14.05.2014 Aufrufe

Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Erziehungsvorstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

seelischen und gesellschaftlichen Aspekten<br />

wird später <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> stark auf die „gesellschaftlichen“<br />

Aspekte reduziert. Auch lässt<br />

die Erwähnung „demokratischer Pr<strong>in</strong>zipien“<br />

ohne das später nie fehlende Adjektiv „sozialistisch“<br />

e<strong>in</strong>e Offenheit zu, die im Laufe <strong>der</strong><br />

Jahre zunehmend e<strong>in</strong>geschränkt wurde.<br />

Im selben Zeitraum (1946) datiert e<strong>in</strong><br />

„Plan über die Erziehungsarbeit <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>heimen“,<br />

entworfen von <strong>der</strong> Zentralverwaltung<br />

für Volksbildung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> diese Offenheit<br />

andeutungsweise ausgefüllt wird. Hier heißt<br />

es: „Ziel <strong>der</strong> Erziehung: ist die Erziehung des<br />

K<strong>in</strong>des zur Geme<strong>in</strong>schaft im S<strong>in</strong>ne demokratischen<br />

Denkens, Handelns, Wertens“. Die<br />

methodischen Ausführungsbestimmungen<br />

werden unter Anklang an die pädagogische<br />

Tradition formuliert:<br />

„Mit den Erziehungsmethoden e<strong>in</strong>es Pestalozzi<br />

und Fröbel sollen die im K<strong>in</strong>de liegenden körperlichen,<br />

geistigen und seelischen Kräfte geför<strong>der</strong>t,<br />

S<strong>in</strong>ne, Sprache, Auffassungs- und Beobachtungsfähigkeiten<br />

s<strong>in</strong>nvoll geschult, Selbstständigkeit<br />

und Selbsttätigkeit geweckt, die Unebenheiten<br />

häuslicher Familienerziehung ausgeglichen und<br />

vorhandene körperliche, geistige und seelische<br />

Hemmnisse überwunden werden.“ 27<br />

E<strong>in</strong>e ähnliche Offenheit lässt sich auch für<br />

die Trägerlandschaft feststellen. Während die<br />

Richtl<strong>in</strong>ie für K<strong>in</strong><strong>der</strong>heime die „Errichtung<br />

und Erhaltung von Privatk<strong>in</strong><strong>der</strong>heimen (...)“<br />

verbietet, konstatiert <strong>der</strong> maßgebliche Befehl<br />

<strong>der</strong> SMAD, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong>heime von „örtlichen<br />

Selbstverwaltungsorganen, Gesellschaftsorganisationen,<br />

religiösen Geme<strong>in</strong>den und<br />

Privatpersonen“ unterhalten werden können,<br />

während alle<strong>in</strong> die Neuerrichtung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten<br />

Privatpersonen verboten s<strong>in</strong>d.<br />

1946 waren selbstverständlich verschiedene<br />

Träger – und damit verschiedene<br />

pädagogische Konzepte – vorgesehen und <strong>der</strong><br />

staatlichen Dienstkontrolle <strong>der</strong> Zentralverwaltung<br />

für Volksbildung unterstellt. 28<br />

faschistischen, militaristischen und an<strong>der</strong>en<br />

reaktionären Ideen und Tendenzen se<strong>in</strong>.“ (BArch DR<br />

2/386).<br />

27 BArch DR 2/84128.<br />

28 Befehl <strong>der</strong> SMAD Nr. 225: „Die Leitung <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong> Jahr später (20. Juni 1947) wird durch<br />

den Befehl Nr. 156 <strong>der</strong> SMAD die Überführung<br />

<strong>der</strong> Jugendämter <strong>in</strong> die Zentralverwaltung<br />

für Volksbildung (<strong>der</strong> Vorgänger des M<strong>in</strong>isteriums<br />

für Volksbildung) durchgeführt<br />

und damit die <strong>in</strong>stitutionelle Vorbereitung<br />

des erzieherischen Zentralismus vorbereitet.<br />

Damit ist die zentralistische und damit<br />

homogene und vere<strong>in</strong>heitlichte Ausrichtung<br />

<strong>der</strong> <strong>DDR</strong>-<strong>Heimerziehung</strong> im Pr<strong>in</strong>zip festgelegt,<br />

und wird über die Dauer von 40 Jahren<br />

aufrecht erhalten. E<strong>in</strong>ige Beispiele.<br />

Auf <strong>der</strong> 1. Zentralen Konferenz <strong>der</strong> Heimerzieher<br />

