Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung
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Was hilft ehemaligen Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> bei <strong>der</strong> Bewältigung ihrer komplexen Traumatisierung?<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht verdroschen. Ich wurde auch mehrmals<br />
von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Kammer gesperrt,<br />
die zugeschlossen wurde, und erst nach zwei<br />
Stunden wie<strong>der</strong> herausgelassen. Ich wurde auch<br />
von den Erziehern des Öfteren <strong>in</strong> den Keller gesperrt,<br />
wenn ich mal bockig war. Nach <strong>der</strong> Schule<br />
musste ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> LPG arbeiten, wenn ich zu<br />
wenig tat, wurde ich mit Essensentzug bestraft<br />
o<strong>der</strong> musste putzen.“<br />
Beispiele für positive Heimerfahrungen<br />
E<strong>in</strong>e Betroffene berichtet:<br />
„Die geregelte Tagesstruktur tat mir gut, ich<br />
war auch froh, von me<strong>in</strong>er schwierigen Familie<br />
weg zu se<strong>in</strong>. Auch das regelmäßige Arbeiten war<br />
gut für mich. Ich wurde hier erstmals anerkannt<br />
und geachtet, auch gelobt.“<br />
E<strong>in</strong>e Betroffene zu e<strong>in</strong>em Normalheim:<br />
„Beson<strong>der</strong>s e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen war sehr<br />
liebevoll und kümmerte sich gut um mich. Zu ihr<br />
konnte ich e<strong>in</strong>e bessere Beziehung aufbauen als<br />
zu me<strong>in</strong>er eigenen Mutter. Deshalb war es für<br />
mich e<strong>in</strong> schwerer Bruch, als ich später aus dem<br />
Heim entlassen wurde.“<br />
Betroffener schreibt über e<strong>in</strong> Normalheim,<br />
3. bis 4. Lj.:<br />
„Die Frau W. und die U. waren lieb, ich saß bei<br />
denen immer auf dem Schoß.“<br />
Betroffener über e<strong>in</strong> Normalheim:<br />
„Ich habe auch positive Er<strong>in</strong>nerungen an das<br />
Spielen draußen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur, am Fluss und<br />
auf den Wiesen. Auch gab es e<strong>in</strong>e nette Familie<br />
im Dorf, die mich mochte und mir immer was<br />
zusteckte.“<br />
E<strong>in</strong> Betroffener, vom 3. bis 6. Lj. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Normalheim, schreibt:<br />
„Es war im Großen und Ganzen schon <strong>in</strong><br />
Ordnung dort, sicher hat mir e<strong>in</strong>e Familie<br />
gefehlt, aber ich kann mich nicht beklagen, die<br />
Erzieher<strong>in</strong>nen haben sich ganz gut um uns gekümmert.<br />
Ich b<strong>in</strong> nie geschlagen o<strong>der</strong> misshandelt<br />
worden. Ich hatte dort auch e<strong>in</strong>ige Freunde unter<br />
den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Am schönsten waren die Ferienzeiten<br />
an <strong>der</strong> See.“<br />
Nach <strong>der</strong> Heimentlassung<br />
Nach e<strong>in</strong>er Anordnung sollte drei Monate vor<br />
Entlassung aus e<strong>in</strong>em Heim „<strong>der</strong> Übergang<br />
vom Heimleben zur Öffentlichkeit“ mithilfe<br />
<strong>der</strong> Heimreferate <strong>der</strong> Jugendhilfe organisiert<br />
werden. Es sollte den Jugendlichen e<strong>in</strong>e<br />
Arbeit, e<strong>in</strong> Wohnraum beschafft werden und<br />
die gesellschaftliche Erziehung durch e<strong>in</strong>en<br />
Jugendhelfer für e<strong>in</strong>e Art „Bewährungszeit“<br />
durchgeführt werden. Mehrfach wurde<br />
durch Kontrollkommissionen noch bis <strong>in</strong> die<br />
80er-Jahre festgestellt, dass bei dem größten<br />
Teil <strong>der</strong> Entlassenen das Erziehungsziel<br />
nicht erreicht worden sei und e<strong>in</strong> erheblicher<br />
Teil (30–50 %) straffällig wurde. Als Gründe<br />
wurden angegeben, dass die Jugendlichen<br />
<strong>in</strong> das alte negative Milieu zurückkommen,<br />
dass sie <strong>in</strong> kalte und heruntergewirtschaftete<br />
Wohnungen e<strong>in</strong>gewiesen wurden, dass man<br />
ihnen mit Misstrauen begegnete und sie sich<br />
völlig selbst überlassen seien, die Betriebe<br />
häufig e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> ehemaligen<br />
Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong> verweigerten o<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e geeigneten<br />
Betriebe für die erworbenen Teilfacharbeiterabschlüsse<br />
vorhanden waren (Jahn<br />
2010).<br />
Die Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong> empfanden die weitere<br />
Kontrolle durch den Staat nach <strong>der</strong> Heimentlassung<br />
oft als erneute Reglementierung<br />
und beklagt, dass es dadurch nur wenige<br />
Möglichkeiten gab, sich selbstbestimmt zu<br />
entwickeln.<br />
„Ich erhielt e<strong>in</strong>e Arbeitsplatzverpflichtung<br />
und e<strong>in</strong>en geheimen E<strong>in</strong>trag, e<strong>in</strong>e Nummer <strong>in</strong><br />
me<strong>in</strong>en Ausweis als H<strong>in</strong>weis für me<strong>in</strong>e Zeit im<br />
Jugendwerkhof.“<br />
E<strong>in</strong>ige Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong> versuchten sich den<br />
