. 2 JHVO). Die eigentliche Verwaltung<br />

und Leitung des Bereichs Jugendhilfe oblag<br />

aber <strong>der</strong> Abteilung Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong>,<br />

die auch für die Aus- und Weiterbildung <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendhilfe zuständig<br />

100 „Gesetz zum Aufbau e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen<br />

sozialistischen Bildungssystems“ v. 25.2.1965, GBl.<br />

1965, 83 ff.; Familiengesetzbuch <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> (FGB) v.<br />

20.12.1965, GBl. 1965, 19; „Verordnung über die Aufgaben<br />

und Arbeitsweise <strong>der</strong> Organe <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />

(JHVO)“ v. 22.4.1965, GBl. 1965, 359, und Neufassung<br />

v. 3.3.1966 – GBl. 1966, 215. Im Folgenden werden die<br />

Bestimmungen <strong>der</strong> Fassung von 1966 zitiert.<br />

war. Innerhalb dieser Abteilung befand sich<br />

e<strong>in</strong>e Zentralstelle für Spezialheime. Diese Stelle<br />

hatte es z. T. unter an<strong>der</strong>er Bezeichnung auch<br />

schon vorher gegeben („Zentralstelle für<br />

Amts- und Rechtshilfeverkehr und Heime<strong>in</strong>weisungen“<br />

bzw. „Zentralstelle für Jugendhilfe“).<br />

Sie hatte e<strong>in</strong>ige Son<strong>der</strong>zuständigkeiten<br />

für bestimmte Spezialheime <strong>der</strong> Jugendhilfe,<br />

u. a. entschied sie über E<strong>in</strong>weisungen <strong>in</strong><br />

den GWH Torgau. 101<br />

Unter dem M<strong>in</strong>isterium standen die Referate<br />

für Jugendhilfe und <strong>Heimerziehung</strong> sowie<br />

die Jugendhilfeausschüsse auf Bezirksebene<br />

(§§ 28 und 29 JHVO). Der Jugendhilfeausschuss<br />

bestand aus drei bis sieben „<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Erziehungsarbeit erfahrenen Bürgern“. Referat<br />

Jugendhilfe und Jugendhilfeausschüsse auf<br />

Bezirksebene verwalteten die meisten <strong>der</strong><br />

Spezialheime sowie die Durchgangsheime<br />

(§ 5 Abs. 3 <strong>der</strong> Anordnung über die Spezialheime).<br />

Außerdem entschieden sie über<br />

Beschwerden, denen die Gremien auf <strong>der</strong><br />

lokalen Ebene nicht abgeholfen hatten (§ 30<br />

Abs. 2 JHVO).<br />

Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Kreise, Städte und Stadtbezirke<br />

wie<strong>der</strong>holte sich diese doppelte<br />

Struktur aus Referat Jugendhilfe und Jugendhilfeausschuss<br />

(§ 15 JHVO). Das Referat<br />

Jugendhilfe bestand aus e<strong>in</strong>em Leiter<br />

und e<strong>in</strong>er Reihe von Jugendfürsorgern. Der<br />

Jugendhilfeausschuss setzte sich aus drei<br />

bis fünf „<strong>in</strong> <strong>der</strong> Erziehungsarbeit erfahrenen<br />

Bürgern“ zusammen, die durch den Rat<br />

des Kreises für jeweils zwei Jahre berufen<br />

wurden (§ 16 JHVO). Nach welchen Kriterien<br />

die Berufung stattfand, ist vollkommen<br />

<strong>in</strong>transparent, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e sche<strong>in</strong>t es ke<strong>in</strong><br />

öffentliches Auswahlverfahren gegeben zu<br />

haben. Insofern ersche<strong>in</strong>en Vermutungen,<br />

die Besetzung <strong>der</strong> Jugendhilfeausschüsse sei<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie nach politischer Opportunität<br />

geschehen, gerechtfertigt. 102 Die Leitung des<br />

Jugendhilfeausschusses war dem Leiter des<br />

Referats Jugendhilfe o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em von ihm<br />

beauftragten Jugendfürsorger übertragen.<br />

101 „Anordnung über die Spezialheime <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe“ v. 22.4.1965; berichtigt am 4.9.1965, GBl.<br />

1965, 368.<br />

102 So Sachse 2010, 139.<br />

30 31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!