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Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung

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Was hilft ehemaligen Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> bei <strong>der</strong> Bewältigung ihrer komplexen Traumatisierung?<br />

Eltern hatten die Erziehungsvorstellungen<br />

des Staates zu erfüllen und ihnen wurde<br />

Versagen des elterlichen Erziehungsauftrags<br />

vorgeworfen, wenn die K<strong>in</strong><strong>der</strong> dagegen<br />

verstießen.<br />

In <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> bestand also e<strong>in</strong>e sehr materialistische<br />

Weltsicht: „Se<strong>in</strong> bestimmt das<br />

Bewusstse<strong>in</strong>, wer nicht hören will, muss<br />

fühlen.“ Der Erziehungsauftrag für das Heimwesen<br />

<strong>der</strong> <strong>DDR</strong> folgte <strong>der</strong> gleichen Ideologie.<br />

In den Spezialheimen sollten diejenigen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen, die <strong>der</strong> Vorstellung<br />

<strong>der</strong> sozialistischen Persönlichkeit nicht entsprachen,<br />

„umerzogen“ werden. „Der Aufenthalt<br />

z. B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Jugendwerkhof wurde als<br />

wichtige Etappe im Prozess <strong>der</strong> Umerziehung<br />

angesehen“ (Jahn 2010, 68). Es wurde oft<br />

nicht nach den Ursachen für die Schwierigkeiten<br />

<strong>der</strong> Jugendlichen gesucht o<strong>der</strong> nach<br />

angemessenen Hilfsmaßnahmen, wichtiger<br />

war es, e<strong>in</strong>e Anpassung des Verhaltens an die<br />

sozialistischen Ideologien zu erreichen. Die<br />

Umerziehung war auf vier Säulen gestützt:<br />

Kollektiverziehung, Arbeitserziehung, die<br />

Erziehung zur bewussten Diszipl<strong>in</strong> und die<br />

politisch-ideologische Erziehung (Jahn 2010,<br />

68). Zur Umsetzung <strong>der</strong> Kollektiverziehung<br />

(Makarenko 1976, Manschatz 1968) wurden<br />

<strong>in</strong> den Heimen Gruppenleiter e<strong>in</strong>gesetzt,<br />

die für die Diszipl<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe mitverantwortlich<br />

waren und alle Verstöße melden<br />

mussten. Der ganze Tagesablauf wurde <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Gruppe verbracht und kontrolliert, die<br />

Entwicklung <strong>in</strong>dividueller Interessen wurde<br />

massiv beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Sich nicht an die sozialistischen<br />

Normen haltende K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

wurden durch das Gruppenkollektiv<br />

bestraft. Diese Kollektivstrafen wurden <strong>in</strong><br />

den <strong>DDR</strong>-Heimen mit <strong>der</strong> Zeit als Erziehungsmittel<br />

explizit e<strong>in</strong> wichtiger Teil <strong>der</strong><br />

pädagogischen Konzepte. Sicher waren diese<br />

Mittel zur Erreichung <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Ziele nicht angemessen und richteten sich<br />

gegen das K<strong>in</strong>deswohl. Beispiele Betroffener<br />

für das oft grausame Ausmaß dieser Strafen<br />

f<strong>in</strong>den sich im 2. Kapitel <strong>der</strong> Expertise.<br />

Es ist bisher noch nicht ausreichend<br />

untersucht, <strong>in</strong>wieweit bzw. wie schnell die<br />

genannten theoretischen Vorgaben <strong>der</strong><br />

sozialistischen Erziehungsvorstellung von<br />

den Erziehern <strong>in</strong> den Heimen aufgenommen<br />

und auch so umgesetzt wurden. Aus den<br />

wenigen bisherigen Befragungen e<strong>in</strong>iger<br />

ehemaliger Heimerzieher (Arp et al. 2011,<br />

Methner 2009) geht hervor, dass zum<strong>in</strong>dest<br />

e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Erzieher die theoretischen Konzepte<br />

nicht verstand o<strong>der</strong> ihnen nicht folgte,<br />

son<strong>der</strong>n nur solche Maßnahmen daraus<br />

übernahmen, die sich eigneten, die Jugendlichen<br />

und den Heimablauf unter Kontrolle zu<br />

br<strong>in</strong>gen.<br />

Die Zuständigkeiten für die Leitung, den<br />

Aufbau <strong>der</strong> Heime und die Ziele <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong><br />

wurden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit nach dem Krieg<br />

und mit Gründung <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> maßgeblich<br />

geän<strong>der</strong>t. Im Jahre 1949 wurden mit Befehl<br />

<strong>der</strong> sowjetischen Militäradm<strong>in</strong>istration<br />

<strong>in</strong> Deutschland (SMAD) alle K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und<br />