(1951) wurde festgelegt, dass „die<br />

Arbeit <strong>in</strong> allen Heimen <strong>der</strong> Deutschen Demokratischen<br />

Republik nach e<strong>in</strong>heitlichen Gesichtspunkten<br />

planvoll durchgeführt wird“. 29<br />

Dieser Anspruch wurde <strong>in</strong> den folgenden<br />

Jahren e<strong>in</strong>gelöst.<br />

Auf <strong>der</strong> 2. Zentralen Konferenz <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />

(1958) wurde dieser „Grundgedanke“<br />

repetiert und konkretisiert. Die Aufgabe <strong>der</strong><br />

im M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung angesiedelten<br />

Jugendhilfe sei es, K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

„<strong>in</strong> den Prozess <strong>der</strong> sozialistischen<br />

Erziehung e<strong>in</strong>zubeziehen“. Die Lösung dieser<br />

Aufgabe ist „<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong> ideologischpolitisches<br />

Problem“ und entsprechend geht<br />

es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitarbeiterschulung „vor allem“ um<br />

„Kenntnisse auf dem Gebiet des Marxismus-<br />

Len<strong>in</strong>ismus“. Weitere Aufgaben s<strong>in</strong>d: „Herausnahme<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

aus konfessionellen Heimen, Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> konfessionelle Heime.<br />

Unterbr<strong>in</strong>gung von Waisenk<strong>in</strong><strong>der</strong>n und von<br />

familiengelösten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n bei fortschrittlichen<br />

Pflege- und Adoptiveltern.“ 30<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>anstalten aller Art bezüglich Erziehung,<br />

Auswahl und Ernennung von Leitern, Erziehern<br />

sowie die Kontrolle über ihre Arbeit unterliegt <strong>der</strong><br />

Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, und zwar<br />

unabhängig davon, von wem sie unterhalten werden“<br />

(BArch DR 2/386).<br />

29 M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung. Anweisung für<br />

die e<strong>in</strong>heitliche Planung <strong>der</strong> Erziehungsarbeit <strong>in</strong> allen<br />

Heimen <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> vom 16.02.1952. In: Erziehung <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten und Heim 3/1952, Beilage.<br />

30 Vorlage für die Leitung des MfV. Konzeption<br />

und Untersuchungsprogramm für die 2. Zentrale<br />

Schließlich sei als letztes Beispiel die „Anordnung<br />

über die Bildungs- und Erziehungsarbeit<br />

<strong>in</strong> den Heimen <strong>der</strong> Jugendhilfe“ (1969)<br />

angeführt. Hier heißt es <strong>in</strong> § 1 Abs. 1<br />

„Die Heime <strong>der</strong> Jugendhilfe s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>richtungen<br />

des sozialistischen Staates. (...) Die spezifischen<br />

Aufgaben <strong>der</strong> Heime bestehen dar<strong>in</strong>, die im<br />

Heim gegebenen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> sozialistischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaftserziehung optimal zu nutzen und<br />

so zu gestalten, dass durch sie die Funktion <strong>der</strong><br />

sozialistischen Familienerziehung erfüllt wird.“ 31<br />

Zwar sollte die Jugendhilfe ihre Hauptaufgabe<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> „Organisation des gesellschaftlichen<br />

E<strong>in</strong>flusses“ sehen 32 , aber dies bedeutete<br />

nicht, dass <strong>der</strong> „Staat“ neben sich weitere<br />

Erziehungs<strong>in</strong>stanzen anerkannte. Dies zeigt<br />

sich nicht alle<strong>in</strong> daran, dass auf die „ka<strong>der</strong>mäßige“<br />

Zusammensetzung <strong>der</strong> damit<br />

beschäftigten Gremien geachtet wurde,<br />

son<strong>der</strong>n das zeigt auch die Liste <strong>der</strong> Institutionen,<br />

die den „gesellschaftlichen E<strong>in</strong>fluss“<br />

darstellten. Die Jugendhelfer wurden<br />

er<strong>in</strong>nert, dass sie sich „im e<strong>in</strong>zelnen an die<br />

