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tionen, ohne Rücksicht darauf, wo es sich im Augenblick befindet, ist zu beschlagnahmen."<br />

So hieß es in einer als „Streng vertraulich!" bezeichneten Verfügung des Geheimen Staatspolizeiamts<br />

Berlin vom 10. April 1937 betr. „Auflösung des 'Unabhängigen Ordens Bne<br />

Briss'". Dieser an alle Staatspolizeistellen im Deutschen Reich gerichteten Anweisung lag<br />

ein Verzeichnis „der für den jeweiligen Dienstbereich in Betracht kommenden Organisationen<br />

und Nebenorganisationen und der Anschriften der früheren Logenangehörigen"<br />

bei.<br />

Der 1843 in New York (von ausgewanderten deutschen Juden) gegründete jüdische<br />

U.O.B.B. - Bne Briss (auch Bnai Brith) bedeutet soviel wie „Söhne des Bundes" - übt<br />

Wohltätigkeit, Bruderliebe und Eintracht. In Deutschland begann diese Bewegung 1882,<br />

verbreitete sich zusehends und umfaßte, bis in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts,<br />

etwa 100 Logen; die Gesamtzahl ihrer Mitglieder wurde auf 12 000 bis 13 000 geschätzt.<br />

Bne Briss unterhielt in Deutschland Ausbildungsstätten, Alters-, Kinder- und Erholungsheime<br />

und hatte von 1901 bis 1937 ein eigenes gedrucktes monatliches Mitteilungsblatt mit<br />

dem Titel „Der Orden Bne Briss".<br />

Mit welcher wie stets von den Naziverfolgern betriebenen organisatorischen Minuziösität<br />

die Durchführung der zumindest intern zu einer Art kleiner Staatsaktion hochgespielten<br />

Maßnahme im einzelnen vorbereitet war, zeigen die Spezialanweisungen der Gestapo, als<br />

da sind: die restlose Erfassung der Personalakten und ähnlichen Unterlagen, die Beschlagnahme<br />

bestimmter Vermögenswerte, die Verhaftung (bis nach Beendigung der Aktion) der<br />

„führenden" Logenangehörigen (Präsidenten, Schriftführer, Kassenwarte), die Durchsuchung<br />

der Wohnungen der Genannten nach Logenmaterial sowie dessen Sichtung, Sicherstellung<br />

und Trennung nach freimaurerischem und nichtfreimaurerischem Inhalt. Die Tragweite<br />

der widerrechtlichen Entziehungsmaßnahmen ist im Einzelfall dadurch dokumentiert,<br />

daß beispielsweise ein ehemaliger Stuttgarter Logenbruder im Juni 1937 ersucht wurde,<br />

seinen rückständigen Mitgliedsbeitrag an den örtlichen „Liquidator", einen Bezirksnotar,<br />

zu entrichten!<br />

Dem Geschehnis, soweit es sich auf Berlin bezog, ging sogar im Dienstgebäude Wilhelmstraße<br />

98 eine besondere Referentenbesprechung am 14. April voran, zu der mit der gleichen<br />

Gestapo-Verfügung eingeladen wurde. Das mochte seinen Grund darin haben, daß von<br />

den ursprünglich über 100 Bnai-Brith-Logen in Deutschland (von denen sich schon vor<br />

dem „Stichtag" gut ein Drittel angeblich freiwillig aufgelöst hatte oder mehr oder weniger<br />

zwangsweise „suspendiert" worden war) sich allein neun in Berlin befanden. Sie alle hatten<br />

ihren Sitz in dem geräumigen und repräsentativen Logenhaus in der Kleiststraße 10—12,<br />

wo lange auch das Büro der Großloge für Deutschland VIII war. Seit 1924 war Dr. Leo<br />

Baeck der Großpräsident, der letzte in Deutschland; vor ihm hatten dieses Ehrenamt<br />

bekleidet: Julius Fenchel (von 1885 bis 1887), Louis Maretzki (1888/98), von dem eine<br />

Geschichte des Ordens bis 1907 stammt, und der Geheime Justizrat Berthold Timendorfer<br />

(bis 1924).<br />

Das beschlagnahmte und „entzogene" Berliner Logenhaus hat ein eigenartiges, seltsames<br />

Schicksal gehabt: Wie durch ein Wunder überlebte es die fast totale Zerstörung der Nordseite<br />

der Kleiststraße während des letzten Krieges beinahe unversehrt, so daß es in seinem<br />

äußeren Gepräge wie in seinem Interieur von Eingeweihten heute gut wiederzuerkennen<br />

ist. Nach der unrechtmäßigen Entziehung „zugunsten des preußischen Staates" wurde das<br />

Eigentum an dem um die Jahrhundertwende errichteten, repräsentativen Gebäude von der<br />

„Kleiststraße 10 — 12 Grundstücks-Aktiengesellschaft" (bis etwa Mitte 1935: „Berliner<br />

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