Jugendheime, auch die <strong>in</strong> privater Trägerschaft,<br />

<strong>der</strong> deutschen Zentralverwaltung für<br />

Volksbildung unterstellt. E<strong>in</strong> Jahr später,<br />

1950, wurden die Jugendämter aufgelöst und<br />

an ihre Stelle traten die Referate für Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong>.<br />

Diesen Referaten <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe verblieb, nach Ausglie<strong>der</strong>ung<br />

e<strong>in</strong>iger Bereiche, als wesentliche Aufgabe <strong>der</strong><br />

gesamte Komplex staatlicher Erziehungsmaßnahmen<br />

außerhalb von Schul- und<br />

Berufsausbildung bis zum 18. Lebensjahr.<br />

Später erfolgte auch die Überleitung <strong>der</strong><br />

Jugendämter aus dem Referat des Sozial- <strong>in</strong><br />

das Volksbildungswesen. Somit sollte e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>heitliche Lenkung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erziehung <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen festgelegt werden.<br />

Der Erziehungsgedanke sollte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendamtsarbeit<br />

durchgesetzt werden, weshalb<br />

dieses Amt neben dem Schulamt <strong>in</strong> den<br />

Bereich <strong>der</strong> Volksbildung e<strong>in</strong>zuglie<strong>der</strong>n war.<br />

1951 fand e<strong>in</strong>e Neuordnung <strong>der</strong> Heime <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe statt. In <strong>der</strong> Verordnung über die<br />

<strong>Heimerziehung</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

wurde e<strong>in</strong>e Differenzierung <strong>der</strong> Heime<br />

nach ihrer Zweckbestimmung vorgenommen<br />

und zwischen Normal-, Spezial-, Durchgangs-<br />

und Erholungsheimen unterschieden.<br />

Die Anweisung über die e<strong>in</strong>heitliche Planung<br />

<strong>der</strong> Erziehungsarbeit <strong>in</strong> allen Heimen von<br />

1952 legte die Arbeit durch Jahres-, und<br />

Monatspläne verb<strong>in</strong>dlich fest. Um die gesellschaftliche<br />

Mitwirkung bei <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />

zu erhöhen, wurde per Verordnung von 1963<br />

die ehrenamtliche Tätigkeit <strong>der</strong> Jugendhelfer<br />

<strong>in</strong> den Geme<strong>in</strong>den geför<strong>der</strong>t. Damit wurde<br />

die Organisierung des gesellschaftlichen<br />

E<strong>in</strong>flusses, die E<strong>in</strong>beziehung nichtprofessioneller<br />

Mitarbeiter zum charakteristischen<br />

Kennzeichen <strong>der</strong> Jugendhilfe <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>. Die<br />

Organe <strong>der</strong> Jugendhilfe bestanden aus:<br />

Jugendhilfekommissionen auf kommunaler<br />

Ebene; Referate Jugendhilfe-<strong>Heimerziehung</strong>,<br />

Jugendhilfeausschüsse und Vormundschaftsräte<br />

auf Kreisebene; Referate Jugendhilfe-<br />

<strong>Heimerziehung</strong> und Jugendhilfeausschüsse<br />

auf Bezirksebene; Abteilung Jugendhilfe-<br />

<strong>Heimerziehung</strong> und Zentraler Jugendhilfeausschuss<br />

im M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung<br />

(nach Zimmermann 2004).<br />

Mit <strong>der</strong> Trennung <strong>der</strong> Heime <strong>in</strong> Normalund<br />

Spezialheime war 1952 e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches<br />

