GAP-JOURNAL 2012/13 - AFA
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gen auf die Translation hatte. Anhand von manipulativen Übersetzungen wurde die<br />
indigene Bevölkerung als rückständig dargestellt und ihre Wertestruktur sowie ihr<br />
Gesellschaftssystem abgewertet (vgl. Ashcroft/Griffiths/Tiffin 2002²:7). Durch die Vorherrschaft<br />
der Sprache der Kolonialmacht war der Translationsbedarf für literarische<br />
Werke von der indigenen Ausgangssprache in die europäische Zielsprache gering. Es<br />
wurden nur wenige Texte inder indigenen Sprache verfasst, was neben den bereits<br />
genannten Gründen noch auf zwei weitere Aspekte zurückgeführt werden kann. In der<br />
Zeit des Kolonialismus gab es in den Kolonien einerseits keine Verlage, die von der<br />
heimischen Bevölkerung geführt wurden, und andererseits war auch das heimische<br />
Zielpublikum aufgrund der hohen Analphabetisierungsrate sehr klein. Die Schriftsteller*innen,<br />
die Angehörige der kolonialisierten Bevölkerung waren, wurden also dazu<br />
gezwungen, ihre Werke inder Kolonialsprache zuschreiben und an das europäische<br />
Publikum und seinen Geschmack anzupassen (vgl. Memmi 02/09/1996:3).<br />
PostkolonialeÜbersetzungstheorie<br />
Postkoloniale Literatur wurde lange Zeit, wenn sie inder Sprache der ehemaligen Kolonialmacht<br />
verfasst war, als eine Unterkategorie, als ein „Anhängsel“ (Sametz-Art<br />
2002:4) von europäischer Literatur betrachtet und somit trotz der kulturellen Unterschiede<br />
und linguistischen Varietät nach europäischen Literaturnormen beurteilt und<br />
wie europäische Literatur übersetzt (vgl. Buden 2005:104f). Sowohl die Tatsache, dass<br />
sich postkoloniale Schriftsteller*innen anderer Schreibstile bedienen wie ihre europäischen<br />
Kolleg*innen, als auch der spezifische kulturelle Kontext, geprägt durch die<br />
Erfahrung des Kolonialismus, wurden also völlig außer Acht gelassen. Die postkoloniale<br />
Übersetzungstheorie entstand Mitte bzw. Ende der 1980er Jahre als ein Teilgebiet<br />
der Übersetzungstheorie im Zuge dieser Fokusverschiebung auf die Kultur imÜbersetzungsprozess<br />
aus Elementen der Anthropologie, Ethnografie und dem kolonialen Kontext<br />
und hat als eines ihrer Ziele sich mit der „shameful history of translation“<br />
(Bassnett/Trivedi 1999:5) auseinanderzusetzen und die Übersetzung als ein Mittel der<br />
Dekolonisierung (vgl. Wang2008:32)zunutzen. DiepostkolonialeÜbersetzungstheorie<br />
sieht die Übersetzung als „eine Form derRepräsentation fremder Kulturen“(Bachmann-<br />
Medick 1997:36) und hinterfragt ihre Rolle im(post)kolonialen Kontext. Sie konzentriert<br />
sich mehr auf den Kontext als den Text, und mehr auf die Macht und Ideologie,<br />
die sie ausüben und verbreiten kann, als auf die Worttreue zum Ausgangstext (vgl.<br />
Wang 2008:31). Weiter erforscht sie durch die Analyse des kolonialen Diskurses die<br />
Rolle der Übersetzung in den asymmetrischen Machtgefügen der Kolonialzeit und will<br />
die Strategien sichtbar machen, durch die die Translation imKolonialismus zueinem