Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung
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Erziehungsvorstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />
In Halberstadt bestand das Durchgangsheim<br />
aus zwei zellenartigen, abgeschlossenen<br />
Räumen, die auch im Februar (Inspektionszeitraum)<br />
nicht geheizt waren.<br />
In Brandenburg/Havel und Potsdam<br />
befand sich das Durchgangsheim jeweils im<br />
Polizeipräsidium. Zu den Insassen gehörten<br />
Sozialfälle und jugendliche Untersuchungshäftl<strong>in</strong>ge<br />
gleicherweise. 530<br />
Im Jugenddurchgangsheim Gühlen-Glienicke<br />
schliefen die Insassen auf rohen Brettern<br />
und lebten <strong>in</strong> ungeheizten Räumen (Kontrolle:<br />
Dezember 1952). 531<br />
Diese Zustände können nicht als „zeitbed<strong>in</strong>gt“<br />
e<strong>in</strong>gestuft werden, son<strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d bereits<br />
von den Berichterstattern hart kritisiert<br />
worden.<br />
Ungewöhnlich schlimme Zustände herrschten<br />
zeitweise im Jugendwerkhof Struweshof<br />
bei Berl<strong>in</strong>. Für das Jahr 1948 zitiert Korzilius<br />
e<strong>in</strong>e längere Passage aus e<strong>in</strong>em Bericht über<br />
die Zustände <strong>in</strong> Struveshof:<br />
„Die Erziehungshäuser waren voller Schmutz<br />
(...). Das erschütterndste Bild boten die Bettnässer.<br />
(...) Sie schliefen auf ständig nassen faulenden<br />
Matratzen ohne Bettzeug <strong>in</strong> ihren von Ur<strong>in</strong><br />
getränkten Lumpen. Der ‚Schlafraum‘ strömte<br />
e<strong>in</strong>en unvorstellbaren, penetranten Geruch aus.<br />
Große Ur<strong>in</strong>lachen wurden tagelang überhaupt<br />
nicht entfernt. In ihnen schwammen Kartoffelschalen,<br />
Rübenreste, Bücher, Zigarettenstummel,<br />
Lampen u.s.w. Von <strong>der</strong> Jugendhilfsstelle wurden<br />
uns damals durch jeden Transport massenweise<br />
Kopfläuse und Klei<strong>der</strong>läuse e<strong>in</strong>geschleppt.<br />
Die Erzieher achteten wenig auf körperliche<br />
Sauberkeit. Die Nachtklosetts waren unbeleuchtet,<br />
so dass die Jungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dunkelheit<br />
mit ihren bloßen Füßen <strong>in</strong> die Fäkalien traten,<br />
um beschmutzt unter ihre Decke <strong>in</strong>s Bett zu<br />
schlüpfen.“ 532<br />
530 Reisebericht: Kontrolle <strong>der</strong> Durchgangsheime<br />
Halle, Wernigerode, Halberstadt, Magdeburg,<br />
Brandenburg, Potsdam vom 20. bis 22. Februar 1952.<br />
In: BArch DR 2/5565, S. 61.<br />
531 Bericht über den E<strong>in</strong>satz im Kreis Neurupp<strong>in</strong><br />
zwecks Beispielschaffung zur Durchführung e<strong>in</strong>er<br />
Stal<strong>in</strong>feier am 20. Dezember 1952 (vom 6. Dezember<br />
1952). In: BLHA Rep. 401 RdB Pdm, Nr. 2073.<br />
532 Korzilius, 2004, S. 128 f.<br />
Auch gegen Ende <strong>der</strong> 1950er-Jahre f<strong>in</strong>den<br />
sich e<strong>in</strong>zelne Berichte, die diese Zustände als<br />
unhaltbar kritisieren. Zum Beispiel zogen<br />
sich Jugendliche e<strong>in</strong>es Jugendwerkhofes <strong>in</strong><br />
Sachsen vermutlich Erfrierungen zu. 533 In an<strong>der</strong>en<br />
Jugendwerkhöfen (Bräunsdorf) waren<br />
dagegen den Zeitumständen entsprechend<br />
sehr gute Lebensbed<strong>in</strong>gungen anzutreffen. 534<br />
Aus zahlreichen E<strong>in</strong>zelberichten lässt sich<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>es generellen Problems <strong>der</strong><br />
<strong>DDR</strong>-Heime bilden. Zwar gelang es kurz<br />
nach Kriegsende durch Enteignungen und<br />
Übernahmen, e<strong>in</strong> großes Raumangebot zur<br />
Verfügung zu stellen. Die bauliche Unterhaltung<br />
<strong>der</strong> Burgen, Gutshäuser, Schlösser und<br />
teilweise auch Verwaltungsgebäude ließ sich<br />
jedoch mit den Mitteln <strong>der</strong> Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong><br />
nicht bewältigen, sodass bereits<br />
Ende <strong>der</strong> 1950er-Jahre deutliche Verfallsersche<strong>in</strong>ungen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bausubstanz bei allen<br />
Heimtypen e<strong>in</strong>getreten s<strong>in</strong>d. 535 Viele dieser<br />
Gebäude waren zudem für e<strong>in</strong>en Gruppenbetrieb<br />
nicht geeignet. Es fehlte an sanitären<br />