System e<strong>in</strong>geführt worden, das lediglich<br />

im Bereich <strong>der</strong> Spezialheime 1964 neu<br />

Säugl<strong>in</strong>gs–<br />

o<strong>der</strong><br />

Dauerheim<br />

0 – 3 Jahre<br />

analog<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>krippe<br />

Verwaltung<br />

Abt. Gesundheitswesen<br />

Heime<strong>in</strong>weisung<br />

durch die<br />

Gesundheitsämter<br />

Heime <strong>der</strong> Jugendhilfe <strong>in</strong> <strong>der</strong> ehemaligen <strong>DDR</strong><br />

Jugendwohnheim<br />

Vorschulheim<br />

3 – 6 Jahre<br />

analog<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

Verwaltung<br />

Referate Jugendhilfe<br />

(örtlich)<br />

Verwaltung<br />

territorial an das örtliche Referat<br />

Jugendhilfe gebunden<br />

E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong>nerhalb des Bezirks<br />

differenziert, <strong>in</strong> den Grundzügen aber bis<br />

zum Ende <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> erhalten blieb. Die Normalheime<br />

waren für elternlos und entwicklungsgefährdete<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

gedacht. Hierzu zählen die Vorschulheime,<br />

Normalk<strong>in</strong><strong>der</strong>heime und Jugendwohnheime.<br />

Zu den Spezialheimen gehören die Durchgangsheime<br />

und Durchgangstationen, später<br />

auch die Aufnahmeheime, wie auch die Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong>heime<br />

und Jugendwerkhöfe, <strong>der</strong><br />

geschlossene Jugendwerkhof Torgau sowie<br />

das 1964 geschaffene Komb<strong>in</strong>at <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>heime<br />

für Psychodiagnostik und pädagogisch-psychologische<br />

Therapie (Zimmermann<br />

2004, 243).<br />

Die Aufnahme- und Beobachtungsheime<br />

waren für K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche gedacht,<br />

bei denen e<strong>in</strong>e Fürsorgeerziehung o<strong>der</strong><br />

Strafvollzug angeordnet o<strong>der</strong> mit den Erziehungsberechtigten<br />

auf freiwilliger Grundlage<br />

vere<strong>in</strong>bart wurde; die Jugendwerkhöfe für<br />

Verwaltung<br />

Rat des Bezirks,<br />

Referat Jugendhilfe<br />

Koord<strong>in</strong>ation und Vergabe von Heimplätzen durch die Zentrale Heime<strong>in</strong>weisungsstelle beim Rat des Bezirks<br />

Quelle: Landesjugendamt Sachsen – ergänzt durch LJA Thür<strong>in</strong>gen<br />

Normalk<strong>in</strong><strong>der</strong>heim<br />

„K<strong>in</strong><strong>der</strong> & Jugendliche ohne<br />

Erziehungsschwierigkeiten”<br />

Kl. 1 – 10<br />

(6 –16 Jahre)<br />

Kl. 1 – 8<br />

Son<strong>der</strong>schule<br />

(6 –16 Jahre)<br />

Beschulung <strong>in</strong> <strong>der</strong> im<br />

Heime<strong>in</strong>zugsbereich<br />

liegenden öffentlichen<br />

Schule<br />

Lehrl<strong>in</strong>g<br />

(14 –18 Jahre)<br />

E<strong>in</strong>weisung<br />

republikweit<br />

Lehrbetrieb<br />

im<br />

Ort des<br />

Heimes<br />

Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong>heim<br />

„K<strong>in</strong><strong>der</strong> & Jugendliche mit<br />

Erziehungsschwierigkeiten”<br />

Kl. 1 – 8<br />

Kl. 2 – 10 Son<strong>der</strong>schule<br />

(7 –16 Jahre) (6 –16 Jahre)<br />

Beschulung <strong>in</strong><br />

heimeigener Schule,<br />

die gleichzeitig dem<br />

Heim angeschlossen<br />

ist<br />

Lehre<br />

(14 – 18<br />

Jahre)<br />

(Teil)<br />

Lehre, die<br />

im<br />

Jugendwerkhof<br />

angeboten<br />

wird<br />

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