Ortsleitung <strong>der</strong> FDJ und <strong>der</strong> Pionierorganisation<br />

wenden müssen, an die Ständigen<br />

Kommissionen Volksbildung undSozialwesen,<br />

an den Abschnittsbevollmächtigten <strong>der</strong><br />

Volkspolizei, an die Wohnbezirksausschüsse<br />

<strong>der</strong> Nationalen Front, an die Schulleitungen<br />

und die Elternbeiräte, an die Beistände sowie<br />

an die Stadt- und Geme<strong>in</strong>devertretungen“. 33<br />

Die anfängliche Mehrzahl und die Verschiedenheit<br />

<strong>der</strong> durch verschiedene Träger verkörperten<br />

pädagogischen Möglichkeiten s<strong>in</strong>d<br />

zügig uniformiert worden. Dabei s<strong>in</strong>d fürsorgende<br />

und soziale Aspekte nicht für sich,<br />

unter e<strong>in</strong>er eigenen Problemstellung betrachtet<br />

worden, son<strong>der</strong>n unter dem Blickw<strong>in</strong>kel<br />

<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Gesellschaftsentwicklung.<br />

Konferenz für Jugendhilfe (Dez. 1958), BArch<br />

DR 2/84173, weitere wichtige Bezugstexte s<strong>in</strong>d:<br />

„Anweisung über die pädagogische Planung <strong>in</strong> den<br />

Heimen“ (1954) und das „Gesetz über das e<strong>in</strong>heitliche<br />

sozialistische Bildungssystem“ (1965).<br />

31 GBl. <strong>DDR</strong> II, S. 555.<br />

32 Mannschatz, 1994, S. 22 u. S. 27; Geißler,<br />

1959, S. 12–17.<br />

33 Gärtner, 1959, S. 15 f.<br />

1.2.2 Die Jugendhilfe als Teil des<br />

M<strong>in</strong>isteriums für Volksbildung<br />

Der E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong><br />

<strong>in</strong> das M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung<br />

lag <strong>der</strong> politische Wille zugrunde, die<br />

<strong>Heimerziehung</strong> nicht als soziales, son<strong>der</strong>n<br />

als bildungspolitisches Aufgabenfeld wahrzunehmen.<br />

Diese Entscheidung g<strong>in</strong>g nicht aus<br />

e<strong>in</strong>er Abwägung hervor, die versucht hätte,<br />

die für die <strong>Heimerziehung</strong> wichtigen Aspekte<br />

<strong>der</strong> Bildung und des Fürsorglichen zum<br />

Wohle des Schicksals <strong>der</strong> Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Verhältnis zu setzen. Dah<strong>in</strong>ter stand vielmehr<br />

die „wissenschaftliche E<strong>in</strong>sicht“, dass<br />

soziale Probleme e<strong>in</strong> Überbleibsel des kapitalistischen<br />

Systems seien und sich im Fortgang<br />

des Aufbaus des Sozialismus auflösen.<br />

Die sowjetische Besatzungsmacht hatte<br />

zwar unmittelbar nach dem Krieg die Geltung<br />

des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes<br />

bestätigt und die Jugendämter und die<br />

Heim erziehung dem Amt für Sozialfürsorge<br />

zugeordnet, allerd<strong>in</strong>gs bereits im April 1946<br />

wurde auf dem Gründungsparteitag <strong>der</strong> SED<br />

(21.–22. April 1946) die Betreuung „gesundheitlich<br />

und sittlich gefährdeter Jugendlicher“<br />

als politisches Ziel beschlossen. 34 Im<br />

selben Jahr g<strong>in</strong>g die staatliche Dienstkontrolle<br />

über alle Heime an die Zentralverwaltung<br />

für Volksbildung über und e<strong>in</strong> Jahr<br />

später (20. Juni 1947) wurden dorth<strong>in</strong> auch<br />

die Jugendämter überführt. Als Grund wurde<br />

angegeben:<br />

„Die Jugendämter bei den Ämtern für Arbeit<br />

und Sozialfürsorge üben immer noch neben den<br />

Organen <strong>der</strong> Volksbildung e<strong>in</strong>e parallele Tätigkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>richtungen und<br />

<strong>der</strong> Erziehung <strong>der</strong> Jugendlichen aus. E<strong>in</strong> solcher<br />

Zustand ermöglicht nicht, e<strong>in</strong>e richtige und e<strong>in</strong>heitliche<br />

Lenkung <strong>der</strong> Erziehung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen festzulegen“. 35<br />

34 Zentralkomitee <strong>der</strong> SED, 1946, S. 139 ff.<br />

35 Befehl Nr. 156 <strong>der</strong> SMAD zur Überführung <strong>der</strong><br />

Jugendämter <strong>in</strong> die Organe <strong>der</strong> Volksbildung vom 20.<br />

Juni 1947 (Auszug). In: Hoffmann, 1981, S. 21–22.<br />

140 141

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!