Kontrollen zu entziehen, verstießen so<br />
erneut gegen die Vorgaben des Staates. Sie<br />
verweigerten sich und kamen wegen Arbeitsbummelei,<br />
Herumtreiben, Delikten wie<br />
Diebstählen dann später <strong>in</strong> Jugendhäuser<br />
(Jugendgefängnisse). Nicht wenige wollten<br />
die <strong>DDR</strong> ganz verlassen, stellten Ausreiseanträge<br />
o<strong>der</strong> unternahmen Fluchtversuche<br />
und gerieten <strong>in</strong> politische Haft. „Ich konnte<br />
danach e<strong>in</strong>fach nicht mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />
bleiben, die ließen mich nie <strong>in</strong> Ruhe, deshalb<br />
habe ich versucht zu fliehen und kam dann<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Jugendhaus nach Dessau.“ An<strong>der</strong>e<br />
waren bemüht, sich dem Alltag <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> anzupassen,<br />
und bloß nicht mehr aufzufallen.<br />
Aus Angst vor Stigmatisierung und Zurückweisung<br />
durch das Umfeld verschwiegen<br />
sie ihre Heimgeschichte, nicht selten auch<br />
den späteren Ehepartnern. Aus berechtigter<br />
Angst vor Ablehnungen bei Bewerbungen<br />
legten sie die Zeugnisse <strong>der</strong> Teilfacharbeiterausbildung<br />
aus den Heimen nicht vor und<br />
verbrannten ihre Sozialversicherungsausweise,<br />
die E<strong>in</strong>träge zur Arbeit z. B. aus dem<br />
Jugendwerkhof enthielten. Heute fehlen<br />
ihnen diese Nachweise zur Vorlage für die<br />
Rentenversicherung.<br />
„Ich habe me<strong>in</strong> Zeugnis über die Teilfacharbeiterausbildung<br />
nie vorgelegt, da ja <strong>der</strong> Stempel<br />
vom Jugendwerkhof drauf war, auch habe ich<br />
me<strong>in</strong>en Sozialversicherungsausweis verbrannt,<br />
wollte nicht, dass jemand das liest.“<br />
2.4 Bis heute bestehende Folgeprobleme<br />
sowie Auswirkungen auf Beziehungen und<br />
die 2. Generation<br />
Psychische Folgen<br />
Die Berater und die ehemaligen Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
berichten über erhebliche gesundheitliche,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e psychische Folgesymptome<br />
durch die Heimerfahrungen, die auch durch<br />
die Auswertung <strong>der</strong> Begutachtungen bestätigt<br />
werden.<br />
Im Vor<strong>der</strong>grund besteht bei den ehemaligen<br />
Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong>n bis heute die Angst vor<br />
weiterer Stigmatisierung und Ablehnung<br />
aufgrund des Vertrauensverlustes <strong>in</strong> die<br />
Gesellschaft, <strong>in</strong> den Staat, gegenüber Autoritäten<br />
und an<strong>der</strong>en Menschen allgeme<strong>in</strong>.<br />
Viele haben über ihre Heimerfahrungen nie<br />
geredet, versucht, diese zu verdrängen und<br />
jede Er<strong>in</strong>nerung daran zu vermeiden. Nicht<br />
selten wissen auch die engsten Familienmitglie<strong>der</strong><br />
bis heute nichts über den Heimaufenthalt.<br />
Viele Betroffene berichten über<br />
das Gefühl, sich nicht ausreichend schützen<br />
zu können, hilflos und unsicher zu se<strong>in</strong> und<br />
ständige negative Erwartungen zu haben.<br />
Sie verfügen über wenig Selbstvertrauen,<br />
haben nie gelernt, ihre Wünsche, Bedürfnisse<br />
o<strong>der</strong> Probleme zu äußern. An<strong>der</strong>e fürchten<br />
weiterh<strong>in</strong> Grenzverletzungen durch die im<br />
Heim gemachten Gewalterfahrungen und<br />
Demütigungen, empf<strong>in</strong>den sich schnell als<br />
bedrängt, bedroht und reagieren bei kle<strong>in</strong>sten<br />
Konflikten mit Abwehr, Kränkung o<strong>der</strong><br />
übermäßiger Gereiztheit und können wegen<br />
<strong>der</strong> Reaktivierung <strong>der</strong> früheren negativen<br />
Erfahrungen ihre Gefühle und ihr Verhalten<br />
dann kaum kontrollieren.<br />
Betroffener, drei Heimaufenthalte: Normalheim,<br />
Durchgangsheim, Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong>heim:<br />
„Durch die viele Gewalt, die Demütigungen<br />
und die Arreste wurde ich regelrecht zur Wut und<br />
zum Hass erzogen. Ich frage mich immer, warum<br />
ich e<strong>in</strong>e solche K<strong>in</strong>dheit hatte.“<br />
Betroffener, sechs Heimaufenthalte, Durchgangsheim,<br />
Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong>heim, Jugendwerkhof,<br />
heute 38 Jahre alt:<br />
„Nie wie<strong>der</strong> wird mir e<strong>in</strong>er was antun, ich<br />
sorge dafür und wehre mich. Aber ich muss schon<br />
aufpassen, denn ich rege mich zu schnell und<br />
übertrieben auf, kann mich dann kaum noch kontrollieren.<br />
Mich darf ke<strong>in</strong>er schräg von <strong>der</strong> Seite<br />
ansprechen.“<br />
Betroffene, 45 Jahre alt, Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong>heim,<br />
Jugendwerkhof:<br />
„Ich habe nie darüber geredet, mich immer<br />
so geschämt, es auch me<strong>in</strong>em Mann erst vor<br />
Kurzem erzählt. Ich fühle mich dann so kle<strong>in</strong> und<br />
verletzlich, habe Angst, die denken doch dann<br />
alle, es wird schon e<strong>in</strong>en Grund gegeben haben,<br />
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