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größeren Gruppe in der Bevölkerung getragen wurden. Und wer sich an Lichtenhagen<br />

erinnert – das war eine Stimme, die von einer Masse an Bevölkerung<br />

gedeckt wurde. Diese Brandanschläge und Überfälle hatten eine Deckungsmasse<br />

von Mitläufern, von Menschen, die sich zumindest mit den Zielen – wenn auch<br />

vielleicht nicht mit allen Handlungen – identifiziert haben, dass man Ausländer<br />

dort nicht haben will. Die Frustration, die in den neuen Bundesländern zum<br />

Beispiel durch Arbeitslosigkeit besteht, gründet nicht nur in der Angst vor Armut<br />

und Verelendung, sondern wird auch als Verletzung einer werthaften Arbeitsethik<br />

wahrgenommen. Andere Werte wie öffentliche Ordnung und soziale<br />

Sicherheit sehen viele Ostdeutsche durch Kriminalität und die Anwesenheit von<br />

Ausländern bedroht. Sekundärtugenden wie Ordnung, Sauberkeit, Ruhe hatten<br />

im Gemeinwesen DDR einen weitaus höheren Stellenwert als Kreativität, produktive<br />

Unruhe und Individualität. Der Einbruch in vielen Biografien, nicht<br />

nur Erwerbsbiografien von BürgerInnen in den neuen Ländern, hat ein starkes<br />

Verunsicherungsgefühl aufkommen lassen, das ein Festhalten an solchen Kriterien<br />

und damit die Abwehr des Andersseins als eine Art Haltepunkt erscheinen<br />

lässt.<br />

Wenn die Politik der DDR-Regierung auch nicht immer und in vollem Umfang<br />

von der Mehrheit ihrer Staatsbürger getragen wurde, so war die erwünschte Einheit<br />

von Staat und Volk in der Ausländerfrage ziemlich ausgeprägt. Die Ausländerpolitik<br />

bestand darin, Ausländer von der DDR möglichst fern zu halten und<br />

die wenigen dort lebenden Vertragsarbeiter zu ghettoisieren. Sie fand Zustimmung<br />

bei der Mehrheit der Bevölkerung. Selbst die geringe Zahl von Vertragsarbeitern<br />

aus Vietnam, Afrika oder Lateinamerika erregte Unmut bei denen, die in<br />

der Nähe dieser Ghettos lebten. Ich darf an Sprüche wie „Kubaner machen sich<br />

an unsere Mädchen ran“ und „Vietnamesen kaufen Mopeds und Fahrräder weg“<br />

oder „Schwarze sind laut und auffällig“ erinnern. Gegen polnische BürgerInnen<br />

wurden regelrechte Kampagnen inszeniert, um ihnen die Auswirkungen der Mangelwirtschaft<br />

in die Schuhe zu schieben. Die Aufregung, die in der Bevölkerung<br />

über größere Einkäufe von polnischen Bürgern existierte, wurde regierungsseitig<br />

oft instrumentalisiert.<br />

Die Regionen, die nach der Wende als erste ganz massiv und sichtbar von<br />

rechter Jugendgewalt heimgesucht wurden, hatten schon in der DDR eine besondere<br />

Bedeutung für die rechte Szene. Es handelte sich um Gebiete mit über<br />

mehr als ein Jahrzehnt gewachsenen rechten Kommunikationsstrukturen. In<br />

Sachsen ist es der Muldetalkreis mit dem Zentrum Wurzen, aber auch Görlitz,<br />

Zwickau und Hoyerswerda. In Thüringen ist es der Raum um Jena, Rudolstadt<br />

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