E<strong>in</strong>richtungen, Großküchen wurden improvisiert<br />
e<strong>in</strong>gebaut, zentrale Heizanlagen erwiesen<br />
sich als <strong>in</strong>effektiv und <strong>der</strong> Zuschnitt<br />
<strong>der</strong> Räume führte gleichzeitig zu Über- und<br />
Unterbelegungen. Viele dieser Probleme blieben<br />
bis zum Ende <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> ungelöst. 536 Sie<br />
bildeten die Ursache für die <strong>in</strong> den 1970erund<br />
1980er-Jahren größer werdende Diskrepanz<br />
zwischen den offiziellen Planzahlen <strong>der</strong><br />
Heimkapazitäten und ihren tatsächlichen<br />
Aufnahmemöglichkeiten.<br />
Dadurch verschärfte sich vor allem <strong>der</strong><br />
Mangel an Normalheimplätzen, <strong>der</strong> bereits<br />
533 Aktenvermerk über die Zustände im<br />
Jugendwerkhof Großstädteln vom 28. Mai 1956. In:<br />
BArch DR 2/5573.<br />
534 Reisebericht Nr. 71 über die Dienstreise nach<br />
Neustrelitz, Bräunsdorf, Königste<strong>in</strong> und Pirna vom<br />
7. bis 11. Oktober 1951. In: BArch DR 2/5565, S. 56.<br />
535 Bericht über den Jugendwerkhof<br />
Wrangelsburg vom 21. November 1955. In: BArch DR<br />
2/5573.<br />
536 Komitee <strong>der</strong> ABI: Kontrolle <strong>der</strong><br />
Lebensbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> den Normal- und<br />
Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong>heimen sowie Jugendwerkhöfen vom 8.<br />
Mai 1974. In: BArch DR 2/12328.<br />
1974 e<strong>in</strong> Problem darstellte. 537 In diesem<br />
Jahr wurde das Defizit im Bereich <strong>der</strong><br />
Normalheime mit 5.055 Plätzen und im<br />
Bereich <strong>der</strong> Spezialheime von 4.923 Plätzen<br />
angegeben. 538<br />
Die Sätze für persönliche Zuwendungen an<br />
die Heim<strong>in</strong>sassen wurden mehrfach angepasst.<br />
Dies geschah <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Kritik am allgeme<strong>in</strong>en<br />
Lebensstandard <strong>in</strong> den Heimen. So hieß es <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Bericht von 1968:<br />
Heimplätze und ihre Belegung<br />
35.000<br />
30.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
0<br />
Belegt<br />
Nicht belegt<br />
1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989<br />
Quelle: Statistisches Jahrbuch <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> für 1989<br />
537 Auszug aus e<strong>in</strong>er Untersuchung <strong>der</strong> ABI<br />
zur Situation <strong>in</strong> den Heimen <strong>der</strong> Jugendhilfe (ohne<br />
Datum, 1986). In: BArch DR 2/60826, Bd. 2.<br />
538 Komitee <strong>der</strong> ABI: Kontrolle <strong>der</strong><br />
Lebensbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> den Normal- und Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
heimen sowie Jugendwerkhöfen vom 8. Mai<br />
1974. In: BArch DR 2/12328.<br />
„Die materielle Lage <strong>der</strong> Heime (baulicher Zustand,<br />
Ausstattung) entspricht <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise<br />
dem gewachsenen durchschnittlichen Lebensstandard<br />
<strong>in</strong> unserer Republik. Viele Heime s<strong>in</strong>d<br />
ausgesprochen dürftig und ärmlich ausgestattet.<br />
(…) Die vorgegebenen f<strong>in</strong>anziellen Normen für<br />
Verpflegung, Bekleidung, kulturelle Betreuung<br />
und Ferienarbeit s<strong>in</strong>d unzulänglich und müssen<br />
verän<strong>der</strong>t werden.“ 539<br />
Berichte dieser Art, die zeigten, dass <strong>der</strong><br />
Lebensstandard <strong>in</strong> den Heimen h<strong>in</strong>ter dem<br />
allgeme<strong>in</strong>en Lebensstandard weit zurückfiel,<br />
wurden <strong>in</strong>tern verarbeitet und führten zu<br />
Verän<strong>der</strong>ungen, die durch <strong>in</strong>terne Weisungen<br />
bekannt gegeben wurden. 540<br />
539 M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung. Büro des<br />
M<strong>in</strong>isters. Dienstberatung am 29. November 1968,<br />
Vorlage. Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong>. In: BArch DR<br />
2/23133.<br />
540 Interne Weisung zur Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Situation <strong>in</strong> den Heimen <strong>der</strong> Jugendhilfe vom 5. Juni<br />
1974. In: BArch DR 2/24316.<br />
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