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hatte es mit einem ausgezeichneten Orchester zu tun, mit Musikern, welche mir von der<br />

ersten Probe an die größte Teilnahme entgegenbrachten. Das Publikum empfing mich begeistert.<br />

Es versteht sich von selbst, daß mir dies alles sehr angenehm ist, ich fühle mich<br />

aber so müde, daß ich nicht weiß, wie ich das Bevorstehende ertragen soll. Der Aufenthalt<br />

in Berlin war einfach ein Martyrium; nicht einen Moment konnte ich allein sein.<br />

Von früh bis spät mußte ich Gäste empfangen oder selbst Besuche machen." Einer ihm<br />

weiterhin bei einem „Frühschoppen" zugedachten Ehrung wünschte er jedoch unter allen<br />

Umständen zu entgehen. Gern nahm er dafür die Einladung zu einem Diner im Hause<br />

des Musikverlegers Hugo Bock an (den er „einen guten, netten Kerl" nennt), und es gab<br />

nun die ihm höchst willkommene Möglichkeit, Desiree Artöt, die „ungetreue Braut" von<br />

ehedem, wiederzusehen. Der Abend bei ihr, zusammen mit Edvard Grieg, verlief ungemein<br />

harmonisch und in bester Stimmung; Tschaikowsky begleitete die Sängerin zu Liedern<br />

Griegs, dieser wiederum akkompagnierte die Gesänge Tschaikowskys am Klavier.<br />

Ein Jahr später kehrte Tschaikowsky aufs neue in Berlin ein; innerhalb eines populären<br />

Abends der Philharmoniker (26. Februar 1889) dirigierte er diesmal nur zwei Nummern:<br />

die Streicherserenade op. 48 und „Francesca da Rimini" (im zweiten Teil hörte man<br />

Carl Maria von Webers ,,Preziosa"-Musik). „Der Saal war überfüllt", schrieb Peter an<br />

seinen Bruder Modest, „der Erfolg ein großer, obwohl ,Francesca' eigentlich nicht die<br />

Wirkung ausübte, die ich erwartet hätte; das Orchester spielte nämlich<br />

so herrlich, daß es mir schien, das Publikum müßte schon allein deswegen in Begeisterung<br />

geraten. Sehr deutlich vernahm ich zwei oder drei Pfiffe. Am besten hat der Walzer der<br />

Serenade gefallen. . . In Berlin mache ich den ganzen Tag Besuche, und das ist für mich<br />

das Schrecklichste. Mein einziger Trost ist — Artöt, die ich überall treffe und furchtbar<br />

gern habe. Am Abend muß ich zu Klindworth, der mir zu Ehren einen musikalischen<br />

Abend aus meinen Kompositionen veranstaltet."<br />

Während der letzten Lebensjahre gab es für Tschaikowsky noch ein paar Berliner Stippvisiten<br />

(Januar 1890; März 1891; Januar 1892; Mai 1893). Als er im Dezember 1892<br />

zum vorletztenmal in unserer Stadt weilte, „waren es keine drei lustigen Tage,,, die er<br />

hier verbrachte. Von hier erhielt sein Lieblingsneffe Wladimir („Bobik") jene Zeilen, die<br />

tief ins Innere hineinleuchten: „Ich sitze immer noch in Berlin; es fehlt mir der Mut,<br />

mich aufzuschwingen. Ich prüfte aufmerksam und sozusagen objektiv meine Symphonie,<br />

welche ich zum Glück noch nicht instrumentiert und in die Welt gesetzt habe. Der Eindruck<br />

war für sie nicht schmeichelhaft, d.h. die Symphonie ist nur um des Schreibens<br />

willen geschrieben und enthält nichts Interessantes und Sympathisches. Sie soll verworfen<br />

und vergessen werden. Dieser von mir gefaßte Entschluß ist unwiderruflich.. . Ohne Arbeit<br />

zu leben, die alle Zeit, Gedanken und Kräfte verschlänge - wäre langweilig. Was<br />

soll ich tun? Das Komponieren an den Nagel hängen und vergessen? Der Entschluß ist<br />

sehr schwer. Ich denke und denke und weiß nicht, wofür ich mich entscheiden soll". Dieses<br />

Opus hat Tschaikowsky tatsächlich vernichtet, doch bereits Anfang April 1893 konnte<br />

er melden, er habe inzwischen eine neue Symphonie vollendet, die ihn selbst zufriedenstelle<br />

und formal mancherlei Ungewöhnliches bringe. Wie gut es das Schicksal gerade mit<br />

dieser seiner „Symphonie pathetique" meinte und welche außerordentliche Resonanz sie<br />

beim Publikum auslöste, das alles sollte sich schon bald nach dem Tode des Komponisten<br />

(6. November 1893) zeigen.<br />

Innerhalb des Berliner (und des Leipziger) Konzertlebens gebührt das Verdienst am<br />

Nachruhm zweifelsohne dem Dirigenten Arthur Nikisch, der hier seit 1895 eine konstante<br />

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