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Im Rathause fragte man beim staatlichen Einkommensteuerbüro an und erhielt die Auskunft,<br />

Graf von Bismarck sei mit einem Einkommen von 12 000 Talern zur 18. Staatseinkommensteuerstufe<br />

veranlagt. Auch über seine Güter und ihren Ertrag wußte das<br />

Büro genauestens Bescheid. Graf Bismarck besäße im Kreise Naugard das Rittergut<br />

Kniephof mit 2161 Morgen, im Kreise Jerichow das Gut Schönhausen mit 1361 Morgen,<br />

im Kreise Schlawe das Rittergut Varzin mit 9204 Morgen sowie die Güter Wussow mit<br />

3441 und Wendisch-Puddigen mit 9460 Morgen; der Ertrag der Güter wurde mit 14 20C<br />

Talern, die Hypothekenschulden mit 149 200 Talern zu 5 v. H., 22 625 Talern zu 4<br />

v. H. angegeben.<br />

Daraufhin wurde im Rathause ein Antwortschreiben aufgesetzt, das zunächst die fehlende<br />

Vollmacht des Herrn Legationsrats höflich bemängelte und dann genauestens nachwies,<br />

daß von einer Zurückzahlung zuviel gezahlter Beträge keine Rede sein könne, Graf<br />

Bismarck vielmehr pro Vierteljahr 48 Taler nachzuzahlen habe, was zu veranlassen Seine<br />

Exzellenz ergebenst ersucht wurde. Nun griff der Ministerpräsident selbst in die Debatte<br />

ein. Das seine Unterschrift tragende Schreiben vom 28. September 1869 bestreitet die<br />

rathäusliche Auffassung der Sachlage und weist seinerseits nach, daß 42 Taler Steuern<br />

überzahlt seien, da man im Rathause die Bestimmung nicht beachtet hätte, daß Beamte<br />

- zu ihnen rechne auch der Ministerpräsident - nur die Hälfte des ermittelten Steuerbetrages<br />

zu zahlen verpflichtet seien. Die Einstufung zur Staatseinkommensteuer sei 1868<br />

ungefähr richtig gewesen, aber heute nicht mehr. „Ich habe", so lautet der Schlußabsatz<br />

des Schreibens, „seitdem das verpachtet gewesene Gut Kniephof verkauft und für den<br />

Ertrag, mit Einschluß meines früheren Kapitalvermögens, das größere, bisher aber ertraglose<br />

Gut Seelitz und mehrere kleinere Besitzungen angekauft, auch das frühere Pachtgut<br />

Misdrow mit einem Aufwände von 20 000 Talern in eigene Administration nehmen<br />

müssen. Diese Erwerbungen haben mein Kapitalsvermögen absorbiert, und kosten zur<br />

Zeit mehr als sie einbringen. Für 1870 werde ich daher auch hinsichtlich der Staatssteuer<br />

eine geringerte Einschätzung beantragen."<br />

Man kann sich unter dem Eindruck dieser Ausführungen des beklemmenden Eindrucks<br />

nicht erwehren, daß Bismarck im Herbst 1869 schon seine privaten Sorgen gehabt haben<br />

muß; mit restlos „absorbiertem" Privatvermögen Besitzer oder Pächter von Gütern, die<br />

nichts einbrachten, sondern nur kosteten, und dann noch die hohen Gemeindesteuern, auf<br />

deren pünktlicher Zahlung das Rathaus unerbittlich bestand!<br />

Ob für 1870 der beabsichtigte Antrag auf Herabsetzung der Staatseinkommensteuer gestellt<br />

worden ist, geht aus dem Aktenheft nicht hervor. Aus dem Jahre 1869 datiert noch<br />

ein Schreiben der Servisdeputation, das in der Wilhelmstraße sicher Überraschung ausgelöst<br />

hat: es waren tatsächlich 24 Taler Gemeindeeinkommensteuer überzahlt, deren<br />

Abhebung zu veranlassen Seiner Exzellenz ergebenst anheimgestellt wurde. Aber dann!<br />

Vermutlich hat Bismarck über die Ereignisse des Sommers 1870 den ganzen verwickelten<br />

Steuerkomplex vergessen. Im Schlachtendonner von Sedan war die französische Kaiserkrone<br />

zerbrochen, Bismarck hatte bei Donchery die bekannte Unterredung mit Napoleon<br />

gehabt. Am 10. September 1870 befand er sich in Reims und hatte die Nachricht<br />

erhalten, daß in Paris die Republik ausgerufen worden sei. In Berlin aber hatte am Vormittag<br />

dieses Tages der Exekutor Schmidt in der Wilhelmstraße 76 10 Taler rückständige<br />

Mietssteuer einkassieren wollen, hatte jedoch die Zahlungsaufforderung nicht „präsentieren"<br />

können, „weil", wie sein Aktenvermerk lautet, „der Herr Graf mit ins Feld gerückt<br />

ist und die Frau Gräfin nach Nauheim zur Pflege Ihres Sohnes abgereist ist (Graf Her-<br />

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