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wurde). Was Kochs Repertoire betrifft, so wurde ihm hier oft vorgeworfen, er benutze<br />

veraltete Übersetzungen. Daran waren jedoch auch die Schauspieler schuld, die sich weigerten,<br />

eine einmal „sitzende" Rolle umzulernen 28 . Allerdings konnte Koch schon 1764<br />

in Dresden ein Repertoire von mehr als 100 Titeln vorweisen 29 , das nunmehr, da die<br />

Stücke nur langsam veralteten, gewaltig angewachsen war und von den Darstellern erhebliche<br />

Gedächtnisleistungen verlangte. Auch die Struktur des Repertoires bot Grund<br />

zur Sorge: Während Döbbelin einen ausgewogenen Spielplan mit einem gewichtigen Anteil<br />

an ernster Dramatik vorgeführt hatte, brachte Koch ein Operetten- und Lustspielensemble<br />

nach Berlin, das fürchten mußte, bei der nunmehr notwendigen Fächerung des<br />

Spielplans dem Vergleich mit Döbbelin nicht standzuhalten. Ein weiteres Handicap<br />

waren die übertriebenen Erwartungen, die man an das Niveau der Kocbsdien Truppe<br />

knüpfte. Schon die beiden Schuck hatten schauspielerisch Vorzügliches in Berlin geboten,<br />

und Döbbelin besaß hier eine starke „Partei". Koch aber genoß von allen lebenden Prinzipalen<br />

den größten, einen fast legendären Ruf, den er nun zu rechtfertigen hatte. Dazu<br />

kamen die hohen finanziellen Investitionen, die er schon vor der ersten Einnahme aufbringen<br />

mußte. Die Übernahme der Schulden Schucks zeugen nicht nur von dem Wert,<br />

den Koch dem preußischen Privilegium beimaß, sondern auch von seiner weitsichtigen<br />

Geschäftsführung, indem er stets für einen Fonds sorgte, der die finanzielle Sicherheit des<br />

Unternehmens und der von ihm Abhängigen garantierte. Wie hoch diese Rücklage war,<br />

zeigte sich, als er eine weitere Belastung auf sich nahm, bevor er seine Bühne eröffnen<br />

konnte: Die trotz königlichen Zuschusses in der Auflösung befindliche französische<br />

Truppe des Fierville hatte, kaum daß sie von Kochs Anrücken hörte, das Theater mit<br />

Beschlag belegt. Um sein teuer erkauftes Haus benutzen zu können, mußte Koch das<br />

Kammergericht anrufen. Die Entscheidung lautete zwar, daß Fierville das Gebäude innerhalb<br />

von drei Tagen zu räumen habe, aber Koch wollte nicht in einer Atmosphäre<br />

der Feindseligkeit beginnen. Er kaufte also Fierville noch seine schäbigen Dekorationen<br />

für 1500 Taler ab, und der Streit war beigelegt. Das Schuchsche Theater, das nicht direkt<br />

an der Straße, sondern auf einem Hof lag 30 , war übrigens wesentlich bescheidener als<br />

Kochs Leipziger Schauspielhaus und faßte nur maximal 800 Zuschauer.<br />

Am 10. Juni 1771 eröffnete Koch sein Theater mit Lessings bürgerlichem Trauerspiel<br />

„Miß Sara Sampson" und einem pantomimischen Ballett, benannt „Die Abendstunde".<br />

Vorangegangen war ein Prolog Karl Wilhelm Ramlers, des Berliner Poeten und Professors<br />

der Logik und der Schönen Wissenschaften. Plümicke, der erste Historiograph des<br />

Berliner Theaters, berichtet: „Der Beifall war so gros, daß in den ersten sechs oder acht<br />

Vorstellungen das Theater nicht allein gepfropft voll war, sondern wol eben so viel Zuschauer<br />

wieder weggehen musten, als es schon wirklich enthielt; welches auch nachher<br />

noch zum öftern geschehen." 31 Ramlers Prolog, gesprochen von Madame Koch 32 , appellierte<br />

kräftig an das Nationalgefühl, den „Deutschen Musentempel" nicht zu mißachten,<br />

sondern gegen die Übermacht der italienischen Oper und des französischen Schauspiels zu<br />

unterstützen:<br />

28 Vgl. C. A. Bertram: An den Herrn Schmid zu Giessen. Frankfurt, Leipzig 1773, S. 29.<br />

29 Fürstenau (s. Anm. 1 in Teil 1), S. 20.<br />

30 Situationsplan bei Brachvogel (s. Anm. 27), S. 187.<br />

31 C. M. Plümicke: Entwurf einer Theatergeschichte von Berlin. Berlin, Stettin 1781, S. 269.<br />

32 Die Bezeichnungen „Madame" und „Demoiselle" für weibliche Bühnenangehörige wurden in<br />

Berlin erst infolge der Revolution von 1848 durch „Frau" und „Fräulein" ersetzt.<br />

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