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Kontinuitäten aus der NS-Zeit, die auf einer Ebene außerhalb der verbal<br />

formulierten politischen Einstellungen lagen, gerieten nicht ins Blickfeld. Unter<br />

und neben der offiziell verdammten Ebene der nationalsozialistischen Ideologie<br />

wurden Erfahrungen, Einstellungen, Erlebnisweisen und Erlebniswelten umso<br />

ungehemmter tradiert, je weniger sie als politisch bedeutsam erkannt wurden. 1<br />

Ähnlichkeiten mit nationalsozialistischem Gedankengut gibt es auch heute<br />

noch: Moderne ökologische Prinzipien wie landschaftsgerechtes Bauen und<br />

schonender Umgang mit den Ressourcen hatten Vorläufer bei dem Bau der „Straßen<br />

des Führers“. Die Biologie begründet die Überlegenheit eines Geschlechts:<br />

Teile der heutigen Frauenbewegung übernehmen den biologistischen Argumentationsgestus<br />

der Nazis. Der Körper-, Schönheits- und Fitnesskult knüpft an<br />

Prioritäten der NS-Pädagogik und Ästhetik an. Die Vorliebe für Naturheilverfahren,<br />

Esoterik, Homöopathie, die Suche nach Wurzeln in archaischen und außerchristlichen<br />

Kulturen wurden von der NS-Prominenz geteilt. Die Begeisterung<br />

für Schnelligkeit, Technik, Höchstleistungen und gefährliche Grenzerfahrungen<br />

spielt im Nationalsozialismus eine ähnliche Rolle wie in der postmodernen<br />

Erlebniswelt. Die gegenwärtig häufige ästhetizistische Inszenierung medialer<br />

Effekte ohne Interesse für die vermittelten Inhalte hat Vorläufer im Selbstverständnis<br />

faschistischer Künstler.<br />

Auf vielen Feldern der Alltagskultur und der Alltagsästhetik spüren die Neuen<br />

Rechten mit einigem Erfolg Ansatzpunkte zum Einklinken auf. Längst hat die<br />

Werbung bekannte Phantasien in zeitgemäße Formen gegossen. Der Weg von der<br />

Gestaltungsweise Arno Brekers zum leibhaftigen Duschgel-Mann ist ästhetisch<br />

kürzer als mancher denken mag.<br />

Schönheit, Gesundheit, Sauberkeit und Kraft – zu fragen ist, was schlecht<br />

sein soll an diesen Idealen. Es wird zunehmend schwerer werden, die Kehrseiten<br />

dieses neuen alten Kultes aufzudecken: die Verachtung des Ohnmächtigen,<br />

Kranken, Schwachen, Fremden. Und vielleicht wird dies in Zukunft die wichtigste<br />

Aufgabe auch der Politiker und Pädagogen sein.<br />

2. Gegen die neue Unübersichtlichkeit<br />

Die Sehnsucht nach klaren Orientierungen erfasst immer mehr Menschen angesichts<br />

einer zunehmend unübersichtlicheren und allem Anschein nach desolateren<br />

Welt. Die Sozialpsychologie prägte den Begriff des psychischen<br />

1<br />

Die Ausführungen stützen sich auf die Untersuchungen von Gudrun Brockhaus, dargestellt in<br />

„Schauder und Idylle – Faschismus als Erlebnisangebot“<br />

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