GAP-JOURNAL 2012/13 - AFA
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verlorene noch dazu, und die Wissenschaft, die Politik, wir alle haben sie damit ins<br />
Labor gebracht, wo sie jetzt Gegenstand unserer Untersuchungen ist. Wir müssen uns<br />
nicht mehr damit beschäftigen, dass essich vielleicht um direkte Auswirkungen von<br />
eingeforderter Austeritätspolitik und dem Schutz unserer Banken handelt oder das<br />
strukturelle Ungleichheiten über Altersgrenzen hinweg sich hier manifestieren. All das<br />
können wir mit dem Begriff der verlorenen Generation umschreiben.<br />
Mit klinisch geschultem, wissenschaftlichem Interesse betrachten wir Griechenland, ein<br />
Experiment nie dagewesenen Ausmaßes; eine ganze Generation, die von ihren Vorgängern<br />
in den Abgrund gestoßen wurde –Korruption, mangelndes Wirtschaftsbewusstsein,<br />
fehlende Ausbildungsmaßnahmen –und wir können uns fragen, wird sie es schaffen<br />
oder nicht? Wie ein Patient auf dem Operationstisch liegt ein ganzes Land vor uns,<br />
in Erwartung unserer Eingriffe, und wenn wir von Ausschreitungen inAthen hören,<br />
dann ist eswie ein Versagen eines Organs, das dazu prädestiniert ist zuversagen, weil<br />
wir ihm diese Eigenschaft ja schon imVorhinein zugeschrieben haben. Wir haben Verantwortung<br />
für unseren Patienten, aber nur als Helfer und Retter –wir haben die Ausschreitungen<br />
und Proteste dieser verlorenen Generation bereits eingeplant, aber hier ist<br />
jedes Mittel recht, denn es gilt den Patienten am Leben zuerhalten. Sollte es aber doch<br />
zum Exodus kommen, dann können wir uns vielleicht vorwerfen nicht genug zur Rettung<br />
getan zuhaben, Schuld sind wir uns aber keiner bewusst –denn schließlich: Was<br />
kann man schon machen, bei einem derart ungesunden Lebensstil?<br />
So bleiben Proteste inunserem Denken nichts weiter als sichtbarer Ausdruck wirtschaftlicher<br />
Schieflagen und fehlender Arbeitsplätze, ohne dass wir uns Gedanken darüber<br />
machen müssen, dass hier vielleicht eine große Gruppe Menschen die Enttäuschung<br />
verspürt, dass eine Europäische Union zwar freien Warenfluss ermöglicht,<br />
jedoch von Solidarität und Gemeinschaft nicht viel hält. Allgemeiner gesprochen: Wenn<br />
sich eine Generation ihre Hörner abstößt, dann tut sie das als Generation und wir<br />
betrachten sie als einen Körper, der die von uns bereits vorhergesehenen Reaktionen<br />
zeigt, wie ein Kind in einer Trotzphase, und können dabei ignorieren, welche soziokulturellen,<br />
ökonomischen und sozialen Faktoren dahinter stehen. Eine nachfolgende<br />
Generation kann also hier nicht anders, als sich in unseren Augen quasi ödipal über die<br />
vorhergehende zu erheben –damit wird jede Handlung aber nur zu einem Ausdruck<br />
ihrer Generationenhaftigkeit, bar jeglichen emanzipativen Charakters, und der Begriff<br />
derGeneration steht damit entgegen einer demokratischen Praxis.<br />
auch stellvertretend dafür stehen, wie schnell Generationen angerufen werden, auch um ein<br />
derartiges Wir zu konstruieren.