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als ‘quantité negliable’ ansahen, sich an einem moralentleerten Utilitarismus<br />
orientierten und sich in denkbar vielfältigen Formen situativer Zwänge jeweils<br />
aktualisierten. Auf der anderen Seite der rassistische Antisemitismus, der die<br />
Vertreibung, schließlich die Ermordung aller Juden in den Vordergrund stellte.<br />
Beides allerdings steht in den spezifischen, miteinander verwandten Traditionsbezügen<br />
der Politik Deutschlands und der anderen Großmächte in den Kolonien,<br />
insbesondere in Afrika – der langen Traditionen der Planungen für ein deutsches<br />
quasikoloniales Hinterland in Ost- und Südosteuropa einerseits, der Tradition<br />
des Antisemitismus andererseits. Beide Entwicklungen begannen sich seit Ende<br />
der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts zu entfalten und erreichten seit der Jahrhundertwende,<br />
dann wiederum im 1. Weltkrieg erste Höhepunkte.“ Das ist ein<br />
ziemlich kompliziertes Zitat. Ich werde es ein wenig aufspalten. In ihm sind<br />
einige der wichtigsten Erkenntnisse aktueller Erforschung der Ursachen des Völkermords<br />
an den Juden und – versteht man den aktuellen Antisemitismus als<br />
eine moderne Form des Rassismus – auch des Rassismus und seiner Umsetzung<br />
in gewalttätiges Handeln versammelt. Der Genozid wird als Effekt von Diskursverschränkungen<br />
sichtbar. Demnach ist der Effekt der Verschränkung, mindestens<br />
der folgenden drei Diskursstränge, der Völkermord an den Juden. Nämlich:<br />
Bevölkerungspolitik der Nazis – Stichwort „Volk ohne Raum“ –, Ostexpansion<br />
anstelle der Kolonien, Großmachtstreben und damit verbundener Krieg, moralentleerter<br />
Utilitarismus, also situative Zwänge wissenschaftlichen Machbarkeitswahns<br />
und Rassismus. Zu nennen wären über das, was Ulrich Herbert sagt,<br />
hinaus ferner die Stichworte Einparteiensystem, Diktatur, wodurch die völkische<br />
Ideologie zur Staatsdoktrin werden konnte. Dass sich dies in einer kapitalistisch<br />
formierten Gesellschaft abspielte, muss ich natürlich nicht nur am Rande vermerken.<br />
Ein direkter Bezug zwischen Kapitalismus und Faschismus besteht meines<br />
Erachtens jedoch nicht, zumindest nicht in dem Sinne, dass Kapitalismus<br />
zwangsläufig zu Faschismus führt. Eher könnte man sagen, dass der Kapitalismus<br />
eine Folge vielfältiger historischer Diskurse ist – etwa naturwissenschaftlich-technischer,<br />
philosophischer, religiöser usw. Also solcher Diskurse, die auch<br />
zum Entstehen von Faschismus beigetragen haben, aber teilweise ganz andere<br />
Folgen hatten. Wichtig scheint mir, dass Herbert ein Zusammenspiel verschiedener<br />
historischer Diskurse als historisches A priori, also Vorangegangenes des<br />
deutschen Faschismus und damit des Holocaust benennt und nicht als kausale<br />
Folge. Faschismus ließe sich so als Effekt einer Diskursverschränkung verstehen,<br />
der zum Völkermord an den Juden führte, aber zugleich historisch zufällig ist<br />
und sich in dieser Form kaum wiederholen dürfte. Anders ausgedrückt: Einerseits<br />
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