14.12.2012 Aufrufe

Similar

Similar

Similar

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

zu den Kommunalsteuern herangezogen werden. Viel schwerer aber als die Steuerausfälle<br />

gerade von denjenigen Institutionen, die die Industrieagglomeration in Spandau geschaffen<br />

hatten, wog, daß die Heeresbetriebe das Wirtschaftsleben der Stadt vollkommen beherrschten<br />

und diese gänzlich von ihnen abhängig war. Spandau war bis 1900 völlig den<br />

Schwankungen unterworfen, die durch die Zyklen der Vollbeschäftigung und der Arbeitseinschränkungen<br />

bei den militärfiskalischen Betrieben ausgelöst wurden.<br />

Nach dem deutsch-französischen Kriege z.B. hatten die Spandauer „Institute" von 1871 bis<br />

1875 Hochkonjunktur: die im Kriege verschlissenen Bestände an Waffen und Gerät mußten<br />

durch Neufertigungen ergänzt, die Arsenale wieder aufgefüllt werden. Hunderte von Arbeitern,<br />

die von den Instituten eingestellt worden waren, zogen mit ihren Familien nach<br />

Spandau. Diese zuströmenden Massen trieben in der Stadt, die auf einen derartigen Zuzug<br />

nicht vorbereitet war, zunächst die Mieten in die Höhe und verursachten eine krasse<br />

Wohnungsnot, bis dann die Bautätigkeit in Gang kam. Nachdem aber die von den Feldzeugdienststellen<br />

in Auftrag gegebenen Fertigungen abgewickelt waren, schränkten die<br />

Institute ihre Arbeit stark ein, und viele Hunderte Arbeiter wurden entlassen. Die Zahl der<br />

in den militärfiskalischen Spandauer Fabriken beschäftigten Arbeiter sank von 4700 im<br />

Jahre 1875 auf 2700 im Jahre 1883. Natürlich lag bei einer derartigen Situation, bei der<br />

wenigstens 20 % der arbeitsfähigen männlichen Bevölkerung ohne Beschäftigung war oder<br />

kaum das Existenzminimum verdiente, auch das örtliche Geschäftsleben darnieder. Außerdem<br />

herrschte nun ein Überangebot an leerstehenden Wohnungen, die auch bei starker<br />

Mietermäßigung nicht zu vermieten waren, so daß auch die damals kommunalpolitisch so<br />

bedeutsame Schicht der Hauseigentümer unter der Rezession litt. Die freigesetzten Arbeitskräfte<br />

konnten am Ort selbst nur in den seltensten Fällen eine neue Stellung finden, da im<br />

zivilen Sektor die Handwerksmeister, die Ackerbürger und die Geschäftsleute kaum<br />

Arbeitsplätze anzubieten hatten. Die Betroffenen konnten noch von Glück sagen, wenn sie<br />

als Erdarbeiter beim hiesigen Festungsbau oder bei den Eisenbahnen eine schlecht bezahlte<br />

Stelle fanden. Die arbeitslos gewordenen Familienväter versuchten, in Berlin Arbeit zu<br />

bekommen oder sich als Landarbeiter zu verdingen, oder aber sie wanderten, wie es<br />

1882/83 häufig geschah, nach den USA aus.<br />

Im Jahre 1884 begannen die Institute wieder mit der Herstellung neuer Waffen, u.a. wurde<br />

die Einführung eines neuen Karabiners vorbereitet, und damit wuchs auch wieder die Zahl<br />

der Neueinstellungen. 1890 waren etwa 12 000 Arbeiter bei den militärfiskalischen Fabriken<br />

in Spandau beschäftigt. Ähnlich wie 1871 lösten die vielen Einstellungen, die die<br />

Institute nun vornahmen, wiederum einen lebhaften Zuzug nach Spandau aus. Abermals<br />

trat, ehe die Wohnbautätigkeit auf den Zustrom reagierte, Wohnungsnot auf mit allen ihren<br />

unerquicklichen Erscheinungen wie Mietwucher. Schlafstellenunwesen usw. Auch dieser<br />

Boom ging vorüber, und 1896 wurden in den Instituten nur noch 7600 Arbeiter gezählt,<br />

während es ein Jahr zuvor noch 10 100 waren. Die Folgen waren, wenn auch nicht mehr<br />

ganz so kraß wie in den früheren achtziger Jahren, wiederum Arbeitslosigkeit, stagnierendes<br />

Geschäftsleben, viele leerstehende Wohnungen, in ihrer Existenz bedrohte Hauseigentümer<br />

usw.<br />

Als sich nun in den späten neunziger Jahren abzeichnete, daß Spandau in den Gesichtskreis<br />

der Berliner Industrie getreten war, hofften die Spandauer Kommunalpolitiker, vor allem<br />

der energische und weitblickende Oberbürgermeister Friedrich Koeltze, daß man sich bei<br />

einem Zuzug privater Industrieunternehmen aus der allzu starken Abhängigkeit der Stadt<br />

von den Konjunkturwellen der militärfiskalischen Institute werde lösen können. Die<br />

442

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!